Positivtest und vorläufige Sperre Pogba bringt Doping im Fußball wieder auf die Agenda
Paul Pogba von Juventus ist nach einem positiven Dopingtest vorläufig gesperrt worden. Sollte sich der Verdacht gegen Frankreichs Weltmeister erhärten, steht seine Karriere auf dem Spiel.
Paul Pogba schaffte es am Dienstagmorgen (12.09.2023) mal wieder auf Seite eins von Frankreichs Sportzeitung "L’Equipe". Sportlich hatte Frankeichs Mittelfeldstar, der wegen einer langwierigen Knieverletzung fast die komplette vergangene Saison und auch die WM in Katar verpasst hatte, zuletzt kaum für Schlagzeilen gesorgt.
Positivtest auf Testosteron - "Pogba am Tiefpunkt"
Nun aber titelte "L’Equipe": "Pogba am Tiefpunkt", nachdem am Montagabend aus Italien gemeldet worden war, dass der Juventus-Profi bei einem Dopingtest mit einem zu hohen Testosteronwert auffällig wurde. Dies bestätigte die italienische Anti-Doping-Agentur, Pogba wurde vorläufig gesperrt.
Mittlerweile hat der italienische Rekordmeister Juventus Turin das Gehalt des französischen Fußball-Nationalspielers vorerst eingefroren. "Der Klub prüft die nächsten Schritte", hieß es in einer Mitteilung am Mittwoch (13.09.2023).
Doping-Historie in Italiens Fußball
Der Positivtest soll bei einer Kontrolle nach dem Spiel von Juventus in Udine am 20. August festgestellt worden sein. Sollte auch die B-Probe positiv ausfallen, droht dem Weltmeister von 2018 eine Sperre von vier Jahren – für den 30-Jährigen Pogba bedeutet dies, dass womöglich seine Karriere auf dem Spiel steht.
Der "Fall Pogba" war am Dienstagmorgen auch das große Thema in Italiens Sportzeitungen. Die "Gazzetta dello Sport" listete bei der Gelegenheit noch einmal die aktenkundigen Dopingvergehen im italienischen Fußball auf, von denen über die Jahre eine nicht unerhebliche Zahl zusammenkam.
Juventus im Visier der Dopingfahnder
Auffallend dabei, dass neben Spielern von Lazio (Jaap Stam, Fernando Couto) vor allem Juventus immer wieder ins Visier der Dopingfahnder geriet. Juve-Star Edgar Davids wurde im Jahr 2001 wegen der Einnahme von Nandrolon, einem anabolen Steroid, für vier Monate gesperrt.
Für viel Aufsehen sorgte ein Prozess im Jahr 2004 gegen die damalige Klubführung und medizinische Abteilung der Turiner. Sie stand im Verdacht, Starspielern wie Zinédine Zidane, Didier Deschamps oder Alessandro Del Piero unerlaubte leistungssteigernde Mittel verabreicht zu haben.
Laut Turiner Staatsanwaltschaft seien bei zehn Juve-Profis in den Jahren 1994 bis 1998 erhöhte Schwankungen bei den Hämatokritwerten festgestellt worden, ein Indiz für Epo-Doping. Der damalige Juventus-Teamarzt wurde wegen des Vorwurfs des systematischen Dopings verurteilt, später aber freigesprochen.
In Erinnerung blieb in Italien auch der Fall von Marco Borriello vom AC Mailand. Der Stürmer wurde im Jahr 2006 wegen auffälliger Kortisonwerte für drei Monate gesperrt. Die Erklärung für den Befund lieferte Borriellos damalige Lebensgefährtin. Sie gab an, eine kortisonhaltige Vaginalsalbe gegen eine Infektion benutzt zu haben, das Mittelchen hätte sich dann beim Sex übertragen. Kein Doping also, nur Amore - wer möchte da noch Böses unterstellen?
Anti-Doping-Politik der FIFA in der Kritik
Der Umgang des Fußballs mit dem Thema Doping steht immer wieder in der Kritik, auch außerhalb Italiens. Erst vor wenigen Wochen hatte David Howman, Vorsitzender der Athletics Integrity Unit (AIU), im "Guardian" den Weltverband FIFA für seine nachlässige Anti-Doping-Politik kritisiert: "Es gibt die FIFA. Und es gibt den Rest der Welt. Die Strategie der FIFA beschränkt sich auf Kontrollen bei den Spielen. Aber bei allem, was dazwischen passiert, damit haben sie ihre Probleme."
Bei der Fahndung nach Testosterondoping könnte der neue Biologische Athletenpass künftig auch im Fußball helfen, Steroidmissbrauch leichter nachzuweisen. Ob das Verfahren auch schon in Italien zur Anwendung kam, ist unklar.
Pogba-Sperre - Juventus wartet erst einmal ab
Im Fall von Paul Pogba wird es darauf ankommen, ob er eine Erklärung für den Positivbefund des unerlaubten Testosteron-Mittels vorbringen kann - und vor allem welche. Bei vorsätzlicher Einnahme eines unerlaubten Mittels würde nach dem strengen Anti-Doping-Gesetz in Italien die Staatsanwaltschaft gegen Pogba tätig werden.
Sein Verein Juventus reagierte abseits der Gehaltsfrage zunächst zurückhaltend. Man behalte sich erst einmal das Recht vor, die nächsten Verfahrensschritte zu bewerten, wurde der Klub zitiert. Das heißt wohl, dass Juve erst einmal die Ergebnisse der B-Probe und möglicher weiterer Analysen abwarten möchte.
Testosteron ohne Pogbas Wissen verabreicht?
Pogba soll die Gelegenheit zur Aufklärung bekommen. Zum Beispiel, wenn er belegen könnte, dass ihm das unerlaubte Mittel im Rahmen medizinischer Behandlungen verabreicht wurde, womöglich ohne sein Wissen und auch ohne Wissen des Klubs oder aus Unachtsamkeit eines Arztes oder Therapeuten. Pogba war erst im vergangenen Herbst wegen seiner Knieverletzung operiert worden, er war über Monate in Behandlung, laut italienischer Medien auch im Ausland.
Allerdings, so berichtete die "Gazzetta dello Sport", hätten weder Pogba noch Juventus bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur einen Antrag gestellt, ein Testosteronpräparat aus medizinischen Gründen anwenden zu dürfen. Diese Ausnahmegenehmigung könne in bestimmten Fällen sogar nachträglich erteilt werden, sei aber zwingend erforderlich, um sich in einem Dopingverfahren zu entlasten.
Sperre für Pogba - womöglich über mehrere Monate
Erst im vergangenen Herbst wurde Jose Luis Palomino von Atalanta Bergamo vom Italienischen Anti-Doping-Tribunal freigesprochen. Palomino war positiv auf das Anabolika-Präparat Clostebol getestet worden, das in Narbensalben enthalten ist und in dieser Anwendung vom Gericht auch toleriert wurde. Bis zur Entscheidung blieb der Spieler allerdings mehr als drei Monate suspendiert. Endgültig geklärt ist der Fall außerdem noch nicht, es läuft noch ein Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS.
Auch auf Paul Pogba dürften nun einige unruhige Monate zukommen. Dabei hatte Frankreichs Mittelfeld-Ass, das nach langer Reha eigentlich jetzt wieder voll angreifen wollte, erst vor kurzem bei "Al-Jazeera" angekündigt, es seinen Kritikern zu zeigen: "Ich werde sie dazu bringen, dass sie ihre eigenen Zeilen essen." Das muss wohl jetzt erst einmal noch warten.