Pogacar jubelt

Lombardeirundfahrt Pogacar Favorit beim "Rennen der fallenden Blätter"

Stand: 10.10.2024 11:55 Uhr

Wer kann Tadej Pogacar am Samstag (12.10.2024) beim letzten der fünf großen Rad-Klassiker dieses Jahr gefährlich werden und worauf kommt es bei der Lombardeirundfahrt besonders an?

Von Till Kleindiek

Eigentlich ist alles wie immer. Im Jahr 2024 steht ein Radrennen an und der große Favorit auf den Sieg kommt aus Slowenien. Vor gut sechs Monaten ist Tadej Pogacar zum Saisonauftakt bei der "Strade Bianche" gut 81 Kilometer vor dem Ziel ausgerissen und seitdem ist es gefühlt keinem mehr gelungen, den Slowenen einzufangen.

Ein halbes Jahr später hat Pogacar, zwischen verlegenem Schulterzucken und verschmitztem Lausbubengrinsen in Interviews, den Giro D'Italia, die Tour de France und die Weltmeisterschaft gewonnen. Dies gelang vor ihm mit Stephen Roche und Eddy Merckx nur zwei anderen Fahrern in der Geschichte des Radsports

Der Beste aller Zeiten?

So sind Vergleiche zu Merckx längst keine Seltenheit mehr und angesichts des gnadenlosen Siegeszugs des Alleskönners, hat sich nach Pogacars WM-Triumph auch der "Kannibale" selbst zum verbalen Kniefall hinreißen lassen: "Es ist offensichtlich, dass er jetzt über mir steht. Es gibt keinen Zweifel mehr."

Ein Kopfsteinpflaster-Sektor des Rad-Klassikers Paris-Roubaix wurde nach Eddy Merckx benannt.

Eddy Merckx gewann in seiner Karriere 34 Tour-de-France-Etappen und 19 Klassiker.

Die Lombardeirundfahrt bildet am 12. Oktober als letztes Eintagesrennen traditionell den Abschluss des Rennkalenders und mittlerweile wohl ebenfalls als traditionell kann man Pogacars Favoritenstatus vor dem "Rennen der fallenden Blätter" bezeichnen.

Die vergangenen drei Ausgaben des Monuments gingen allesamt aufs Konto des Slowenen und auch in diesem Jahr scheint kein Kraut gegen das Ausnahmetalent seiner Generation am Streckenrand gewachsen zu sein.

Brutales Anforderungsprofil

Wurde im vergangenen Jahr noch von Como nach Bergamo gefahren, erleben die Fahrer in der diesjährigen Ausgabe eine Rochade bei der Streckenführung. In entgegengesetzter Richtung endet das Rennen diesmal in Como, obendrein ist es mit gut 252 Kilometern gut 14 Kilometer länger als im Vorjahr.

Unter den fünf Monumenten des Radsports stellt die Lombardeirundfahrt neben Lüttich-Bastogne-Lüttich die anspruchsvollsten Bergprüfungen an die Fahrer. 4.823 Höhenmeter verlangen auch in diesem Jahr selbst den Besten ihres Fachs alles ab.

Verteilt sind diese auf acht brettharte Berganstiege, auch einer der prestigeträchtigsten, der Anstieg zur Madonna del Ghisallo, ist diesmal wieder mit von der Partie. 42 Kilometer vor der Ziellinie wartet dann aber die entscheidende Prüfung.

Die Schlüsselstelle

Der Colma di Sormano ist gut 13 Kilometer lang und weist in der Spitze gnadenlose 13 Prozent Steigung auf. Gut möglich, dass hier die finale Attacke gesetzt wird oder sich zumindest eine Gruppe absetzt, aus der der spätere Sieger hervorgeht.

Folglich besteht die Favoritenliste nicht aus den üblichen Verdächtigen für die Kopfsteinpflaster-Klassiker im Frühjahr wie z.B. Matthieu van der Poel oder Wout van Aert, sondern zu allererst aus bergfesteren Fahrern, die gleichzeitig die nötige Tempohärte mitbringen, um einen Klassiker für sich zu entscheiden.

Die Favoriten

Insgesamt wirkt das Streckenprofil des Monuments wie ein Bewerbungsschreiben für einen Sieg Pogacars. Aktuell vereint wohl keiner auf der Welt sowohl Qualitäten am Berg als auch im Kampf gegen die Uhr so, wie der 26 Jahre alte Slowene. Dennoch gibt es Fahrer, die dem Mann im Regenbogentrikot durchaus gefährlich werden können. 

Der Hauptkonkurrent des Weltmeisters kommt aus Belgien. Remco Evenepoel rollt mit der besten Saison seiner Karriere in den Beinen an die Startlinie. Der Belgier hat bei seiner ersten Tour-de-France-Teilnahme das Podium erreicht, obendrein wurde der Quick-Step-Kapitän im Zeitfahren Weltmeister und Olympiasieger, auch nach dem olympischen Straßenrennen hing die Goldmedaille um Evenepoels Hals. An einem normalen Tag ist Pogacar jedoch der stärkere Fahrer, sobald es bergauf geht.

Remco Evenepoel

Remco Evenepoel mit seinen beiden Goldmedaillen in Paris

Ebenfalls mit Siegchancen im Gepäck reisen Fahrer wie Mountainbike-Olympiasieger Thomas Pidcock oder der Amerikaner Matteo Jorgenson nach Italien. Mit Richard Carapaz ist einer der ausgebufftesten Fahrer im Peloton am Start, dem das Profil des Klassikers ebenfalls liegen dürfte.

Zimmermann und Co. nur Außenseiter

Aus deutscher Sicht haben Georg Zimmermann (Intermarché - Wanty), Marco Brenner (Tudor Pro Cycling) und Florian Lipowitz (Red Bull-Bora-Hansgrohe) wohl die besten Chancen, in einem hochkarätig besetzten Teilnehmerfeld für eine Überraschung zu sorgen.

Wahrscheinlich ist das jedoch nicht, zu dominant verläuft Pogacars bisherige Saison. Sechs Siege bei den großen Monumenten des Radsports (Einmal Flandernrundfahrt, dreimal Lombardeirundfahrt, zweimal Lüttich-Bastogne-Lüttich) hat der Slowene in seiner Karriere schon gesammelt.

Pogacar in Aktion

Tadej Pogacar in Aktion

Das Radsport-Jahr begann mit einer atemberaubenden Solofahrt Pogacars in Italien. Vieles deutet darauf hin, dass eine der individuell besten Saisons aller Zeiten auch mit einer solchen zu Ende gehen wird.