Fußball | EURO 2024 Ralf Rangnick mit nächstem Coup in Leipzig?
Am Dienstag (2. Juli 2024) kämpfen Österreich und die Türkei in Leipzig um das letzte Viertelfinal-Ticket. Das letzte EM-Spiel in der Messestadt ist zugleich die Rückkehr von Ralf Rangnick an seine alte Wirkungsstätte. Dort war er jahrelang umtriebig und hat die Hierarchie in der deutschen Fußball-Landschaft maßgeblich verändert. Nun will er auch mit dem ÖFB-Team Geschichte schreiben.
Der Leipziger Fußball der Neuzeit – egal ob man diesen nun gutheißt oder nicht – ist unweigerlich mit dem Namen Ralf Rangnick verbunden. Der Fußballtrainer und -funktionär gilt weitläufig als Architekt des aktuellen Red-Bull-Fußball-Imperiums und damit auch von RB Leipzig. Unter seiner Leitung als Trainer stieg RBL in die Bundesliga auf, als Sportdirektor und erneut als Chefcoach war er mitverantwortlich für die Etablierung im Oberhaus in den folgenden Jahren.
Nachdem sich im Sommer 2020 die Wege von Rangnick und dem österreich-thailändischen Brauseunternehmen trennten, ging es für es für den gebürtigen Backnanger über Stationen bei Lokomotive Moskau (Leiter Sport und Entwicklung) und Manchester United (Teammanager) schließlich zum Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB). Und hier konnte der einst als "Taktikprofessor" verschriene Fußballlehrer wieder seine ganze Kompetenz zeigen – das was ihm zuvor auch schon in Ulm, Hoffenheim, Salzburg und Leipzig gelungen war. Die Entwicklung eines Teams nach seinen Vorstellungen.
Blick ins Jahr 1998: Ulms Teammanager Ralf Rangnick sitzt an einer taktischen Zeichnung
Österreichs Legenden trauen Rangnick alles zu
Der Einzug ins Achtelfinale – verbunden mit dem ersten Platz in der als "Todesgruppe" bezeichneten Gruppe D mit Frankreich, den Niederlanden und Polen – ist die Wiederholung des besten Abschneidens der Alpenrepublik bei einer EM-Endrunde. Bei den ersten zwei Teilnahmen 2008 (als Co-Gastgeber mit der Schweiz) und 2016 (in Frankreich) war bereits nach der Vorrunde Schluss gewesen. 2021 zog das von Franco Foda trainierte Team bei der pan-europäischen Auflage im Achtelfinale gegen den späteren Europameister Italien den Kürzeren. Weiter bei einem großen Turnier war Österreich nur bei der Weltmeisterschaft 1954 gekommen, als man nach einer Halbfinal-Niederlage gegen Deutschland das Turnier als Dritter beendete.
Rangnick kann nun also mit einem weiteren Erfolg österreichische Fußball-Geschichte schreiben und erstmals unter die besten Acht beim kontinentalen Kräftemessen einziehen. Wie groß das rot-weiß-rote Vertrauen in den Teamchef ist, zeigt auch, was die Legenden des Landes Rangnick so alles zutrauen. Hans Krankl, der fünf Mal wurde er zu Österreichs Fußballer des Jahres gewählt wurde, glaubt: "Es ist alles möglich - bis zum Finale sogar. Spanien ist das Beste, was ich bisher gesehen habe, und dann kommt schon Österreich." Der Gelobte selbst ist von dem aktuellen Erfolg natürlich nicht überrascht, selbst einen möglich EM-Gewinn wollte er vor Wochen nicht völlig ausschließen, auch wenn er "nicht sehr wahrscheinlich" ist.
Rangnick hat sich auch persönlich entwickelt
Rangnick hat die Herzen in Österreich im Sturm erobert, zum einen weil er im Vergleich zu seinem Vorgänger bei ÖFB einen attraktiven Fußball spielen lässt. Zu anderen hat er sich auch als Mensch entwickelt. Er wirkt nahbarer und nicht mehr so verbissen wie noch zu Leipziger Zeiten. Was aber nicht bedeutet, dass er mit weniger Intensität seine Aufgaben angeht. Und der seit Samstag 66-Jährige will sich auch nicht mit aller Macht mit jedem gutstellen, das hat er zuletzt in einem Interview gezeigt, wo er klar Stellung gegen die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen bezogen hat. Mit seinem Appell gegen den Rechtsruck ("wir müssen gerade auf dem rechten Auge sehr wachsam sein") und für mehr Zusammenhalt hat er sich im politisch gespaltenen Österreich sicherlich nicht nur Freunde gemacht.
Das wird ihm aber sicherlich auch egal sein, wichtig ist für Rangnick, was seine Mannschaft von ihm hält. Und diese ist voll auf seinem Kurs. "Ich glaube, dass er sehr glücklich ist bei uns. Das strahlt er tagtäglich aus", erklärte Christoph Baumgartner über das Verhältnis zwischen Team und Trainer und fügt hinzu: "Es gibt nix, was ich ihm nicht zutrauen." Baumgartner ist neben Niklas Seiwald einer von zwei aktuellen RBL-Spielern in Rangnicks Kader. Dazu kommen Marcel Sabitzer und Konrad Laimer, die auch noch mit ihm in Leipzig zusammengearbeitet haben und seine Arbeitsweise bestens kennen.
Letztes EM-Spiel in Leipzig
Auch wenn das Spielsystem in der Nationalmannschaft ein anderes ist als bei RB, schafft es Rangnick ("Das, was wir spielen, passt optimal zu den Spielern, und darum geht es im Endeffekt") aus seinen Spielern das Maximum herauszuholen und hat damit eine Euphorie entfacht. Diese wird man auch an seiner alten Wirkungsstätte in Leipzig wieder sehen, wenn der Weltranglisten-25. aus Österreich auf die Türkei trifft (42.). Nicht nur wegen dieser Platzierung ist die Rangnick-Elf am Dienstag (Anpfiff 21 Uhr) Favorit - beim Testspiel im März wurden das Team vom Bosporus mit 6:1 vom Platz gefegt. Auch auf den Rängen wird es dann heiß hergehen. Beide Fanlager ziehen per Fanmarsch zum Stadion – die Österreicher vom Richard-Wagner-Platz im Norden des Innenstadtrings, die Fans der Mond-Sterne werden sich vom Süden vom Wilhelm-Leuschner-Platz aus Richtung Sportforum bewegen.
Ein weiterer Erfolg von Österreich und Rangnick wäre in Leipzig wieder mal ein echter Coup gelungen. Sollten sich die ÖFB-Kicker ginge es in Berlin mit dem Viertelfinale gegen den Sieger aus dem Spiel Rumänien gegen Niederlande weiter. An die Bundeshauptstadt haben Rangnick und sein Team auch gute Erinnerungen. Dort gelangen die Gruppensiege gegen Polen (3:1) und die Niederlande (3:2). Für Sachsens größte Stadt endet dagegen das EM-Abenteuer 2024, die Achtelfinal-Partie wird die letzte sein, die in Leipzig ausgetragen wird.
rac