Jan Ullrichs "Geständnis" Persönlicher Befreiungsschlag ohne Aufklärung
Jan Ullrich hat sich mit dem Satz "Ich habe gedopt" von seiner Lebenslüge befreit. Das muss man anerkennen. Aber zur Aufklärung des Dopingsystems trägt der Toursieger von 1997 damit nicht bei.
Jan Ullrich hat es geschafft: Endlich hat er diesen einen Satz über die Lippen gebracht: "Ja, ich habe gedopt." Viele Jahre hat er gebraucht, um diesen einen, eigentlich so einfachen Satz auszusprechen. Das ist vor allem für ihn persönlich eine Befreiung.
Die Lebenslüge, die Ullrich nicht erst seit seinem Ausschluss von der Tour de France 2006 mit sich herumgeschleppt hat, war mitverantwortlich für den Absturz in Drogen- und Alkoholexzesse, die ihn mehrfach an den Rand des Todes gebracht haben.
Kein Wort zum Dopingsystem beim Team Telekom
Wenn das Aussprechen der Wahrheit nun dazu beiträgt, den Boden zu stabilisieren, auf dem er seinen weiteren Lebensweg gehen wird, dann kann man ihm dazu nur gratulieren. Selbst, wenn er damit eine für ihn sicher lukrative Doku eines Streaming-Dienstes bewirbt. Sich seinem Selbstbetrug zu stellen und die eigene Schuld zu bekennen, erfordert dennoch Mut und Kraft. Das wissen all jene, die einen ähnlichen Prozess hinter sich haben. Und dies als einstiger Volksheld im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu tun, macht es sicher nicht einfacher.
Dieser Öffentlichkeit "gesteht" Ullrich nun, was diese ohnehin schon wusste oder hätte wissen können. Und wieder bleibt er dabei vage. Dass Doping beim Team Telekom systematisch vonstatten ging, hat der ehemalige Pfleger Jef D'Hont schon 2007 öffentlich gemacht. Doch wer ihn an das Thema herangeführt hat, wie das Dopingsystem innerhalb des Teams funktionierte, welche Rolle die Freiburger Ärzte dabei spielten und was der Sponsor Telekom von alldem wusste? Dazu schweigt sich Ullrich weiter aus.
Dass er ab 2003 die Dienste des Blutpanschers Eufemiano Fuentes in Anspruch genommen hat, hatte Ullrich selbst schon 2013, wenn auch halbherzig, zugegeben. Dass sein Blut bei der Tour de France 1998, die er als Zweiter hinter dem gedopten Italiener Marco Pantani beendete, mit EPO versetzt war, ergaben Nachtests der eingefrorenen Dopingproben von damals.
Die dopenden Weggefährten sind wieder wer
Ullrich hat nun in München erklärt, er habe 1996 mit dem Doping begonnen. Jenem Jahr, in dem er die Radsport-Welt bei seinem Tour-de-France-Debüt mit dem Platz zwei hinter seinem Teamkapitän Bjarne Riis verblüffte. Ein Jahr später gewann Ullrich selbst das wichtigste Radrennen der Welt und sorgte dafür, dass Deutschland dem damals schwer Doping verseuchten Radsport verfiel.
Riis gehörte 2007 zu jenen Fahrern des Teams Telekom, die in einer wahren Geständniswelle zugaben, den Blutbeschleuniger EPO gespritzt zu haben. Ullrichs Weggefährten Rolf Aldag und Erik Zabel gaben damals ebenfalls Doping zu. Sie alle fanden danach wieder ein lukratives Auskommen im Radsport - als Teamchefs, Sportliche Leiter oder Berater.
Und während Ullrich schwieg und immer weiter in seine persönliche Abwärtsspirale geriet, durfte selbst einer seiner Rivalen, der Franzose Richard Virenque (auch so ein Superdoper der neunziger Jahre), nach einem tränenreichen Geständnis zurückkehren und schreibt bis heute munter Autogramme, wenn die Tour durch Frankreich zieht. Ullrich dagegen galt beim Grand Départ in Düsseldorf 2017 als persona non grata.
Ullrich bleibt eine tragische Figur
Ullrich hat jetzt deutlich gemacht, dass er sich nach dem Satz "Ich habe gedopt" eine Rückkehr in den Radsport wünscht - die einzige Welt, in der er sich zurechtfindet. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn er hat sich bei seinem "Geständnis" an eine goldene Regel gehalten: Er hat nur von sich gesprochen. Die Strukturen hinter seinem Betrug hat er nicht benannt. Denn dann würde er als Nestbeschmutzer gelten. Und die werden im angeblich geläuterten Radsport immer noch geächtet.
So bleibt Ullrich eine tragische Figur: Einst zu schwach, um dem Dopingsystem des Radsports zu widerstehen, weil er gewinnen wollte um jeden Preis und es einen anderen Weg nicht gab. Dann zu schwach, den jahrelangen Betrug zuzugeben, weil es wohl auch juristische Fesseln gab. Und nun immer noch nicht stark genug, wirklich reinen Tisch zu machen, weil er wieder dazugehören möchte.