
IOC-Präsidentschaftswahl Wer ist bereit für Trump und Putin?
Die Russland-Frage und Trump als Olympia-Gastgeber - wer jetzt IOC-Präsident wird, muss heikle Themen meistern. Wem trauen die Wahlberechtigten das zu?
Politisch neutral, autonom, völkerverbindend - so sieht sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) gerne und prallt dann auf die komplexe Realität. Immer wieder gerät der olympische Sport zwischen die Fronten der Weltpolitik, wird zum Spielball von Autokraten.
Und zum Ende der Ära Thomas Bach ist die Lage extrem herausfordernd: das Konfliktthema Russland ist ungelöst und der dramatische Kurswechsel der USA unter Donald Trump kommt hinzu. Die Krisenherde der Welt wirken sich auf die IOC-Präsidentschaftswahl am 20. März aus, könnten das Ergebnis beeinflussen.
Rückkehr Russlands für die Winterspiele?
Denn die IOC-Mitglieder dürften sich vor ihrer geheimen Abstimmung während der 144. IOC-Session (18. bis 21. März auf dem Peleponnes) die Frage stellen: Wer ist am ehesten in der Lage, die politischen Herausforderungen zu meistern?
Beim Thema Russland ist klar, dass sich große Teile des Sports eine schnelle Rückkehr russischer und belarusischer Athleten wünschen - allein schon aus wirtschaftlichen Gründen. Die Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina stehen vor der Tür und würden sportlich und wohl auch finanziell von einer russischen Teilnahme profitieren. Dahingehend äußern sich alle Präsidentschaftskandidaten im Vorfeld der Wahl - auch wenn Russlands brutaler Angriff auf die Ukraine weiter andauert.
Los Angeles 2028 als Trump-Show?
Als zusätzliche Schwierigkeit ist der unberechenbare US-Präsident Trump mindestens drei Jahre lang IOC-Ansprechpartner, bis Los Angeles Gastgeber der olympischen Sommerspiele sein wird. In seiner zweiten Amtszeit drängt der US-Präsident in das Scheinwerferlicht des Sports. Die Sommerspiele 2028 könnten zu einer nationalistischen Trump-Show werden.
Am IOC-Präsidentschaftskandidaten Sebastian Coe (68) lässt sich gut sehen, wie sich beide Themenfelder auf den Wahlkampf auswirken. Im Interview mit der Sportschau warb der Chef des Internationalen Leichtathletikverbandes für seine diplomatische Erfahrung: "Als Präsident einer großen olympischen Sportart verbringe ich viel Zeit mit Treffen mit führenden Persönlichkeiten der Welt. Ich bin sehr versiert darin und sehr daran gewöhnt, auf der internationalen und nationalen politischen Bühne zu handeln."
Coe und Trump in Transgender-Frage auf Linie
Als Trump direkt nach seiner Wahl Transmenschen vom US-Frauensport ausschloss, pflichtete Coe ihm bei. "Im Prinzip" habe Trump Recht, sagte er mit Blick auf die "Integrität des Frauen-Spitzensports". Schon lange wird über mögliche genetische Wettbewerbsvorteile von Frauen, die als Männer geboren wurden, debattiert - oft allerdings irreführend vermischt mit der Frage, wie der Sport mit Frauen mit natürlich erhöhtem Testosteronwert umgehen kann.
Mit Trump also hat Coe, der sich selbst als Sozial-Liberalen bezeichnet und Mitte der 1990er Jahre für die konservativen Tories im britischen Parlament saß, zumindest ein gemeinsames Thema. Mit Putin erscheint die Sache schwieriger, weil sich Coe stets konsequent pro Ukraine positioniert hat: Eine Rückkehr Russlands in internationale Wettkämpfe sei erst denkbar nach einem kompletten Rückzug aus der Ukraine.
Coe und die Russland-Frage
Anfang März weichte Coe seine Haltung in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf, auch ein politisches Ende des Krieges ohne vollständigen Rückzug der russischen Truppen wäre demnach nun für ihn ein Anlass, wieder mit Putin zu reden.
Im Sportschau-Interview sagte er angesprochen auf die politischen Friedensbemühungen und eine mögliche Rückkehr Russlands schon bei den Winterspielen 2026: "Ich hoffe, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir wirklich sagen können, dass wir die Länder, die in meiner Sportart im Moment außerhalb der olympischen Bewegung sitzen, wieder hineinbringen können. Das muss das Ziel eines jeden Kandidaten sein."
Erst Ukraine, dann Russland - Watanabes PR-Tour
Eine Eigen-PR-Tour mit breitem Spagat legte kürzlich Morinari Watanabe (66) hin, IOC-Präsidentschaftskandidat aus Japan. Aufgeschreckt durch den Eklat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reiste der Präsident des Weltturnverbands zunächst in die Ukraine - und kurz darauf auch noch nach Russland.

Morinari Watanabe
Watanabe wollte wohl demonstrieren, dass er sich in schwieriger Diplomatie versteht, erntete aber Kritik. Siegchancen werden ihm bei der IOC-Wahl ohnehin kaum zugerechnet, weil seine Reformpläne revolutionär klingen: Watanabe wünscht sich Olympische Spiele auf fünf Kontinenten gleichzeitig sowie mehr Basisdemokratie im IOC. Dort stehen die Anzeichen nach der Bach-Ära aber auf Kontinuität - und das bedeutet eher Absprachen im Hinterzimmer.
Eliasch, der "Donald Trump des Skisports"
Einem anderen Kandidaten, der als Außenseiter gilt, könnte die politische Lage zumindest theoretisch in die Karten spielen: Johan Eliasch (63), Präsident des Welt-Skiverbands FIS. Als Millardär und Geschäftsmann, der das IOC "businesslike" führen will, wäre er ein Mann ganz im Geiste des US-Präsidenten. "Die Zeit" nannte Eliasch gar den "Donald Trump des Skisports".
Mit seinen kompromisslosen Methoden hat Eliasch die FIS allerdings ins Chaos gestürzt, die großen Skinationen Europas gegen sich aufgebracht und seine goldenen Wachstums-Versprechen bisher längst nicht eingelöst.
Coventry setzt auf ihre Olympiasiege
Die einzige Frau auf dem Wahlzettel ist Kirsty Coventry (41) aus Südafrika. Als Kämpferin für den Frauensport dürfte die Bach-Vertraute bei Trump kaum punkten, dafür setzt sie auf ihren Status als zweimalige Olympiasiegerin im Schwimmen. "Er (Donald Trump) wird verstehen und wissen, dass ich genau weiß, was die Athleten durchmachen, wofür sie trainieren und hart arbeiten. Ich glaube, dass wir eine wirklich gute Beziehung haben könnten", sagte Coventry der Sportschau.

Kirsty Coventry
Der Spanier Juan Antonio Samaranch Junior (65) will in die Fußstapfen seines berühmten Vaters treten, der zwischen 1980 und 2001 an der Spitze des IOC stand und damals beste Beziehung mit Moskau pflegte. Samaranch Junior nennt die Welt "ein bisschen komplizierter als vor zwölf Jahren und sicher auch als vor sechs Monaten. Deshalb brauchen wir einen Präsidenten, der über gewisse Fähigkeiten verfügt. Ich denke, ich biete Fähigkeiten und freue mich, meine Ideen meinen Partnern vorzustellen".
IOC-Präsident aus Königsfamilie - ein Vorteil?
Bleiben noch Radsport-Weltverbandspräsident David Lappartient (51) und Prinz Feisal bin al-Hussein (60). Letzterem könnte das Wahlvolk Gespräche auf Augenhöhe mit den Machtmenschen der Welt womöglich zutrauen, schließlich ist er Sohn des früheren jordanischen Königs Hussein.
Eine Prognose für den Ausgang der Wahl bleibt weiterhin schwierig, dafür dringen zu wenige Informationen nach außen. Klar ist nur: Auf den neuen IOC-Präsidenten oder die erste IOC-Präsidentin warten schwierige, diplomatisch brisante Jahre.