Duplantis, Bol oder Tamberi Stars und Hingucker der Leichtathletik-EM in Rom
Überflieger Mondo Duplantis, die fliegende Holländerin Femke Bol oder der König der Lüfte und Lokalmatador Gianmarco Tamberi: Das sind die europäischen Top-Athleten der Leichtathletik-EM in Rom und ihre Geschichten.
Armand "Mondo" Duplantis - Gold mit Weltrekord, oder einfach "nur" Gold?
Erster Wettkampf des Olympia-Jahres 2024, vier Sprünge - Weltrekord! Wasser ist nass, der Himmel blau und der schwedische Stabhochsprung-Gott Armand "Mondo" Duplantis fliegt verlässlich und spielend leicht von Bestmarke zu Bestmarke. 5,62, 5,82, 6,00 und 6,24 m war die Reihenfolge beim Diamond-League-Meeting im chinesischen Xiamen Ende April. Die 6,24 m sind der achte Weltrekord für den Olympiasieger und Weltmeister seit er 2020 mit 6,17 m erstmals zum Besten der Besten avancierte.
Rom ist für den Sensationsspringer nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Pariser Olymp. In Frankreich will er einer der ganz großen Stars der Spiele werden, dafür stellte Duplantis zuletzt seine Ernährung um und nahm zwei Kilo ab. "Mir wurde klar, dass ich vorher viel zu viel gegessen hatte, zu große Portionen und zu viel Zucker", so der Schwede. Nun stehen vor allem "Hühnchen, Lachs und Gemüse" auf dem Speiseplan: "Und zwei Kilo bewirken viel. Ich selbst bin überrascht, wieviel es ausgemacht hat."
Weltrekord! Wiederholungstäter Armand Duplantis hat es auch 2024 getan.
Der Konkurrenz darf also noch mehr Angst und Bange sein vor einem jetzt auch auf die Ernährung achtenden Weltrekordjäger. Was bedeutet das für Rom? Wie zuletzt bei jeder großen Meisterschaft stellt sich auch am Schlusstag der EM in "Ewigen Stadt" eigentlich nur die Frage: Fliegt Duplantis "nur" zu seinem dritten EM-Gold in Folge, oder tut er es auch standesgemäß mit der neunten Bestmarke?
Gianmarco Tamberi - mit bunten Socken und halbem Bart auf Titeljagd
Olympiasieger, Weltmeister, Europameister, Diamond-League-Gewinner: Gianmarco Tamberi hat im Hochsprung alle Triumphe gefeiert, die man feiern kann. Legendär war das geteilte Olympia-Gold und die Jubelarie bei den Spielen 2021 in Tokio mit seinem Konkurrenten und Freund Mutaz Essa aus Katar. Sein drittes EM-Gold nach Amsterdam 2016 und München 2022 will der Lokalmatador am 11. Juni im Olympiastadion von Rom holen - wie immer mit bunten Socken und nur halbseitig rasiertem Bart. So oder so ist Hobby-Schlagzeuger Tamberi bereits eine italienische Ikone und wird nicht von ungefähr zusammen mit Fechterin Arianna Errigo die Ehre zuteil, bei der Eröffnungsfeier der Spiele in Paris die italienische Fahne zu tragen.
Lokalmatador Gianmarco Tamberi will in Rom sein drittes EM-Gold holen.
Femke Bol - mit oder ohne Hürden Weltspitze
Über die Stadionrunde - mit oder ohne Hürden - führt seit geraumer Zeit kein Weg an Femke Bol vorbei. Dass das auch 2024 so sein wird, unterstrich die Niederländerin Anfang März bei der Hallen-WM in Glasgow: 49,17 Sekunden über 400 Meter ohne Hindernisse - Weltrekord! Erst Mitte Februar hatte die 24-Jährige mit 49,24 Sekunden die Bestmarke über zwei Runden verbessert. Mit Ausnahme von Olympischen Spielen hat Bol nun bei allen großen internationalen Meisterschaften Gold gewonnen.
In Rom freut sich die Niederländerin vor allem auf die Fans im Olympiastadion. "Die Italiener drehen einfach durch. Sie sind so laut, was so schön ist. Deshalb freue ich mich sehr darauf, dort antreten zu können", so Bol.
Mit oder ohne Hindernisse - Femke Bol ist über die Stadionrunde Weltspitze.
Bei den Europameisterschaften 2022 schaffte sie als erste Frau den Gold-Hattrick und siegte im 400-Meter-Flachlauf, im 400-Meter-Hürdenlauf und in der 4×400-Meter-Staffel. In Rom tritt die Niederländerin allerdings nicht über die 400 Meter flach an. Neben den 400 Meter Hürden ist die Weltmeisterin von Budapest 2023 aber noch für die 4x400-Meter-Frauen- und Mixed-Staffel gemeldet.
Jakob Ingebrigtsen - Doppel-Gold hält besser
Zwei Mal hat der Norweger bereits das EM-Gold-Double über 1.500 und 5.000 Meter geholt, nach Berlin 2018 und München 2022 soll es in Rom wieder so sein. "Meine Hoffnung und Erwartungen sind, beide Titel zu verteidigen", sagte der Norweger, der die "Ewige Stadt" als "Sprungbrett" für den ganzen großen Coup sieht. In Paris will der 23-Jährige wie in Tokio olympisches Gold über 1.500 Meter holen.
Abseits der Laufstrecke haben der zweimalige 5.000-Meter-Weltmeister (2022, 2023) und dessen Brüder Henrik und Filip mit ganz anderen Dingen zu kämpfen. Der Vater und langjährige Trainer der norwegischen Lauf-Stars wird wegen des Vorwurfs der Misshandlung eines Familienmitgliedes angeklagt. Das teilte die norwegische Polizei Ende April mit. Gjert Ingebrigtsens Anwalt erklärte laut der Nachrichtenagentur NTB, sein Klient weise die Vorwürfe zurück. Im Herbst 2023 hatten die drei Brüder ihrem Vater in einem Meinungsbeitrag in der Zeitung "Verdens Gang" vorgeworfen, in ihrer Kindheit gewalttätig gewesen zu sein. "Wir sind mit einem Vater aufgewachsen, der sehr aggressiv und kontrollierend war und im Rahmen seiner Erziehung körperliche Gewalt und Drohungen gebraucht hat", schrieben die Brüder damals.
Medaillensammler Jakob Ingebrigtsen.
Die bekannt gewordene Anklage bezieht sich auf die Misshandlung eines einzelnen Familienmitgliedes. Alle weiteren Vorwürfe wurden laut Polizeiangaben fallengelassen.
Karsten Warholm - Weltrekordler will sein drittes EM-Gold
Goldmedaillen pflastern den hürdigen Weg von Karsten Warholm. Hindernisse stellen die Hürden für den Norweger über die Stadionrunde anscheinend nicht dar. Sein Sensations-Weltrekord bei den Spielen in Tokio ließ jeden staunend zurück - 45,94 Sekunden! Fünf der zehn schnellsten Zeiten über die 400 Meter Hürden ist der 28-Jährige gelaufen.
Hürden-Weltrekordler Karsten Warholm.
Gut einen Monat vor den Spielen in Paris peilt er in Rom nach den Leichtathletik-Europameisterschaften 2018 in Berlin und 2022 in München seinen dritten kontinentalen Titel in Folge an. In der italienischen Hauptstadt wird es Mitte Juni kuschelig warm sein, so wie es die Sprinter bevorzugen. Warholm wäre aber kein Norweger, würde er nicht auch im Schnee zurechtkommen:
Jaroslawa Mahutschich - Es geht um mehr als EM-Gold
Seit Russland ihr Land überfallen hat, springt Jaroslawa Mahutschich nicht mehr nur um Medaillen. Die ukrainische Hochspringerin will mit ihren Leistungen den Menschen in ihrer vom Krieg zerstörten Heimat Hoffnung geben. Bei der Leichtathletik-WM in Budapest gelang ihr das eindrucksvoll. Die Olympia-Dritte von Tokio übersprang 2,01 m und gewann ihren ersten Weltmeister-Titel. 2022 hatte sie bei der EM in München ebenfalls Gold geholt. "Wir wollen mit unseren Leistungen zeigen, dass die Ukraine nicht besiegbar ist", sagt die 22-Jährige.
Hochsprung-Weltmeisterin Jaroslawa Mahutschich.
Mit Ende Januar in Cottbus übersprungenen 2,04 m führt Mahutschich die Weltjahresbestenliste an. Zwei Auszeichnungen fehlen im Briefkopf der Ukrainerin noch - Olympia-Gold und der Weltrekord. In Paris soll es mit ersterem klappen, die 2,09 m von Stefka Kostadinowa erscheinen für die Ukrainerin auch möglich. Den Weltrekord hat die Bulgarin übrigens 1987 aufgestellt - bei der Leichtathletik-WM in Rom.
Marcell Jacobs - Fragen sprinten mit beim Olympiasieger
EM-Gold vor heimischem Publikum zu gewinnen, wäre für Sprinter Marcell Jacobs die Krönung. Bei Instagram ist der Italiener als "crazylongjumper" unterwegs, was auf den zweiten Blick Sinn ergibt, war Jacobs bis 2018 doch im Weitsprung zu Hause. Nach dem Wechsel zum Sprint ging die Entwicklung rasant und fand ihren Höhepunkt beim sensationellen Olympiasieg 2021 in Tokio. 9,80 Sekunden (Europarekord) trommelte Jacobs auf die Bahn, schockte die Konkurrenz und verursachte ob seiner Leistungsexplosion Stirnrunzeln bei den Beobachtern.
Kurz nach dem Coup von Tokio, wo er mit der 4x100-Meter-Staffel Italiens ebenfalls Gold gewann, wurde bekannt, dass sich Jacobs kurz vor den Spielen von seinem "Ernährungsberater" Giacomo Spazzini getrennt hatte, gegen den eine polizeiliche Untersuchung wegen illegalen Vertriebs von anabolen Steroiden in der Bodybuilding-Welt lief. Ein Jahr später wurde Spazzini für 15 Jahre wegen Dopingvergehen gesperrt, ehe ein Panel des Nationalen Olympischen Komitees die Sperre 2023 wieder aufhob.
100-m-Olympiasieger Marcell Jacobs.
Jacobs selbst, der 2022 in München Europameister wurde, geriet nicht direkt in den Fokus der Dopingfahnder. Fragen sprinten bei dem Italiener aber mit, der in diesem Jahr noch keinen Lauf unter zehn Sekunden in den Ergebnislisten stehen hat.