Schwere Vorwürfe VfL Osnabrück und DFB streiten um Geldstrafen für Investorproteste
Der VfL Osnabrück wehrt sich gegen die Geldstrafen, die er wegen der Proteste im Zuge des gescheiterten Investorendeals der DFL zahlen soll. Die Aktionen seien nicht "unsportlich" gewesen, der Klub sieht gar die Meinungsfreiheit gefährdet.
Mehr als 50 Urteile hat das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) inzwischen gesprochen, bei denen es um Tennisbälle und Schokotaler geht. "Protestaktionen gegen einen möglichen DFL-Investor" nennt das Gericht die Vorfälle, die die Klubs viel Geld kosten. Summiert ergeben sich Mitte Mai 2024 etwa 700.000 Euro. Weitere Verfahren sind anhängig. Den Vereinen wird allerdings zugesprochen, ein Drittel der Strafe für eigene Aktionen aufzuwenden, etwa für Gewaltprävention. Sämtliche Urteile des Sportgerichts sind auf der Homepage des DFB nachzulesen.
Das Delikt ist stets gleich: "Unsportliches Verhalten seiner Anhänger". In den überwiegenden Fällen stimmten die Klubs dem Urteil zu, es wurde somit rechtskräftig. Die meisten Vereine zahlten. Der VfL Osnabrück hingegen, der 20.000 Euro für verschiedene Aktionen zahlen soll, legte Einspruch ein und veröffentlichte die Gründe dafür auf seiner Homepage am 26. März 2024. Am Freitag (12.05.2024) wird in Frankfurt am Main vor dem Sportgericht mündlich über den Einspruch verhandelt.
Osnabrück droht mit Gang vor ordentliches Gericht
Im Gespräch mit der Sportschau unterstrich Osnabrücks Geschäftsführer Michael Welling, dass der Klub den Gang vor ein ordentliches Gericht in Erwägung ziehe, sollte das Sportgericht das Urteil nicht ändern.
Am 9. April verschickten die Rechtsanwälte des inzwischen aus der 2. Bundesliga abgestiegenen Klubs ein Schreiben an das Sportgericht, in dem die Gründe des Einspruchs detaillierter dargelegt werden. Das Schreiben liegt der Sportschau vor. Mit ihm will der VfL Osnabrück nachweisen, warum das Werfen von Tennisbällen und Schokotalern, das auch in etlichen anderen Stadien zu Unterbrechungen geführt hatte, gar kein "unsportliches Verhalten" gewesen sei.
"Keine Mannschaft benachteiligt"
Ein solches Verhalten könne sich im allgemeinen Verständnis nur auf den Sport selbst beziehen und müssen diesen beeinträchtigen. Wörtlich heißt es dann: "Die Tennisballaktionen im Zusammenhang mit den bundesweiten Protesten bezogen sich aber weder auf den ausgeübten sportlichen Wettbewerb, noch sollte oder wurde dieser durch die Proteste beeinträchtigt. Unzweifelhaft wendeten sich die Proteste gegen die DFL, gegen alle am Investoren-Einstieg Beteiligten und gegen den DFB, insbesondere mit Bezug auf die überragend wichtige Bedeutung der 50+1 Regel, welche mutmaßlich im DFL-Abstimmungsprozess nicht vollumfänglich zur Durchsetzung gelangen konnte (Stichwort Hannover 96)."
Weiter moniert der VfL, dass sich die Proteste eben nicht gegen "Spieler, Trainer oder Schiedsrichter" gerichtet hätten.
Unterbrechungen, so die Anwälte des VfL weiter, gehörten zum Fußball dazu, sei es bei Verletzungen, Trinkpausen und den Einsatz des Videoassistenten. Es sei nicht nachzuweisen, ob eine Mannschaft durch eine Pause bevorteilt oder benachteiligt werde.
Der DFB hat eine andere Meinung. Auf Anfrage der Sportschau, wie er das "unsportliche Verhalten" begründe, verwies der Verband auf die Begründung in seinen Entscheidungen. Darin heißt es: "Solche Aktionen (das Werfen von Gegenständen wie etwa Tennisbällen und Schokotalern, d. Red.) sind geeignet, Verlauf und Ergebnis des Spiels entscheidend zu beeinträchtigen. Durch derartige von außen aufgezwungene Spielunterbrechungen kann es bei den beteiligten Mannschaften auf dem Platz zu Tempo- und Rhythmuswechseln im Spielfluss kommen."
VfL Osnabrück zieht Vergleich mit Zensur, DFB widerspricht
Der VfL Osnabrück erhebt in seinem Schreiben schwere Vorwürfe gegen den DFB. So sei es "maßgeblicher Zweck hinter den Sanktionen", den Klub "zu bewegen, zukünftige Meinungsäußerungen - auch solche nicht gewalttätiger Natur - ihrer Anhänger im Vorfeld zu unterbinden". Dies habe "eine Zensur ähnliche Wirkung".
Der Verband weist diese Vorwürfe zurück. Die beantragten und verhängten Sanktionen bezögen sich nicht "auf den Protest der Anhänger als solchen, der grundsätzlich als sozialadäquate und zulässige Maßnahme der Meinungsäußerungsfreiheit berechtigt und hinzunehmen ist", sondern sie dienten der Abwehr von Gefahren und dem reibungslosen Ablauf des Spiels.
Auch der 1. FC Kaiserslautern kritisiert Urteil des DFB
Dieser Argumentation kann auch der 1. FC Kaiserslautern nicht folgen. Der Zweitligist zahlte zwar die vom DFB verhängte Strafe, dem Strafantrag hatte er aber nicht zugestimmt. Zur Begründung teilte der FCK der Sportschau schriftlich mit: "In der Begründung des Strafantrags wird die Gefährdung von Personen im Innenraum durch das Werfen von Gegenständen angeführt. Eine Gefährdung von Personen lag in diesen Fällen bei geworfenen Zitronen und Gummibällen aus unserer Sicht jedoch nicht vor." Weiterer Kritikpunkt der Pfälzer: Die Sanktionen dienten laut DFB immer auch der Prävention. Da aber "allseits bekannt" sei, "dass die Protestaktionen inzwischen eingestellt wurden", könne die Strafe nicht als "vorbeugende Maßnahme" verstanden werden.
Proteste auch wegen möglichem Verstoß gegen 50+1
Die Deutsche Fußball Liga hatte im Februar den Plan aufgegeben, über einen Investor in Form eines Private-Equity-Unternehmens etwa eine Milliarde Euro einzusammeln, mit der hauptsächlich die internationale Vermarktung verbessert und Digitalisierung vorangetrieben werden sollte. Am 11. Dezember 2023 hatte sie noch mit der knappst möglichen Mehrheit für den Plan mit einem von den Fankurven abgelehnten Investor gestimmt.
Weil zudem nicht klar war, ob Hannovers Geschäftsführer Martin Kind gegen eine Weisung des Muttervereins und damit möglicherweise gegen den Geist der 50+1-Regel verstoßen hatte, verstärkten sich die Proteste noch. Manche Partien wurde nicht nur häufiger unterbrochen, sondern standen sogar vor dem Abbruch.