Doku "Geheimsache Doping: Dealer" ARD-Team überführt Großdealer von Doping-Mitteln
In ihrer neuen Dokumentation beleuchtet die ARD-Dopingredaktion den internationalen Handel mit verbotenen Substanzen – und zeigt, dass ein zuvor inhaftierter Däne wieder gut im Geschäft ist.
Der eine sagt, er wolle aufklären. Vor den Gefahren warnen, die von jenen Mitteln ausgehen, die er viele Jahre lang verkaufte. Als Dealer versorgte der Niedersachse André Böge (38) Kraftsportler, aber auch Fußballer, Turner, Feuerwehrleute und Polizisten mit Dopingmitteln. Er beschaffte seine Ware im Ausland, arbeitete zugleich auch eng mit einem Untergrundlabor in Nordrhein-Westfalen zusammen.
Der andere ist Däne und einer der Großen im illegalen Handel mit Steroiden und anderen Dopingmitteln für Sportler auf der ganzen Welt. Jacob Sporon-Fiedler (41) produzierte im großen Stil in Indien, bis er britischen Fahndern ins Netz ging. Er wurde vom höchsten Strafgericht im Vereinigten Königreich, dem Old Bailey in London, zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt, durfte das Gefängnis dann vorzeitig verlassen. Seitdem fehlte von ihm jede Spur.
In ihrer neuen Dokumentation erzählt die ARD-Dopingredaktion die Geschichten dieser zwei ganz unterschiedlichen Akteure, die zeitweise in einer Geschäftsbeziehung standen. Auf dem Schwarzmarkt in Deutschland verkaufte der Kleindealer Böge die Produkte der Firma Alpha Pharma, die dem Dänen Sporon-Fiedler gehört.
Und der Däne ist nach seiner Haftstrafe schon wieder im illegalen Geschäft tätig. Das zeigen die Recherchen der ARD-Journalisten. Sporon-Fiedler agiert genau wie in den Jahren vor seiner Haftstrafe von der Millionenstadt Mumbai in Indien aus.
Besuch mit versteckter Kamera
Nachdem das Reporterteam seine Adresse in Mumbai herausgefunden hatte, stattete ihm eine Mitarbeiterin der ARD-Dopingredaktion unangemeldet einen Besuch mit versteckter Kamera ab. Der erste Kontakt war damit gemacht, und in der Folge bestellten Journalisten Dopingmittel. Die Mitarbeiterin in Mumbai gab sich als Vertreterin eines Beraters deutscher Sportler aus, sagte, ihr Chef benötige für seine Athleten Dopingmittel im großen Stil.
Jacob Sporon-Fiedler telefonierte sogar mit dem Berater, der in Wirklichkeit Hajo Seppelt war. Und er überlegte nicht lange. Er bot an, über einen Agenten die Substanzen nach Deutschland liefern zu lassen. Dass er damit erneut gegen Gesetze verstoßen würde, nahm er offenbar in Kauf.
Nach dem Gefängnis ging es munter weiter
Einige Wochen später erhielt der angebliche Berater von der Adresse, die man in Sporon-Fiedlers Büro erhalten hatte, eine E-Mail, Packungen mit Oxandrolon, Nandrolon und Testosteron seien auf dem Weg nach Deutschland. Sporon-Fiedler hielt Wort. Die Dopingmittel kamen laut Versandetikett mit einem großen internationalen Versanddienstleister aus der dänischen Stadt Fredericia nach Berlin. Dieser Versand ist nach dem deutschen Anti-Doping-Gesetz strafbar.
Der Däne betreibt sein Geschäft nach dem Gefängnisaufenthalt somit genauso weiter wie vor seiner Verhaftung. Er nutzt dabei auch wieder das etablierte Label Alpha Pharma.
"Die Gewinne sind riesig"
"Das Schöne für einen Doping-Dealer ist das geringe Risiko, erwischt zu werden", sagt John McLaughlin der ARD. Der Nordire arbeitete lange für die britische National Crime Agency und hatte damals gegen Sporon-Fiedler ermittelt. Heute ist McLaughlin für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA tätig. Seiner Erfahrung nach achtet in der Strafverfolgung niemand wirklich auf Dopingmittel. "Es sind halt nur Steroide. Aber die Gewinne sind riesig." Laut Schätzungen von Experten werden mit dem illegalen Handel von Dopingmitteln weltweit jedes Jahr umgerechnet rund 15 Milliarden Euro umgesetzt.
Großproduzenten wie der Däne Sporon-Fiedler profitieren im Vertrieb am Ende auch von Kleindealern wie dem Niedersachsen André Böge. Böge sagt, bei seinen Kunden hätten die Produkte von Sporon-Fiedlers Alpha Pharma immer einen hervorragenden Ruf gehabt. Die Mittel seien deshalb gefragt gewesen.
Die erlaubte Höchstmenge um das 771-fache überschritten
Böge verdiente nach eigenen Angaben als Dealer pro Jahr im hohen fünfstelligen Bereich. Seine Karriere endete, sagt er, mit einer Hausdurchsuchung durch den Zoll. Die dabei gefundenen Dopingmittel, vermerkte das Zollfahndungsamt Hannover damals, hätten "die ‚nicht geringe Menge‘ mindestens um das 771-fache" überschritten. Böge kam mit einer Geldstrafe davon.
Als Dealer hatte Böge manchen seiner Kunden auch das mit einem inzwischen in der EU verbotenen Unkrautvernichter artverwandte Dinitrophenol, kurz DNP, verkauft. Das Unkrautvernichtungsmittel nehmen einige Bodybuilder, um vor Wettkämpfen binnen kurzer Zeit stark abzunehmen. Diese Substanz, sagte der Biochemiker Hans Geyer vom Kölner Dopinglabor der ARD, führe "zu einer Überhitzung und zu einer völligen Entgleisung der Wärmeregulation. Und das führt zu Bewusstseinsstörungen, zu Herzrhythmusstörungen und schließlich dann auch zu Organversagen." Einige Todesfälle sind bereits aktenkundig.
Wenn Sie Hinweise oder Anregungen zu Recherchen für unsere ARD-Reihe Geheimsache Doping haben, kontaktieren Sie uns bitte unter teamhajoseppelt@ard.de.