Deutsches Tischtennis-Team im Halbfinale "Jetzt haben alle Angst vor uns": 18-Jährige rockt Olympia
Für Annett Kaufmann sind es ihre ersten Olympischen Spiele und direkt hat sie mit dem deutschen Team die Chance auf eine Medaille. Sie selbst sieht das ganz cool.
Vor einigen Wochen noch hatte Annett Kaufmann für ihr Abitur gebüffelt. Die Abschlussprüfungen lagen dabei genau in der Zeit der Deutschen Tischtennis-Meisterschaften. Kein Problem, die Baden-Württembergerin meisterte beides. Mit 2,0 ihr Abitur und genauso souverän den Meistertitel. Zum Abschluss feierte sie noch ihren 18. Geburtstag – was für eine Woche!
Im Leben von Annett Kaufmann scheint alles so rasant zu laufen, von frühester Jugend an verblüffte sie im Tischtennis mit ihren furiosen Leistungssprüngen. Und sie tut es noch. Irgendwie passt es da zu ihr, dass sie nun genauso – hopplahopp – zu ihrem Olympia-Debüt kam. Und als Jüngste in der deutschen Mannschaft diese Spiele in Paris rockt.
Annett ist ein Wunder, wirklich. Sie ist zum ersten Mal bei Olympia. Dass sie so gut spielen kann mit 18.
Cool, selbstbewusst, mitreißend
Dabei war sie eigentlich nur als Ersatzspielerin für Olympia vorgesehen, doch erst verletzte sich Ying Han (Achillessehnenriss) und dann brachen bei Topspielerin Nina Mittelham die Bandscheibenprobleme auf – schon war Annett Kaufmann plötzlich mittendrin auf der großen Weltbühne.
Von Nervosität keine Spur, nicht die geringste. Gegen die USA gewann die 18-Jährige im Achtelfinale cool ihre beiden Einzel, auch das entscheidende zum 3:2-Sieg. Voller Selbstbewusstsein und unbändiger Energie trumpfte sie auf, als ob sie nie irgendwo anders gespielt hätte als im Olympia-Hexenkessel der South Paris Arena.
Im Viertelfinale gegen Indien nicht anders. Zwei Spiele, zwei Siege und bei jedem tollen Punktgewinn reckte die 1,83 Meter große Kaufmann furchterregend die Faust, dass die klimpernden, bunten Armkettchen an ihren Handgelenken nur so wackelten. Na klar, sie ist eben ein echter Swiftie, ein Fan der Sängerin Taylor Swift. Da ist Armschmuck das Markenzeichen. Und mit ihm bejubelte sie ungläubig den furiosen Einzug ins Halbfinale.
Ich bin überglücklich, dass wir im Halbfinale stehen, dass wir das irgendwie geschafft haben. In meinen beiden Einzeln war ich frech und habe mein Spiel durchgebracht. Ich war einfach selbstbewusst. Ich bin ein Fighter und gebe nie auf.
Kaufmanns Eltern waren Wintersportler
Frech, abgeklärt, mitreißend – Annett Kaufmann ist der frische Antrieb dieser angeschlagenen deutschen Mannschaft. Die 41-jährige Xiaona Shan hat Nacken, Yuan Wan wurde ebenso kurzfristig in das Olympia-Abenteuer geworfen wie Kaufmann. Und steht in der Rangliste ähnlich wie sie um Platz 100. Doch Kaufmann tritt in Paris auf wie die klare Anführerin und die anderen ziehen gerne mit.
Das sportliche Talent wurde ihr sicherlich von den Eltern mitgegeben, Vater Andrej war Eishockeyspieler und gewann 2009 mit den Bietigheim Steelers die Zweitliga-Meisterschaft. Ihre Mutter war Skirennläuferin, trat noch unter ihrem Mädchennamen Anna Korsunova für Kasachstan an. Doch Wintersport interessierte Annett Kaufmann nicht so sehr wie die Tischtennisplatte, an der auch ihre ältere Schwester Alexandra unterwegs ist.
Xiaona Shan: "Jetzt haben alle Angst vor uns"
"Dieser Support, den ich von meinen Eltern und meiner Schwester bekomme, gibt mir Kraft und ist nicht selbstverständlich", sagt Kaufmann. Mit vier Jahren hatte sie angefangen, spielt mittlerweile in der Bundesliga für den SV DJK Kolbermoor und ist Europameisterin aller Nachwuchsklassen. Mit dem olympischen Debüt scheint sie ihre Reifeprüfung nun mit Bravour bestanden zu haben. Alles, was jetzt noch in Paris kommt, ist Bonus. Mit China, Südkorea und dem nächsten Gegner Japan sind die drei stärksten Tischtennis-Nationen im Frauenwettbewerb verblieben.
Eine Medaille zu gewinnen, wird in jedem Fall eine Herausforderung und schwierig. Da muss wirklich jede von uns über ihrem Level spielen. Wir können auch so schon stolz sein und die letzten Spiele genießen.
Zwei Spiele bekommt die deutsche Mannschaft in jedem Fall noch auf der großen Bühne und damit zwei Gelegenheiten mehr für Kaufmann, für Furore zu sorgen. "Annett ist ein echtes Ass", betont Xiaona Shan, "jetzt haben alle Angst vor uns. Bestimmt gucken unsere Gegnerinnen sich jetzt alle die Spiele von Annett an." Und dann bekommen sie einen Vorgeschmack auf das Gesicht der Zukunft des deutschen Frauentischtennis – das schon jetzt ganz schön frech bei den Besten mitmischt.