Handball-WM 2023 Zu streng? Spieler kritisieren Corona-Regeln
Bei der Handball-WM 2021 und der EM 2022 sorgte das Coronavirus für Chaos. Vor der WM 2023 üben nun einige Spieler Kritik an den Regeln der IHF. Der Verband verteidigt sich.
Der isländische Nationaltorwart Björgvin Pall Gustavsson ist in Deutschland kein Unbekannter. Der mittlerweile 37-Jährige spielte bis 2017 unter anderem beim SC Magdeburg und beim Bergischen HC in der Handball-Bundesliga.
Auf seinem Twitteraccount machte Gustavsson Anfang des Jahres seinem Ärger in einem offenen Brief Luft. Ziel seiner Kritik: die Verantwortlichen des Handball-Weltverbandes IHF und die Corona-Regeln, die die IHF für die am 11. Januar beginnende Weltmeisterschaft festgelegt hat.
Die Corona-Regeln für die Handball-WM 2023
Diese sehen in Auszügen wie folgt aus:
- Alle direkt am Spielgeschehen beteiligten Personen müssen (ausreichend) geimpft oder genesen sein und mussten das im Vorfeld nachweisen.
- Drei Tage vor Ankunft in den Spielorten Polen und Schweden müssen alle Beteiligten einen negativen PCR-Test vorweisen
- Nach der Vorrunde und nach der Hauptrunde - und beim Auftreten von Symptomen - müssen alle Spieler und Verantwortlichen sich einem Schnelltest unterziehen
- Bei einem positiven Test wird die Person mindestens fünf Tage isoliert und kann frühestens dann mit einem negativen PCR-Test wieder am Turnier teilnehmen
Regeln strenger als Gesetze in Polen und Schweden
Diese Regeln sind deutlich strenger als die gesetzlichen Vorgaben in den Spielorten. Polen und Schweden haben Quarantänepflicht und andere Maßnahmen bereits ausgesetzt. Dass die IHF sich dennoch dafür entschieden hat, eine Isolationspflicht in die turniereigenen Coronaregeln zu schreiben, stößt bei einigen Spielern auf wenig Gegenliebe.
Gustavsson: IHF schützt die Spieler damit nicht
Gustavsson und andere Handballspieler hätten bereits mit Anwälten gesprochen, um zu prüfen, ob die von der IHF festgelegten Regeln überhaupt legal seien, wie Gustavsson in seinem Brief schreibt. Die Menschenrechte der Spieler seien durch die Regeln beschnitten.
"Die Spieler sind sich bewusst, dass sie ihre Quarantäne jederzeit selbst beenden und sich den Tests verweigern können", heißt es weiter. "Wenn die IHF diese Maßnahmen zum Schutz der Spieler implementieren wollte, hat sie damit genau das Gegenteil erreicht. Und ich denke, ich spreche für alle. Das Corona-Trauma der letzten Turniere ist bei den Spielern immer noch sehr präsent und beeinträchtigt die Athleten, die gesund sind, wie ein Pferd, mehr als Corona."
Landin, Schagen und Co. teilen den Tweet
Ob Gustavsson damit wirklich für alle Spieler spricht, ist zumindest fraglich. Einige Akteure scheinen sich seiner Meinung aber anzuschließen. Dänemarks Weltklasse-Torhüter Niklas Landin vom THW Kiel, dessen Landsmann Rasmus Lauge und der Niederländer Bobby Schagen sind nur drei Beispiele von WM-Teilnehmern, die Gustavssons Tweet zumindest geteilt haben.
Auch Schwedens Co-Trainer Michael Apelgren hatte gegenüber "Aftonbladet" zuvor bereits deutliche Kritik geübt: "Es ist eine Schande, wenn man zu Hause eine WM spielt und nicht so leben kann, wie wir in Schweden sonst leben."
DHB-Sportdirektor Kromer: "Da werden wir Lösungen finden"
DHB-Boss Mark Schober sagte darauf angesprochen in einer Medienrunde am Donnerstag (05.01.2023): "Ursprünglich im ersten Entwurf im November sahen die Regeln noch ganz anders aus. Der aktuelle Stand ist ein erleichterter Stand, was ich heute verfolgt habe, deutet aber darauf hin, dass die Diskussion noch nicht am Ende ist."
Sportdirektor Axel Kromer gab eine sehr ausführliche Einschätzung der Lage: "Ich gehe nicht davon aus, dass ein Spieler bei einem positiven Test auf seinem Zimmer bleiben muss und nicht rausgehen darf, wie es vielleicht vor einem Jahr in Bratislava war. Da werden wir Lösungen finden und auch von der IHF unterstützt werden, dass diese Spieler auch in unserem Sinne nicht mit den acht Mannschaften, die im Hotel wohnen, zum Frühstück und zum Kaffee gehen. Sondern, dass die sich woanders aufhalten, sich aber dort wie alle anderen Bürger in Polen und Schweden frei bewegen können und mit den richtigen Schutzmaßnahmen kein Risiko darstellen."
Rückraumspieler Philipp Weber sieht, genau wie Gustavsson, keinen Grund, die vollen fünf Tage auszusetzen, wenn man vorher bereits wieder negativ getestet worden ist.
IHF reagiert auf Kritik - und verteidigt Maßnahmen
Auch die IHF äußerte sich am Donnerstag. "Die IHF will alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Ausbreitung zu verhindern", schreibt der Weltverband. "Dazu gehören Maßnahmen wie Tests, die es uns ermöglichen, infizierte Spieler so schnell wie möglich zu identifizieren und zu isolieren, um zu verhindern, dass die gesamte Mannschaft ausfällt."
Man bitte daher alle "Beteiligten der Veranstaltung, zusammenzuarbeiten und ihren Beitrag zur Organisation einer sicheren und erfolgreichen Meisterschaft zum Wohle unseres geliebten Sports zu leisten", heißt es weiter.
Viele Coronafälle bei vergangenen Turnieren
Bei der Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei im Jahr 2022 hatte es im Turnier allein in der deutschen Delegation insgesamt 18 Coronafälle und diverse Nachnominierungen gegeben. Es war engmaschig mit PCR-Tests getestet worden und Spieler mussten sich bei positiven Tests ebenfalls für mindestens fünf Tage in Quarantäne begeben. Auch bei der WM 2021 hatte unter anderem Kap Verde wegen zu vieler positiver Tests im Team nicht gegen das DHB-Team antreten können, Tschechien und die USA hatten bereits im Vorfeld absagen müssen.
Im Vorfeld des Turniers für 2023 sind bisher nur wenige positive Coronatests bei nominierten Spielern bekannt geworden. Der positiv getestete Däne Simon Pytlick ist seit Mittwoch (04.01.2023) schon wieder bei seiner Mannschaft, nachdem er die Infektion ohne Symptome und mit einem negativen Test offenbar überstanden hat. Der niederländische Verband gab am Mittwoch zudem bekannt, dass Jorn Smits und drei Stabsmitglieder ebenfalls positiv getestet wurden.