Doping-Prozess in Dänemark Dänisch-deutsche Dealerbande vor Gericht
Im dänischen Kolding stehen fünf Männer vor Gericht, die ein gigantisches Geschäft mit illegalen Steroiden betrieben haben sollen. Möglicherweise mit Verbindungen zu einem bekannten Großdealer, der nach einer ARD-Doku unter Druck geraten war.
Es waren dramatische Szenen, als die Polizei beim Hauptverdächtigen im Gewerbegebiet von Kolding in Süddänemark anrückte: Der Bodybuilder mit langem Bart und bunten Tattoos warf eine Holzpalette auf einen Beamten und versuchte zu fliehen, letztlich vergeblich. Der 40-jährige Däne wusste offenbar genau, was ihm blüht, wenn die Ermittler hinter das gelbe Rolltor des grauen Gebäudes schauen. Darin: ein gigantisches Lager illegaler Dopingmittel.
Es dauerte Wochen, bis die Polizei Süd und Südjüdland alle Pillen und Ampullen gezählt hatte, die sie an jenem sonnigen Dienstag im Juni 2023 sicherstellte: Rund vier Millionen Dopingpräparate, mehr als eine Million Medikamente, Potenz- und Betäubungsmittel – so steht es in der Anklageschrift für den am Donnerstag begonnenen Prozess. Acht Tonnen illegal eingeführter Substanzen für den Schwarzmarkt in Europa, verpackt in 400 Kartons.
Größter Dopingfall der dänischen Geschichte
"Es ist der größte Fall, den wir bisher in Dänemark hatten", erklärt Sönke Iwersen, von der Polizeiinspektion Süd und Südjütland, der die grenzüberschreitenden Ermittlungen auf dänischer Seite leitet. Insgesamt fünf Männer, vier Dänen und ein Deutscher, müssen sich dafür nun vor Gericht in Kolding verantworten. Sie sollen als Teil eines Händlerrings illegal Dopingsubstanzen über den Flughafen Kopenhagen eingeführt und europaweit verkauft haben.
Vier der Angeklagten beteuerten am ersten Prozesstag ihre Unschuld. Eine Aussage, die Chefermittler Iwersen bezweifelt: "Unsere Ermittlungen haben gezeigt, dass es sich um eine größere Organisation handelt, die sehr professionell vorgegangen ist. Wir haben den Verdacht, dass die Männer schon mehrere Jahre mit Dopingmitteln gehandelt haben." 20,5 Tonnen illegaler Substanzen soll die Gruppe allein in den vergangenen anderthalb Jahren abgewickelt haben, so schätzen die Ermittler nach Auswertung zahlreicher Beweismittel.
Hauptverdächtiger angeblich nur Mittelsmann – für Großdealer in Indien?
Nur der Hauptverdächtige, der bis zu seiner Festnahme in Flensburg lebte, räumte vor Gericht ein, mit dem illegalen Lager in Verbindung zu stehen. Alles andere wäre angesichts des Palettenwurfs auch wenig glaubwürdig gewesen. Allerdings sei er nur für weniger als die Hälfte der Ware verantwortlich, da ein großer Teil der Dopingmittel abgelaufen sei und vernichtet werden müsse. Außerdem sei er nur ein Mittelsmann gewesen, der auf Weisung anderer gehandelt habe. Wer ihn angeblich angewiesen hat, wollte er dem Gericht aber nicht preisgeben. Ab diesem Moment stand der Elefant im Raum, oder besser im Gerichtssaal: Jacob Sporon-Fiedler, ebenfalls ein Däne, der sich momentan vermutlich in Indien aufhält.
Seit 20 Jahren Steroid-Produzent
"Alle in der Anklage genannten Produkte stehen praktisch in direktem Zusammenhang mit Sporon-Fiedler und seiner Firma Alpha Pharma", sagt der Journalist Jeppe Laursen-Brock von der Zeitung "Politiken", die schon im Vorfeld des Prozesses ganzseitig berichtete. Laursen-Brock beobachtet die Dopingszene seit Jahren, Sporon-Fiedler hält er für den womöglich einflussreichsten Drahtzieher: "Wir sprechen von einem Mann, der seit 20 Jahren Steroide herstellt und dessen Produkte in weiten Teilen Europas aufgetaucht sind, wo sie illegal sind."
Sporon-Fiedler lebt seit Jahren in Mumbai und produziert dort mit seiner Firma Alpha Pharma massenweise anabole Steroide. In Indien ist das nicht illegal, weshalb sich der Großdealer dort relativ sicher fühlen kann. Doch nach Europa, in seine alte Heimat, kann er nicht mehr zurück, ohne eine Festnahme fürchten zu müssen. Die Einfuhr von Steroiden in die EU ist verboten. Trotzdem sind Alpha-Phama-Produkte auch hierzulande weit verbreitet und bei Bodybuildern sehr beliebt.
Sporon-Fiedler wurde 2019 im London zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er illegal Dopingmittel nach Europa geschmuggelt hatte. Die ARD-Dopingredaktion konnte in ihrer Dokumentation "Geheimsache Doping: Dealer" im vergangenen Jahr nachweisen, dass er nach seiner Haftentlassung das Geschäft mit anabolen Steroiden wieder aufgenommen hatte und illegal von Indien aus nach Europa lieferte - vermutlich über Süddänemark. Eine Probelieferung an die verdeckt operierenden ARD-Reporter kam jedenfalls von dort.
Verbindungen zum "Produzenten" werden überprüft
Auch bei den Funden in Kolding handelt es sich größtenteils um Alpha-Pharma-Produkte, die aus Indien stammen, wie Sönke Iwersen bestätigt. "Wir prüfen natürlich, ob es eine direkte Verbindung zwischen dem Produzenten und dem Hauptverdächtigen gibt und ob wir dann die Möglichkeit haben, noch einmal Ermittlungen einzuleiten", sagt Iwersen.
"Wir brauchen genügend Beweise, um ihn hier vor Gericht zu stellen. Außerdem müssen wir sicher sein, dass die Person auch nach Dänemark ausgeliefert wird." Den Namen Sporon-Fiedler vermeidet Iwersen, er weicht sonst auch gerne auf die Umschreibung "Produzent" aus.
In Kolding sind zehn Prozesstage angesetzt. Da auch harte Drogen sichergestellt wurden, drohen dem Hauptverdächtigen zwölf Jahre Haft.