Olympisches Dorf "Megacool" und "nervenaufreibend" - Schlaflos im Athletendorf
Die Hockey-Teams und die Wasserspringer haben als erste deutsche Sportler das olympische Dorf in Paris bezogen - und sind begeistert.
Die Stimmung ist friedlich im olympischen Dorf, das seinem Namen alle Ehre macht. Ein kleines Idyll an der Seine, die für etwas Kühlung sorgt, einmal mehr ist es heiß und schwül in der Olympiastadt. Noch sind längst nicht alle Athleten da, doch die Hockeyspielerinnen Kira Horn und Anne Schröder haben schon Tauschpartner für Pins gefunden, ein beliebtes Hobby unter den Sportlern und ein völkerverbindendes dazu.
Kira hat unter anderem Fidschi und Gastgeber Frankreich erwischt, die Pins klappern an der Akkreditierung, die in den kommenden Wochen noch ordentlich an Gewicht zulegen dürfte, wenn immer mehr Sportler die nagelneuen Wege im Athletendorf im Pariser Vorort Saint-Denis bevölkern.
Bügel, Kerzen, Kaffeemaschine im Gepäck
"Wir sind unglaublich froh, dass wir so früh vor unseren ersten Spielen anreisen konnten. Jetzt haben wir ein, zwei Tage Zeit, alles aufzusaugen und zu genießen", sagt Kira. "Wir sind erst einmal herumgelaufen, hier sind die Ringe, hier ist die Kaffeeecke, da ein Beachclub, dort die Mensa. Es gibt wahnsinnig viel zu entdecken."
Die Euphorie ist riesig, dabei haben beide sogar einen Wettbewerbsvorteil, sind sie doch schon bei Olympischen Spielen gewesen. Die Erfahrungsvorsprung ist nicht zu unterschätzen: Beamer, um auch im Zimmer Sport und Serien schauen zu können, kleine Kisten für den Schrank, Bügel, Kerzen und eine Lichterkette - haben sie alles dabei und direkt nach ihrer Ankunft im gemeinsamen Zimmer dekoriert. Wichtigstes Utensil im Gepäck der "Danas": die eigene Kaffeemaschine.
Bei den Hockey-Herren hat im Gemeinschaftsraum schon die Playstation ihren Platz gefunden, sie sind in Vierer- und einem Achter-Appartement untergebracht. Auch bei den Männern wurde nach der Ankunft am Freitag (19.07.2024) bis Mitternacht hin- und hergeräumt. "Es ist schon sehr klein und spartanisch eingerichtet", erzählt Teo Hinrichs, wie die Frauen haben sie erfolgreich nachgeholfen. Drei Wochen sind eine lange Zeit, der Wohlfühlfaktor muss stimmen. Nicht zuletzt, um Höchstleitungen zu bringen.
Mit offenem Mund auf Erkundungstour
Das Athletendorf ist bei allen Olympischen Spielen legendär - und für die Olympia-Debütanten Thies Prinz, Moritz Ludwig und Teo Hinrichs noch unbekanntes Terrain. Mit dem Fahrrad gingen die Weltmeister auf Erkundungstour und staunten nicht schlecht. "Man versucht so viele Eindrücke wie möglich zu sammeln und läuft eigentlich die ganze Zeit mit offenem Mund da durch", schildert Thies.
"Es ist megacool, ein bisschen eine Reizüberflutung", ergänzt Moritz, oder um es mit den Worten von Teamkollege Teo zu sagen: "Aufregend und auch ein bisschen nervenaufreibend".
Für mich war es ein bisschen wie ein kleines Kind an Weihnachten. Man ist hibbelig und aufgeregt und versucht überall gleichzeitig zu sein. Insgesamt fühlt es sich surreal an, hier zu sein.
Saskia Oettinghaus konnte in der ersten Nacht vor lauter Eindrücken und Emotionen kaum schlafen. Die Wasserspringerin vom Dresdner SC ist ebenfalls erstmals bei Olympia dabei und damit am Ziel ihrer Träume. "Das ist schon sehr besonders, alles ist ein bisschen größer und überall hängen die Ringe", schwärmt die 26-Jährige und schaut sich im Dorf um. "Ab und zu muss ich mich auch nochmal daran erinnern, 'hey, dafür hast du 20 Jahre gekämpft und jetzt ist es soweit'. Ich genieße das."
Anne Schröder: "Das schönste Dorf"
Zumindest was das Dorf betrifft, hat sie damit wohl schon einmal einen goldenen Griff getan. "Bisher bin ich sehr beeindruckt davon. Es ist das schönste von allen dreien", meint Anne, die bereits in Rio und Tokio dabei war.
"Die Häuser hier sehen total unterschiedlich aus, bisher waren das eher riesengroße Hochhäuser. Es wirkt auch viel mehr wie ein fertiges Dorf. Man kann draußen sitzen und direkt im Grünen, das ist schon ein großer Unterschied zu den Dörfern zuvor."
Noch ist viel Platz: Anne Schröder (l.) und Kira Horn im Athletendorf.
Auch die Seine, die mitten durchs Dorf fließt, sorgt für Flair. Ab und zu fährt ein Polizeiboot vorbei und durchbricht die Stille. Turmspringerin Christina Wassen findet das gut: "Ich habe mir ein bisschen Sorgen gemacht wegen der Sicherheit, aber es ist schon beruhigend, wenn man sieht, wieviel Polizei da ist und wie gut kontrolliert wird."
NBA-Stars und Simone Biles hoch im Kurs
Fast 14.500 Menschen aus mehr als 200 Ländern wird das Dorf im Pariser Norden mit seinen 82 neu gebauten Gebäuden in den kommenden Wochen beherbergen, darunter 9.000 Athletinnen und Athleten. "Ich freue mich darauf, wenn nach und nach die anderen deutschen Athleten kommen und sich das deutsche Haus mit Leben füllt", sagt Thies.
Und natürlich hoffen alle auf spannende internationale Begegnungen im Schmelztiegel Athletendorf. Die NBA-Stars stehen hoch im Kurs - und Ausnahmeturnerin Simone Biles, "ein oder zwei Tennisspieler würde ich auch gerne mal live sehen und vielleicht auch ein bisschen nervös nach einem Foto fragen", lacht Thies: "Man wird auf jeden Fall seine Fanboy-Momente hier haben, auch darauf freue ich mich."
"Der Lagerkoller wird kommen"
Die Hockeyherren, die zum Auftakt am Samstag (27.07.2024) auf Gastgeber Frankreich treffen, verabschieden sich zum Training, und auch die Zimmerkolleginnen Anne und Kira haben direkt am ersten Tag etwas Dringendes zu erledigen: "Das Bett ist noch ein bisschen hart. Aber es gibt hier im Dorf einen kleinen Laden, da kann man sich die einzelnen Elemente personalisieren lassen", berichtet Kira. Die nachhaltigen Pappbetten haben sich als erstaunlich stabil erwiesen: "Wir haben sie umgeschoben und alles etwas umarrangiert, das war gar nicht so einfach. Die sind schwer."
Noch ist ein bisschen Zeit zur Eingewöhnung, am Freitag (26.07.2024) steht die Eröffnungsfeier an. Danach wird es ernst für die ersten deutschen Olympia-Starter, beginnen ihre Wettkämpfe. Die Zeit der Bewährungsproben - auch im olympischen Dorf. "Der Lagerkoller wird kommen, so oder so. Wahrscheinlich schon nach eineinhalb Wochen", prognostiziert Teo. "Aber schlussendlich freuen sich alle, die Zeit hier zusammen zu verbringen."