Ineos-Boss Ratcliffe bietet für United Ein Manchester Boy will ins Old Trafford
Jim Ratcliffe, Milliardär und umtriebiger Sportinvestor, will Manchester United übernehmen. Der Ineos-Chef inszeniert dies als Rückkehr nach Hause, den Fans geht es vor allem darum, dass endlich der Erfolg ins Old Trafford zurückkehrt.
Jim Ratcliffe inszeniert sich gerne als Patriot. Der milliardenschwere Gründer des Ineos-Konzerns gehört zu jenen britischen Wirtschaftsgrößen, die sich für einen Austritt aus der EU stark gemacht haben. Nach dem Brexit-Vollzug kündigte Ratcliffe an, unter die Autobauer zu gehen und einen Nachfolger für den Land Rover Defender zu produzieren.
Das Original-Fabrikat sah für ihn nämlich nach mehrfachem Lifting aus wie ein x-beliebiger Familien-SUV. Und hatte damit kaum noch etwas gemein mit jenem kantigen Geländewagen, der jahrzehntelang das Symbol des englischen Landadels war - und auch das Lieblingsauto der Queen.
Ineos-Chef Ratcliffe bietet für Manchester United
Aktuell plant Ratcliffe, eine weitere Ikone Britannias zu neuem Glanz zu verhelfen: Er gehört zu den Interessenten, die die Mehrheitsanteile an Manchester United übernehmen wollen. Englands Rekordmeister, Heimatklub von Legenden wie Bobby Charlton, George Best oder David Beckham, ist aktuell noch im Besitz der US-amerikanischen Unternehmerfamilie Glazer. Die Glazers haben ihre Klub-Anteile jedoch über eine US-Bank zum Verkauf angeboten, der möglicherweise im Frühjahr über die Bühne gehen könnte.
Zu den Kaufinteressenten neben Ratcliffe zählt der katarische Geschäftsmann Scheich Jassim bin Hamad bin Khaifa Al-Thani, Vorsitzender der Qatar Islamic Bank, Sohn des früheren Emirs. Manchester United im Besitz von Katar, dies wäre endgültig "das Ende des guten, alten Fußballs", prophezeihte der Guardian düster. Bei Newcastle und Manchester City haben ja schon Investoren von der arabischen Halbinsel das Sagen.
Ein englischer Wirtschaftsboss wie Ratcliffe, obendrein noch als Sir James geadelt, als neuer United-Besitzer - dies erscheint sportpolitisch weniger problematisch. Zumindest auf den ersten Blick: Der 70 Jahre alte Ratcliffe ist erklärter United-Fan seit Kindheitstagen. Er stammt aus einem Vorort von Manchester und wuchs in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Seinen Abschluss als Chemieingenieur machte er nicht etwa am englischen Elite-College, sondern an der Universität Birmingham.
Sein Vermögen machte Ratcliffe vor allem mit Beteiligungsgeschäften in der Petrolindustrie, er kaufte und verkaufte Anteile an Raffinerien und Chemieunternehmen, und gründete schließlich den mächtigen Ineos-Konzern.
Radsport, Formel 1, Rugby, Segeln, Fußball - Ratcliffes Sponsorenreich
Im Sport tritt Ineos inzwischen häufig als Sponsor in Erscheinung. Allen voran beim gleichnamigen Radrennstall, Nachfolger des Teams Sky, mit dem Ratcliffe erfolgreich an den Radsportboom auf der Insel andockte.
Ineos ist aber auch Hauptsponsor beim Mercedes-Team in der Formel 1, finanziert das britische Segel-Team für den America's Cup und seit dem vergangenen Jahr auch die All Blacks, Neuseelands berühmtes Rugby-Team. Im Fußball besitzt Ratcliffe die Mehrheit bei OGC Nizza und beim Schweizer Erstligaklub Lausanne Sport.
Greenwashing-Vorwürfe wegen Fracking-Investments
Wegen seiner zahlreichen Investments sah sich der Chemieunternehmer wiederholt dem Vorwurf gegenüber, er wolle damit "Greenwashing" betreiben und sein Image aufpolieren. Zumal Ratcliffe auf dem britischen Festland groß in das ökologisch umstrittene Fracking investiert hat, nach eigenen Angaben eine Viertelmilliarde Pfund. Vor allem im Norden Englands hält Ineos an vielen Orten Lizenzen, um tief unter der Erde nach Gas zu bohren.
Auch der Ineos-Offroader fährt nicht elektrisch, sondern mit einem Sechs-Zylinder-Benzinmotor. Fertigen lässt Ratcliffe das vorgeblich britische Original nicht wie ursprünglich angekündigt in einem neuen Autowerk in Wales, sondern im französischen Elsass. Die Zeitung Yorkshire Post nannte ihn daraufhin einen "Leave Hypocrite", einen "Brexit-Heuchler". Dazu passt, dass er seinen Wohnsitz vor Jahren nach Monaco verlegt hat.
In den britischen Medien ist Ratcliffe nicht unbedingt als Unternehmer bekannt, der vor möglicherweise unpopulären Meinungen zurückschreckt. Er teilt gerne mal öffentlich aus, gegen Gewerkschaften, gegen die Politik oder Bürgerinitiativen, die sich seinen Fracking-Bohrungen in den Weg stellen.
Milliarden-Investment bei United und ein Stück Romantik
Dass er nun mehrere Milliarden locker machen will, um United zu übernehmen, dürfte wohl auch persönlich motiviert sein. "Womöglich geht es ihm dabei um sein Vermächtnis", sagt Kieran Maguire, Ökonom von der Universität Liverpool, der sich seit Jahren mit Investoren und Geldflüssen im englischen Fußball beschäftigt: "Es ist sicherlich eine gewisse Romantik mit im Spiel. Er ist ein Junge aus Manchester. Er hat viel Anerkennung bekommen für seinen unternehmerischen Erfolg, aber vielleicht möchte er mehr. Er will den Leuten in Manchester zeigen: Ich bin einer von euch. Und ich bin derjenige, der Manchester United wieder nach oben führt."
Ratcliffe soll schon im vergangenen Jahr bei den Glazers angeklopft haben, bevor deren Pläne über einen möglichen Verkaufs konkret wurden. In der Premier League könnte er einen anderen Investoren-Typ verkörpern als die Scheichs und Oligarchen mit ihrem Hang zum Protzen. Der Ineos-Boss gilt als Unternehmer, der schlau und eher überlegt investiert.
Sportliche Bilanz bei United erbärmlich
Geld wiederum war zuletzt nicht das Problem bei United, eher fehlte es an einem tragfähigen, sportlichen Konzept. In den vergangenen zehn Jahren hat der Rekordmeister netto sogar mehr für Spieler ausgegeben als jeder andere englische Topklub. Gemessen daran ist die sportliche Erfolgsbilanz fast erbärmlich: Ein Europa-League-Titel (2017) und der Gewinn des Ligapokals im Februar. Die Aussicht, die orientierungssuchenden Red Devils wieder zum Erfolg zu führen, dürfte für Ratcliffe, den "Manchester Boy", eine besondere Verlockung darstellen.
Wettbieten zwischen Ratcliffe und Katar
Aktuell deutet vieles auf ein Wettbieten hin, nachdem die Glazers Medienberichten zufolge offenbar noch einmal an der Preisschraube drehen wollen und auf einen höheren Verkaufserlös spekulieren, der in die Richtung von sechs Milliarden Pfund gehen soll. Ratcliffes letztes Gebot stand bei 4,5 Milliarden Pfund, und damit in ungefähr ähnlichen Dimensionen wie das des Konkurrenten aus Katar.
Viele Fans in Manchester sähen lieber Ratcliffe an der Spitze des Klubs, nicht nur, weil sie endlich die verhassten Glazers aus der Stadt haben wollen. "Für die Fans könnte es keinen besseren Klub-Besitzer geben, als einen Milliardär, der ebenfalls Fan ist. Nicht nur, weil sie damit die Hoffnung verbinden, dass er viel Geld ausgibt. Sondern weil sie glauben, dass er die Kultur des Vereins kennt und die Mentalität der Fans", sagt Fußballökonom Maguire.
Zugleich gibt er aber zu bedenken, dass Ratcliffe als Investor im Fußball bislang keine großen Erfolge vorweisen konnte. "Die Frage, warum das bei United besser laufen sollte, wird von vielen Fans bislang ausgeblendet. Womöglich, weil es nicht ganz zu dieser romantischen Geschichte passen mag, dass er nun zurückkommt. Und mit ihm auch der Erfolg."