EM 2024 ARD-Expertin Schult: "Könnte mir Kroatien vorstellen"
Almuth Schult ist Vorreiterin als TV-Expertin im Männerfußball und als Mutter im Profisport. Die ARD-Expertin ist während er EM in drei Rollen aktiv - und hat ein selten genanntes Team als Favorit auf dem Zettel.
Sportschau: Torhüterin beim Hamburger SV, TV-Expertin bei der Sportschau und Mutter von drei kleinen Kindern - welche deiner drei Vollzeit-Aufgaben ist die anspruchsvollste?
Almuth Schult: Das kann ich gar nicht sagen, das ist, wie vieles andere, tagesformabhängig. Alle drei Aufgaben machen Spaß und sind manchmal anstrengend.
Während wir telefonieren, hört man im Hintergrund das pralle morgendliche Familienleben: Kinderlärm, klirrende Teller … Und gleichzeitig gehst du durch das Interview gerade deiner Arbeit nach.
Schult: Ja, das ist sehr häufig so. Den Kleinen hatte ich anfangs oft mit in die Stadien genommen. Jetzt, wo ich nicht mehr stille, passiert das nicht mehr so oft, aber er begleitet mich immer noch zur Arbeit, auf Kongresse, zum Training und auf Videokonferenzen. Ich bin froh, dass die Kinder das so mitmachen und dass es seit Corona gesellschaftlich deutlich akzeptierter ist als davor.
Almuth Schult hat als Torhüterin 66 Länderspiele bestritten, ist Europameisterin 2013, Olympiasiegerin 2016. Mit dem VfL Wolfsburg gewann sie 2014 die Champions League, sechs deutsche Meisterschaften und acht Pokaltitel. Im Frühjahr 2020 brachte sie Zwillinge zur Welt, im August 2023 ihr drittes Kind. Seit April 2024 spielt sie in der 2. Bundesliga für den Hamburger SV, bei dem sie ihre Karriere begonnen hat. Die 33-Jährige ist als Mutter im deutschen Profifußball eine Vorreiterin - wie auch als TV-Expertin im Männerfußball. Seit 2021 ist sie Teil des Sportschau-Teams bei großen Turnieren.
Was hat dich motiviert, auch mit dem dritten Kind noch einmal im Profifußball in der 2. Bundesliga anzugreifen?
Schult: Immer noch die gleiche Motivation: Fußball macht mir einfach unheimlich Spaß. Ich habe angefangen zu trainieren und geschaut, ob es körperlich möglich ist, bin ins Mannschaftstraining eingestiegen. Wenn es dann gut funktioniert, will man auch spielen. Zum Glück habe ich einen Verein gefunden, daran hatte ich schon gezweifelt. Es ist ein Riesenaufwand mit drei Kindern, Frauen können das nicht eins zu eins umsetzen wie Männer. Wegen der deutlichen Gehaltsunterschiede kann man die Kinderbetreuung nicht aus der Portokasse bezahlen. Wir probieren bis Ende der Saison aus, ob es für mich, die Kinder, meinen Mann und den Verein funktioniert.
Du hättest Dir eine Pause im Sommer verdient, stattdessen stehst du, zum Glück für die Sportschau, als bewährte Expertin zur Verfügung. Warum?
Schult: Weil es mir große Freude bereitet und eine Ehre ist, bei einem Heimturnier dabei zu sein. Ich habe die EM 2020 erlebt, die zu einem Achtel in Deutschland ausgetragen wurde, die WM in Katar - schon das hat viel Spaß gemacht, da musste ich jetzt nicht lange überlegen. Zumal ich als Spielerin die Stimmung bei der Heim-WM 2011 in guter Erinnerung habe.
Als Expertin und Co-Kommentatorin im EM-Einsatz
Du hast verschiedene Aufgaben: Expertin vor und nach den Spielen und Co-Live-Kommentatorin während der Spiele. Welche findet Du besser?
Schult: Ich finde beide auf ihre Weise anspruchsvoll. Als Expertin wird man daran gemessen, wie man etwas analysiert und wie kritisch man ist. Die Herausforderung als Co-Kommentatorin ist, dass man sich die Inhalte nicht aussuchen kann. Alles ist live, man muss auf den Punkt sein, sich mit dem Kommentator abstimmen, ein gutes Gefühl füreinander entwickeln. Gleichzeitig hat man live keine Zeit, sich vorzubesprechen. Das ist nicht einfach und man lernt jedes Mal dazu, aber es macht mir viel Spaß.
Du stehst wie auch alle anderen Sportschau-Experten bei dieser EM am Spielfeldrand statt im Studio. Wie verändert das die Aufgabe?
Schult: In der Art, wie ich das Spiel schaue. Im Studio habe ich viele verschiedene Kameraperspektiven, viele Zeitlupen - das habe ich am Spielfeldrand weniger. Die Abstimmung, welche Highlights und Zeitlupen wir nehmen, wird auf engem Raum schwieriger. Dafür bin ich jetzt nah beim Spiel dabei, kann Dinge abseits des Platzes besser wahrnehmen und die Stimmung aufsaugen.
Worauf freust du dich bei der EURO besonders?
Schult: Für mich sind die Stadien das Highlight. Ich begleite Spiele in Dortmund, Stuttgart und Berlin, das sind Stadien, in denen im Frauenbereich noch nicht unbedingt gespielt wird. Außerdem wird die Stimmung eine andere sein als bei einem Ligaspiel. Es ist etwas richtig Besonderes, dort dabei sein zu können. Und ich bin auch gespannt auf die Stimmung um die Stadien herum - das ist etwas, was ich als Spielerin so gut wie nie aufnehmen konnte und bei Turnieren aus dem Studio natürlich auch nicht.
"Kneipenquiz, das hört sich spannend an"
Es kommt auch noch eine dritte Rolle auf dich zu: Gästin beim Fußball-Kneipenquiz, das während der EM um 23.30 Uhr live im Ersten gesendet wird.
Schult: Grundsätzlich mag ich Quizsendungen, war schon bei ein, zwei anderen zu Gast. Und Kneipenquiz, das hört sich spannend an, ich finde die Idee schön. Kneipe gehört zum Fußball dazu. Enger Raum, viele Menschen - genauso würden die Spiele auch in Fankreisen ausgwertet werden, es ist sehr authentisch. Und wie ich gehört habe, gibt es auch lustige Fragen, deren Antwort man nicht unbedingt weiß, die aber anregen, weiter zu diskutieren.
Es gibt mittlerweile viele Frauen, die als Expertinnen im Männer-Fußball arbeiten. Das war 2021, als Du erstmals für die ARD bei der EM im Einsatz warst und viel Lob erfahren hast, in Deutschland noch anders. Wie blickst Du auf die Entwicklung der vergangenen Jahre?
Schult: Es hat sich viel verändert, jetzt ist es mehr Normalität, dass Frauen dabei sind. Das ist schön, weil wir immer in der Gesellschaft von verschiedenen Blickwinkeln reden. Die Trennung zwischen Frauen und Männern ist im Fußball eh so eine Sache, schließlich ist es nun mal Fußball, über den man redet. Andersherum sind Männer selten Experten bei Frauenspielen, Maik Franz ist da bei "Sport1" eine Ausnahme. Da würde ich mich freuen, wenn sich das noch mehr männliche Kollegen zutrauen und sich dafür interessieren.
"Es gibt einen regen Austausch in der Branche"
Haben Dich Kolleginnen, die neu als Expertin angefangen haben, um Rat gefragt?
Schult: Das ist schon vorgekommen, dass jemand mich angeschrieben oder angerufen hat: Wie bereitest du dich vor, was schreibst du dir auf, hast du ein Coaching gemacht - es gibt einen regen Austausch in der Branche.
Zum Abschluss noch zwei typische Fragen im Vorfeld einer EM: Wer ist Dein Titelfavorit und wie wird Deutschland abschneiden?
Schult: Die Favoritenfrage ist unheimlich schwierig, zumal ich bisher immer danebengelegen habe. Das schöne bei Europameisterschaften ist die Leistungsdichte: Man traut es zehn Teams zu und dann gibt es noch die Möglichkeit eines Überraschungssiegers wie Griechenland 2004. Dieses Mal könnte ich mir Kroatien vorstellen. Deren goldene Generation hat bei WMs ihre Stärke gezeigt, bei EMs noch nicht. Beim vermutlich letzten großen Turnier von Luka Modric reißen sich alle vielleicht noch mehr zusammen.
Deutschland traue ich viel zu, seit den jüngsten Vorbereitungsspielen bin ich deutlich euphorischer geworden. Jeder weiß, dass in den vergangenen Jahren die Konstanz gefehlt hat. Potenzial ist definitiv da und ich wünsche ihnen, dass sie es abrufen können. Dann könnten sie um die ersten Plätze mitspielen, aber das hängt zusätzlich von der Tagesform ab.