Leonie Fiebich (l.) im Duell mit Minnesotas Courtney Williams

WNBA-Finalserie Famose Fiebich und ihr Rekordspiel zum Vergessen 

Stand: 11.10.2024 09:43 Uhr

Was für ein Auftritt von Leonie Fiebich im ersten WNBA-Finale. Der deutsche Rookie stellt gleich einige Bestmarken auf, kann sich darüber aber nicht freuen. Denn ihr Verein, New York Liberty, verliert gegen Minnesota noch in der Schlussphase. 

Von Heiko Oldörp, New York

Und plötzlich war Ruhe. Stille. So, als habe jemand den Stecker gezogen. Die 17.732 Fans im ausverkauften Barclays Center, die bis eben noch so laut waren, schwiegen nun. Sie waren geschockt, sprachlos, stumm. Ebenso, wie die Spielerinnen der New York Liberty, die wie in Trance Richtung Kabine mäanderten. Sie hatten sich so viel vorgenommen für dieses erste Finalspiel der amerikanischen Frauen-Basketball-Profiliga WNBA gegen Minnesota Lynx. 

Sie waren so gut drauf, so optimistisch, als bestes Team der Vorrunde. Nach der gegen Las Vegas verlorenen Finalserie vor zwölf Monaten soll es diesmal, so der Schwur der Mannschaft, endlich klappen mit dem lang ersehnten ersten Titel. Doch dann verlieren sie diese Partie 93:95 nach Verlängerung. 

Fiebich schreibt deutsche Geschichte und Liga-Historie

Eine richtige Erklärung für die Niederlage hat Leonie Fiebich eine halbe Stunde nach Spielschluss immer noch nicht. "Wir hatten vielen Chancen, das Spiel zu gewinnen und haben es zum Schluss in mehreren Phasen weggegeben", meinte die 24-Jährige im Gespräch mit der Sportschau. Sie wirkt in ihrem hellen Hoodie bei dieser Einschätzung emotional und betont, dass es "gerade ein bisschen schwierig" sei, über alles zu reden. Denn es sei doch "unser Spiel" gewesen. 

Es war zugleich auch ihr Spiel - doch das interessierte sie nicht. Fiebich, diese zu Saisonbeginn noch komplett unbekannte, 1,94 Meter große Flügelspielerin aus dem 30.000-Einwohner-Städtchen Landsberg am Lech in Oberbayern, hatte eine starke Leistung gezeigt. Sie hatte als erste Deutsche in einer WNBA-Finalserie Punkte erzielt, 17 waren es insgesamt. Sie hatte zudem bei ihrem Endspiel-Debüt gleich vier Liga-Rookie-Rekorde aufgestellt.

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"Vor Heimpublikum zu verlieren, ist sehr, sehr tough"

Ihre 17 Zähler, sechs Rebounds und vier Assists waren noch keinem Neuling in der 1996 gegründeten WNBA gelungen. 

Fünf Dreier hatte vor ihr auch noch niemand getroffen. Nicht im ersten Finale, nicht in irgendeinem anderen Endspiel - und auch nicht in den Playoffs generell. Vielleicht wird Fiebich irgendwann, mit etwas Abstand, mal stolz auf dieses, ihr erstes, WNBA-Finalmatch sein können. Aber an diesem Donnerstagabend, hier im New Yorker Stadtteil Brooklyn, konnte sie es einfach nicht. Für sie war nur eine Statistik wichtig: das Endergebnis. Und das sprach gegen New York. 

"Gerade vor unserem Heimpublikum zu verlieren, ist sehr, sehr tough", ärgerte sich Fiebich. Was hatten sie rund um dieses Endspiel nicht alles gemacht in Brooklyn. So viel Hype, so viel Vorfreude und Begeisterung. Bereits 90 Minuten vor Spielbeginn tanzten Fans vor der Halle. Auch die Spielerinnen waren zuversichtlich. Der Hunger auf den Titel sei "riesig", meinte Nyara Sabally, die zweite deutsche Nationalspielerin im Liberty-Trikot, vor dem Match gegenüber der Sportschau. Sie war im Vorjahr dabei, als New York die Finalserie gegen Las Vegas in vier Spielen verloren hatte.

Revanche gegen Las Vegas für Vorjahres-Niederlage

Diesmal revanchierte sich das Team, eliminierte die Titelverteidigerinnen im Halbfinale. Dass New York die Serie mit 3:1 gewann, lag vor allem an Fiebich. Sie habe, hieß es in Spiel 4 beim übertragenden TV-Sender "ABC" "den größten Unterschied zum Vorjahr ausgemacht". Fiebich sei genau die Spielerin, die "uns bislang gefehlt hat", sagt Sabally, die ihre zweite Saison in New York spielt.

Als die Liberty-Profis 24 Minuten vor Spielbeginn hinter einer riesigen Vereinsfahne zum Warm up in die Halle kommen, werden sie von Fiebich und Sabally angeführt. Auf jedem der 17.732 Sitze hängt ein weißes Tuch mit der Aufschrift "New York ain’t for everybody" ("New York ist nicht für jeden was" oder auch "Nicht jeder schafft es hier") über der Rückenlehne. Fiebich und Sabally haben es geschafft - wenn auch in verschiedenen Rollen.

Zwei Deutsche, zwei unterschiedliche Rollen

Flügelspielerin Fiebich, die über Stationen in Frankreich, Australien und Spanien im Frühjahr nach New York kam, ist aus der Starting Five nicht mehr wegzudenken. Sabally hat das Problem, auf ihrer Position mit Breanna Stewart eine dreimalige Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin aus den USA vor sich zu haben. "Aber sie bringt viel von der Bank, ist deshalb sehr wichtig für unser Team", betont Sabrina Ionescu, neben Stewart ein weiterer US-Superstar. 

Fiebich trifft ihre beiden ersten Dreier und hat somit einen großen Anteil an der New Yorker 14:5-Führung nach vier Minuten. Sabally kommt in der achten Minute ins Spiel und greift sich sofort einen Offensiv-Rebound. Ab der 16. Minute stehen beide gemeinsam auf dem Feld. Eine Berlinerin und eine Bayerin bilden in dieser Phase 40 Prozent des New Yorker Teams auf dem Feld - in der stärksten Frauen-Basketballliga der Welt. 

Finalteilnahme als Zeichen des Aufschwungs

Sabally sieht dies, neben dem Viertelfinaleinzug der Nationalmannschaft bei Olympia, sowie dem sensationellen Gold der 3x3-Basketballerinnen in Paris als weiteres Zeichen für den gegenwärtigen Aufschwung des deutschen Frauen-Basketballs. Sie habe als Kind "gar nichts von der WNBA gewusst", betont die 24-Jährige. Jetzt hingegen könnten Jugendliche in der Heimat sehen, dass die US-Liga auch für deutsche Spielerinnen durchaus möglich sei. 

Das Gesicht des deutschen Frauen-Basketballs, Satou Sabally, ist auch im Barclays Center. Sie hatte mit ihrem Verein, Dallas Wings, die Playoffs verpasst - und unterstützt nun ihre zwei Jahre jüngere Schwester Nyara in den Playoffs. Satou Sabally wurde 2020, bei der Talenteverteilung Draft, an zweiter Stelle von Dallas ausgewählt und hatte es gleich in ihrer ersten Saison als eine der fünf besten Neulinge ins All-Rookie-Team geschafft.

Fiebich im All-Rookie-Team

Dies gelang nun auch Leonie Fiebich. Als die Blondine mit der Rückennummer 13 in der 34. Minute ihren fünften Dreier zur New Yorker 76:64-Führung trifft, scheint die Partie entschieden zu sein. Doch dann gelingt den Gastgeberinnen in der Offensive kaum noch etwas, und Minnesota holt auf. Ausgerechnet Breanna Stewart verpasst mit einem vergebenen Freiwurf in der Schlusssekunde beim Stand von 84:84 den Sieg. Verlängerung. Hier spielt erneut Superstar Stewart eine unglückliche Rolle, als sie mit der letzten Aktion, einem eigentlich einfachen Korbleger, erfolglos bleibt. 

Minnesota jubelt, New York erstarrt. Am Sonntagnachmittag (Ortszeit) sehen sich beide wieder. Erneut in Brooklyn. Fiebich weiß, dass Liberty dieses Heimspiel unbedingt gewinnen muss, um in der Best-of-five-Serie nicht mit einem 0:2-Rückstand nach Minnesota zu fliegen. Noch was? Nein. Sie wollte nichts mehr sagen und konnte es auch einfach nicht. Der Körper war erschöpft, der Kopf leer. Leonie Fiebich wollte einfach nur noch weg, raus aus der Halle, nach Hause. Und irgendwie versuchen, nach dieser ärgerlichen Niederlage schlafen zu können.