Copa America in den USA US-Profi Adams - "Respekt vom Rest der Welt verdienen"
Die Südamerika-Meisterschaft wird 2024 in Nordamerika ausgetragen. Für Gastgeber USA ist die Copa America die Generalprobe für die Heim-WM in zwei Jahren - und für Nationaltrainer Gregg Berhalter geht es um seinen Job.
Rein theoretisch betrachtet haben die USA noch knapp zwei Jahre Zeit. Zwei Jahre, um sich einzuspielen, für Vorfreude im Land zu sorgen und Selbstvertrauen zu sammeln. Denn die nächste Weltmeisterschaft beginnt ja erst am 11. Juni 2026.
Praktisch gesehen ist jedoch die in der Nacht zu Freitag (21.06.2024, 2 Uhr deutsche Zeit) mit der Partie zwischen Titelverteidiger Argentinien und Kanada startende Copa America für die USA bereits die WM-Generalprobe.
USA: 1:5-Ohrfeige gegen Kolumbien
Denn als Co-Gastgeber sind die US-Amerikaner, ebenso wie Kanada und Mexiko, für das Großereignis in rund 24 Monaten bereits qualifiziert. Somit wird es zwar noch jede Menge Testspiele geben, aber Partien unter Turnier-Bedingungen gegen Kontrahenten wie Weltmeister Argentinien, Brasilien oder auch Kolumbien und Uruguay erst wieder 2026.
Und deshalb sieht Verteidiger Chris Richards die wie schon 2016 in den USA ausgetragene Südamerika-Meisterschaft als "Chance, vor der WM zu zeigen, dass man uns fürchten muss". Nun waren allerdings die US-Auftritte in der Vorbereitung alles andere als Angsteinflössend. Ganz im Gegenteil. Gegen Kolumbien gab es beispielsweise in der Hauptstadt Washington vor 55.494 Zuschauern eine 1:5-Ohrfeige.
Gregg Berhalter sieht sein Team "bereit für Copa America"
Ex-Nationalspieler Alexi Lalas attestierte dem Team eine "beschämende, peinliche und inakzeptable Leistung". Er habe "Kompetenz, Ausrichtung und jegliches Selbstvertrauen" vermisst, so Lalas, der seit vielen Jahren als TV-Experte arbeitet. Nicht zum ersten Mal wurde anschließend lautstark gefragt, ob Gregg Berhalter noch der Richtige für den Job des Nationaltrainers sei?
Der ehemalige Profi von Energie Cottbus und 1860 München konnte die Wogen wenige Tage später durch ein 1:1 gegen Brasilien vorerst glätten. Berhalter sprach von "einem positiven Schritt", vom "Momentum" und betonte, dass sein Team "bereit für die Copa America" sei.
Wo stehen die USA wirklich?
In der FIFA-Weltrangliste werden die USA auf Position elf geführt - und somit noch vor Kolumbien (12), Uruguay (15) oder Deutschland (16). Was diese Reihenfolge tatsächlich wert ist, werden die kommenden dreieinhalb Wochen zeigen.
"Sind die USA eine top Fußball-Nation, wie US Soccer gerne behauptet? Oder sind sie nur jemand, der vorheuchelt, top zu sein, gegen erstklassige Konkurrenz aber strauchelt?", hieß es in der "Los Angeles Times" vor Turnierbeginn.
Zwischen traumhaften Stränden und heißem Wüstensand
Die Copa America umfasst 32 Partien an 25 Tagen in 14 Stadien - und wird ein Turnier in drei verschiedenen Zeitzonen, mit extremen Entfernungen (4.500 Kilometer von New York nach Los Angeles) und klimatischen Herausforderungen. Denn gespielt wird nicht nur in L.A., wo die traumhaften Strände nur wenige Kilometer vom Sofi Stadium entfernt sind, sondern unter anderem auch in den Wüsten von Arizona (Glendale) und Nevada (Las Vegas), sowie im um diese Jahreszeit drückend heißen Texas oder im subtropischen Florida.
Aufgrund der äußeren Bedingungen beginnen die Partien erst am späten Nachmittag oder am Abend - und werden in Las Vegas und Glendale in geschlossenen Arenen ausgetragen. Andere Stadien (Houston, Arlington, Atlanta) haben die Möglichkeit, das Dach zu schließen. Acht der jetzigen 14 Stadien werden 2026 auch WM-Austragungsorte sein.
Viertelfinale ist für die USA Pflicht
Amerikas Vorrundengegner in Gruppe C heißen Bolivien, Panama und Uruguay. Der Einzug ins Viertelfinale ist Pflicht. Doch in der Runde der besten Acht könnten die USA bereits auf Rekordweltmeister Brasilien oder die seit 23 Spielen unbesiegten Kolumbianer treffen. "Wir wollen uns den Respekt vom Rest der Welt verdienen", sagte Kapitän Tyler Adams im Podcast "Men in Blazers".
Doch dafür müssen die Amerikaner bei einem großen Turnier endlich mal einen namhaften Gegner besiegen. Das gelang ihnen zuletzt bei der WM 2002 mit einem 3:2-Vorrunden-Erfolg gegen Portugal sowie dem anschließenden Erreichen des Viertelfinals. Erst dort kam gegen Deutschland (0:1) das Aus.
WM 2002: Ernest Stewart im Zweikampf mit Rui Costa
23 Nationalspieler in Europa unter Vertrag
Damals waren US-Nationalspieler wie Berhalter in europäischen Ligen noch Unikate. Mittlerweile sind 23 der 26 Profis aus seinem Kader in Europa unter Vertrag - mitunter, wie Christian Pulisic (12 Tore für AC Mailand vergangene Saison) sogar in tragenden Rollen bei großen Klubs.
Diese Quantität an Qualität soll sich nun auch bei der Copa America zeigen - und vor allem in zwei Jahren bei WM. Als die USA 1994 erstmals die Welt zu Gast hatten, gab es noch nicht mal eine nationale Profiliga. Die Major League Soccer nahm erst zwei Jahre später ihren Spielbetrieb auf.
Soccer aus dem Schatten von NFL und NBA holen
Das Turnier 2026 soll die weltweit bekannteste und populärste Sportart dann endlich auch in der weltweit erfolgreichsten Sportnation etablieren, Soccer herausholen aus der Nische - und dem riesigen Schatten der National Football League und Basketball-Profiliga NBA.
Oder zumindest für eine derartige Euphorie sorgen, dass künftige Generationen von Kindern und Jugendlichen lieber dem Fußball hinterherlaufen, anstatt den Basketball in die Hand zu nehmen oder den Footballhelm aufzusetzen.
Der Countdown zur WM beginnt jetzt. Mit der Copa America. Für die USA ist es das wichtigste Turnier seit 1994 - und für Coach Gregg Berhalter vielleicht das letzte.