Pascal Ackermann
Tourreporter

Tour-Debüt mit 30 Jahren Pascal Ackermann - das späte Glück eines Sprinters

Stand: 09.07.2024 07:40 Uhr

Der deutsche Sprinter Pascal Ackermann gibt im Alter von 30 Jahren sein Debüt bei der Tour de France. Er befindet sich auf Augenhöhe mit den besten seines Fachs. Und rechnet fest damit, dass er eine Etappe gewinnt. Vielleicht schon am heutigen Dienstag (09.07.2024).

Von Michael Ostermann, Orléans

15, 6, 9, 4 - das sind Zahlen, die einen Sprinter bei der Tour de France normalerweise nicht glücklich machen. Aber Pascal Ackermann strahlt trotzdem immer - vor und nach den Etappen. Und am Montag, am ersten Ruhetag der Tour sowieso. Auch wenn seine Ergebnisse in den bisherigen Massensprints auf dem Papier nicht so doll aussehen. "Die Beine sind gut, ich merke einfach, dass die Form stimmt." Darauf kommt es an - erstmal.

Auf Augenhöhe mit den Besten

Ackermann merkt, dass er auf Augenhöhe ist mit den besten Sprintern bei der Tour. Und für die Ergebnisse, jedes einzelne, gibt es ja Erklärungen.

Bei der ersten Sprintankunft am Ende der 3. Etappe in Turin stürzte sein Teamkollege Guillaume Boivin kurz vor dem Ziel. Ackermann selbst blieb gerade noch so auf dem Rad. "Aber beim Weg zurück habe ich mich gekillt und dann war der Sprint vorbei." Das war Rang 15.

3. Etappe - die Zusammenfassung

Hendrik Deichmann, Sportschau Tour de France, 01.07.2024 14:21 Uhr

Auf der 5. Etappe war Ackermann der Wegbereiter für einen besonderen Moment in der Geschichte des Radsports. Der Brite Mark Cavendish war vom Hinterrad des Deutschen aus zu seinem 35. Tour-Etappensieg gesprintet. Zu früh losgefahren sei er da und habe so quasi als Anfahrer für den Rekordetappensieger gedient. "Ohne mich", ist Ackermann auch Tage später noch sicher, "hätte Cavendish die Etappe nicht gewonnen." Das war Rang 6.

5. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau Tour de France, 27.06.2024 17:29 Uhr

Keine gute Vorbereitung und "eingebaut"

Am Tag darauf in Dijon - beim Etappensieg des Niederländers Dylan Groenewegen - vermasselten Ackermann und sein Team die Sprintvorbereitung ein wenig. In einem Kreisverkehr 600 Meter vor dem Ziel verloren sie den Anschluss. "Da wurden wie überrollt", sagt Ackermann. Dadurch kam er erst gar nicht richtig in den Sprint. Das war Rang 9.

6. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau Tour de France, 04.07.2024 14:05 Uhr

Und auf der verregneten, hektischen 8. Etappe nach Colombey-Les-Deux-Églises, da zögerte er einen Moment zu lang, weil er seine Sprints sonst oftmals einen Tick zu früh startet. "Da kamen sie dann von rechts und von links und ich war eingebaut", sagt Ackermann. Das war Rang 4.

8. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau Tour de France, 06.07.2024 18:27 Uhr

Ackermann glaubt an den Etappensieg

So ist das Leben eines Sprinters - nicht nur bei der Tour, aber hier besonders. "Manchmal geht die Lücke auf, manchmal nicht. Man weiß vorher nicht, ob man das offene Rad erwischt", sagt Ackermann. Aber wichtig ist das Vertrauen darauf, dass es irgendwann klappt und man dann der Erste ist, der die Ziellinie erreicht. Denn darum geht es natürlich auch für ihn: Ackermann will diesen Etappensieg. Und er glaubt daran.

Vor dem Start der Tour de France stand er mit diesem Glauben ziemlich alleine da. Sein bislang letzter Erfolg ist für den Juli vergangenen Jahres notiert. Da gewann er die erste Etappe der Österreich-Rundfahrt, während die Sprinter, gegen die er jetzt antritt, in Frankreich um die Wette fuhren, beim wichtigsten Radrennen der Welt. Dort, wo Ackermann in diesem Jahr zum ersten Mal am Start steht.

30 Jahre alt musste der Radprofi aus Kandel in der Pfalz werden, um sein Debüt bei der Tour de France zu geben. Und nach seinen Ergebnissen in den vergangenen drei Jahren war lange zu befürchten, dass es gar nicht mehr dazu kommen werde, dass er hier einmal dabei sein würde.

Bei Bora-hansgrohe fühlte er sich betrogen

Dabei gehörte Ackermann schon einmal zu den besten Sprintern der Welt, feierte Etappensiege bei der Spanien-Rundfahrt und beim Giro d'Italia, wo er auch das Maglia ciclamina, das Trikot des Punktbesten gewann - als erster deutscher Profi in der Geschichte des Radsports. 2019 war das.

2020 gelangen ihm dann acht seiner mittlerweile 40 Profisiege, aber weder damals noch im Jahr darauf nahm ihn das Team Bora-hansgrohe mit zur Tour. Ackermann fühlte sich betrogen, verließ die deutsche World-Tour-Mannschaft und heuerte beim UAE-Team an.

Dass ihn das nicht nach Frankreich bringen würde, war eigentlich klar. Denn die Equipe von Tadej Pogacar setzt alles auf Gelb - einen Sprinter kann man da bei der Tour nicht gebrauchen. Und auch bei vielen anderen Gelegenheiten, war Ackermann dort eher zu Helferdiensten verdonnert. "Ich musste bei UAE oft früh arbeiten und sollte dann noch sprinten", berichtet Ackermann.

"Keinen Schritt anders machen"

Auch rückblickend würde er in seiner Karriere dennoch "keinen Schritt anders machen", betont er. "Ich wäre natürlich gerne fünf Jahre früher bei der Tour mitgefahren und hätte meine Etappensiege schon", sagt Ackermann. Aber wichtig seien "ein, zwei Personen, die einem vertrauen, wenn man es braucht".

Dieses Vertrauen spürt er jetzt bei seinem neuen Team Israel-Premier Tech, für das er seit dieser Saison in die Pedale tritt. Und das, obwohl er bislang für seine neue Mannschaft noch keinen Erfolg einfahren konnte. "Ich habe mir oft selbst im Weg gestanden", sagt Ackermann über die ersten Monate in der neuen Mannschaft. Zu viele Gedanken habe er sich gemacht. Dabei habe er gar keinen Druck. "Die Erwartungen sind andere, wir müsen hier nicht bei jeder Etappe ganz vorne sein. Das ist anders als beispielsweise bei Bora."

"Je härter, umso besser"

Auch das ist ein Grund für seine gute Laune in diesen Juli-Tagen in Frankreich, bei diesem "verdammt geilen Rennen", bei dem ganz anders gefahren werde als bei anderen Rennen. Nun ist er hier, hat es geschafft. Ein spätes Glück. Das lässt er sich auch nicht madig machen durch die Zahlenkombination 15, 6, 9, 4.

Sein Tag wird kommen, davon ist er überzeugt. Vielleicht schon am Dienstag, auf der 10. Etappe von Orléans nach Saint-Armand-Montrand. Das 187,3 Kilometer lange Teilstück ist brettflach, nicht ein kategorisierter Anstieg ist im Profil der Etappe verzeichnet. Allenfalls der Wind könnte eine Rolle spielen. Das bislang letzte Mal als die Tour Saint-Armand-Montrand ansteuerte, zerfiel das Feld an der Windkante in seine Einzelteile.

Ackermann fürchtet das nicht - im Gegenteil. "Umso besser für mich, je härter es wird", sagt er. Das hat er auch auf den Schotterpisten der Champagne am vergangenen Sonntag gezeigt, wo er bis zum Schluss in der Gruppe der Favoriten mitfuhr. "Meine Beine sind gut, und die anderen Sprinter müssen schon ans Limit gehen, das merkt man."

9. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau Tour de France, 07.07.2024 14:00 Uhr

Und wenn es am Dienstag wieder nicht klappen sollte? Dann kommen noch zwei, drei weitere Chancen. Und so lange das so ist wird Ackermann seine gute Laune behalten und genießen.