Aufnahme der verunreinigten Seine in Paris, wodurch der Triathlon immer wieder verschoben wird.
Kolumne

ARD-Experte Frank Busemann über Triathlon Das Prestigeobjekt der Spiele droht zum Fiasko zu werden

Stand: 30.07.2024 12:56 Uhr

Der Unmut wird größer: Das zu schmutzige Wasser der Seine entnervt die Triathleten. Was bedeutet die Ungewissheit für die Sportler? Nervenkrieg pur, schreibt ARD-Experte Frank Busemann.

Von Frank Busemann, Paris

Es gibt ja in der Kunst dieses Stilmittel, dass immer wieder etwas passiert - ohne dass es passiert. Täglich grüßt das Murmeltier, 50 erste Dates, Warten auf Godot. So in etwa fühlen sich vielleicht derzeit die Triathletinnen und Triathleten.

Sie wollen ins Wasser springen, um die Strömung der Seine zu erfahren. Das erste Training abgesagt. Am zweiten Tag ebenso. Am dritten Tag wird sogar der Wettkampf verschoben. Alle da, alle wollen, nichts passiert.

Das Prestigeobjekt der Spiele droht zum Fiasko zu werden. Über eine Milliarde Euro wurden in die Hand genommen, um die Seine sauber zu bekommen. Das hat zu manchen Presseterminen auch geklappt, wenn die Pariser Bürgermeisterin oder der OK-Chef öffentlichkeitswirksam in die Fluten gesprungen sind.

An und für sich eine super Sache

Seit 100 Jahren ist das Schwimmen und Baden im Hauptstadtfluss wegen Gefährdung der Gesundheit durch menschliche Ausscheidungen aus veralteten Hausanschlüssen und fehlgeleiteter Chemie von offizieller Stelle verboten.

Nun also war man auf einem guten Weg das alles in den Griff zu bekommen. Olympia macht's möglich. An und für sich eine super Sache. Aber der Kampf fehlgeplanter Jahrzehnte, eines Jahrhunderts, lässt sich in sieben Jahren schwerlich korrigieren. Aber es sollte klappen. Es musste klappen. Triathlon in der Seine.

Grand Malheur - es regnet

Und schien die Sonne, sah es gut aus. Die Grenzwerte wurden immer öfter eingehalten. Solange keine Anti-Olympionisten sich einen Tag vor des Politikers Showbaden ihrer überschüssigen Fäkalien entledigten und solange es nicht regnet. Hat es aber. Grand Malheur! Und nicht zu knapp. Noch größeres Malheur! Es war bekannt, dass die Wasserqualität dann nicht eingehalten werden kann.

Und die Triathleten wussten: Am 30. Juli 2024 habe ich den olympischen Wettkampf. Alles ist darauf ausgerichtet. Das Training, die Vorbereitung und - vor allem die Psyche. Einen Wettkampf zu bestreiten, ist das eine. Einen wichtigen Wettkampf zu bestreiten, etwas ganz anders. Alles in Physis und Psyche konzentriert sich auf diesen einen Tag. Diese zwei Stunden. Die Kräfte werden zu einem Laserstrahl gebündelt und müssen ihre Energie an diesem einen Tag entfesseln. Oder doch nicht?

Ungewissheit? Nicht Kernkompetenz eines Leistungssportlers

Nervenkrieg pur. Einen Tag später also soll es losgehen. Wenn die Wasserqualität stimmt. Wenn. Wenn … Jetzt könnte man sagen, dass die Olympia-Macher vielleicht einen Plan B hätten haben müssen. Hätten … Haben sie aber nicht. Plan B ist derzeit eine weitere Verschiebung und eine Veränderung auf einen Duathlon. Triathlon-Olympiasieger mit zwei Disziplinen. Seltsam. Obwohl, im Achtkampf wäre ich persönlich 'ne ganz große Nummer gewesen. Gibt’s aber nicht.

Aber hier sind solche Gedankenspiele plötzlich real. Das hat athletisches Nervenflatter-Potenzial. Und Frust noch dazu. Ungewissheit ist nicht die Kernkompetenz eines Leistungssportlers. Aber genau um die geht es jetzt. Und damit hätten wir im olympischen tri-magischen Duathlon die komplexeste Disziplin obendrauf: Nervenstärke.

Volle Pulle rein in die Brühe

Nur, wer mit allen Unwägbarkeiten umgehen kann, gewinnt einen Triathlon, einen Duathlon, was auch immer - wird olympischer Medaillengewinner. Das ist die große Kunst des Anspruchs. Gewinnen!

Und das ist auch das Gefährliche für die Sportler. Sie bekommen gesagt, es geht, sie müssen rein. Ob es gesund ist, wird versucht anhand von Probemessungen abzuschätzen. Keiner wird zurückziehen, weil er befürchtet, dass er postolympische Gesundheitsbeeinträchtigungen mitbringt. Das liegt nicht in der Natur eines Sportlers: mit Zweifeln Sport machen. Kann er nicht. Wenn JA, dann JA! Volle Pulle rein in die Brühe.

Kurzum, es ist für alle gerade unbefriedigend und im wahrsten Sinne des Wortes Sch…

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 31.07.2024 | 07:35 Uhr