Olympia-Entdeckung Annett Kaufmann Tränen, Trost und auch ein bisschen Stolz nach Platz vier in Paris
Die deutschen Tischtennis-Frauen haben Bronze verpasst und können trotzdem stolz auf sich sein. Allen voran Olympia-Entdeckung Annett Kaufmann. Die 18-Jährige hat ein "krasses halbes Jahr" hinter sich und glänzte in Paris als sportliche und emotionale Stütze des Teams.
Als der große Traum von der olympischen Medaille geplatzt war, saß Annett Kaufmann ein paar Sekunden einfach nur regungslos da und starrte nach vorne auf die Platte. Xiaona Shans letzte Rückhand war zu lang gewesen, Jeon Jihee und Südkorea jubelten ausgelassen über Bronze. Kaufmanns Schockstarre löste sich erst, als sie an anderer Stelle gebraucht wurde.
"Wir verlieren und gewinnen zusammen"
Die 18-Jährige kümmerte sich minutenlang rührend um die hinter der Bande in sich zusammengesunkene, untröstliche Shan - mit 41 Jahren die erfahrenste im deutschen Team. "Das gehört für mich dazu. Wir sind eine Mannschaft, gewinnen und verlieren zusammen", sagte Olympia-Debütantin Kaufmann hinterher. Ihr flossen dabei selbst Tränen über die Wangen.
Annett Kaufmann tröstet Xiaona Shan nach dem verlorenen Bronze-Match.
Gerade ist es schwer, die Enttäuschung ist groß. Aber mit ein bisschen Abstand von diesem krassen halben Jahr, kann ich glaube ich schon das Positive sehen und stolz auf mich sein.
Shan war von einer Bandscheibenverletzung beeinträchtigt angetreten. Mit Doppelpartnerin Yuan Wan hatte sie vor dem Turnier nicht ein einziges Mal trainiert.
"Eigentlich mit einer Ersatzmannschaft angereist"
Olympia-Bronze für die deutschen Tischtennis-Frauen wäre einer Sensation gleichgekommen. Im Spiel gegen die starken Südkoreanerinnen sowieso und mit dem Blick aufs ganze Turnier in Paris erst recht.
"Wir sind hier eigentlich mit einer Ersatzmannschaft angereist, Yuan und ich waren anfangs gar nicht eingeplant. Dass wir dann den vierten Platz erreichen, muss man sich vor Augen führen", sagte Kaufmann.
Sie war kurz vor Beginn der Spiele in der französischen Hauptstadt für Topkraft Ying Han (Riss der Achillessehne) nachgerückt; am vergangenen Montag (05.08.2024) ersetzte Wan kurzfristig die an der Bandscheibe lädierte Nina Mittelham.
Nummer acht der Welt geschlagen
Vor allem Kaufmann fegte durch das olympische Turnier, als ob sie zuvor noch nie etwas anderes gemacht hätte. Sie gewann bis zum Bronzematch alle ihre Einzel. Bei der Halbfinal-Niederlage der Deutschen schlug die an Position 100 der Weltrangliste geführte 18-Jährige sogar Japans Nummer acht der Welt, Miwa Harimoto, glatt in drei Sätzen.
Kaufmann: "Die Enttäuschung ist groß"
Als es um die Medaille ging, war die Leichtigkeit der Senkrechtstarterin des deutschen Tischtennis allerdings verflogen. "Ich habe mich heute nicht so gut gefühlt, der Druck war auch unterbewusst da", sagte sie zu ihrer klaren 0:3 (8:11, 9:11, 2:11)-Niederlage gegen Lee Eunhye.
"Gerade ist das schwer, die Enttäuschung ist groß. Aber mit ein bisschen Abstand von diesem krassen halben Jahr, kann ich glaube ich schon das Positive sehen und stolz auf mich sein."
Deutsche Meisterin, Abi und dann auch noch Olympia
Mitte Juni, kurz vor ihrem 18. Geburtstag, deutsche Meisterin im Einzel und Doppel, vier Wochen später das bestandene 2,0er-Abitur und dann noch auf den rauschenden Olympia-Zug in Richtung Paris aufgesprungen: Das kann man in der Tat krass nennen.
Verständlich, dass es der Linkshänderin in der Arena Süd auf dem Pariser Messegelände Expo Porte de Versailles schwer fiel, die Situation zu (be)-greifen. Mit einem Sieg wäre Kaufmann zur jüngsten deutschen Tischtennis-Medaillengewinnerin bei Olympia avanciert: Dimitrij Ovtcharov hatte 2008 als 19-Jähriger Bronze geholt.
Diese Gedanken waren für sie nach der Niederlage gegen Südkorea weit weg. "Ich freue mich jetzt einfach auf zu Hause. Die letzten Wochen und Monate waren anstrengend und emotional", erklärte Kaufmann.
"Ein bisschen Allein-Zeit wird mir gut tun"
"Ich bin froh, wenn ich etwas Zeit mit meiner Familie verbringen und vom Tischtennis, Social Media, einfach von allem, abschalten kann. Ein bisschen Allein-Zeit wird mir gut tun."
Ihr Blick war dabei starr nach vorne gerichtet, irgendwo ins Leere der Mixed-Zone der Arena Süd. Gleichzeitig strich sie behutsam über den Rücken ihrer Mitspielerin Shan, die nach Worten suchte. Keine Frage, die Olympia-Entdeckung Kaufmann war eine Stütze der deutschen Mannschaft in Paris - sportlich und emotional.