Staatlich kontrolliert oder nicht? Saudi-Arabiens Deal mit Newcastle wirft neue Fragen auf
Saudi-Arabiens Staatsfonds durfte Newcastle United kaufen - unter der Maßgabe der Premier League, dass der Klub nicht unter Kontrolle des Staats Saudi-Arabiens steht. Daran gibt es nun neue Zweifel.
Als Saudi-Arabiens Staatsfonds 80 Prozent des Premier-League-Klubs übernahm, mussten die Käufer aus dem Nahen Osten der Premier League zusichern, dass der "Public Investment Fund" (PIF) vom saudischen Staat getrennt ist.
Die Premier League stimmte der Übernahme erst nach längeren Verhandlungen zu, sprach von "rechtsverbindlichen Zusicherungen" des PIF, dass der Klub nicht vom Staat Saudi-Arabien kontrolliert werde. Sollte es "gegenteilige Beweise" geben, könnte dies zur Absetzung des saudisch geführten Konsortiums als Eigentümer des Clubs führen, sagte Premier-League-Chef Richard Masters damals in der BBC. Mitbesitzerin Amanda Staveley äußerte sich ähnlich. Diese "gegenteiligen Beweise" könnten nun vorliegen.
Staatsfonds: In Großbritannien vom Staat getrennt, in den USA Repräsentant des Staats?
In England wird derzeit über Gerichtsakten aus den USA diskutiert. Dort gibt es einen Rechtsstreit im Golfsport zwischen der PGA Tour und der saudisch finanzierten Tour LIV Golf. Ein Richter ordnete in dem Verfahren die Herausgabe von Unterlagen an und dass der Fondsmanager des PIF, Yasir Al-Rumayyan, für Aussagen bereitstehen müsse. Al-Rumayyan (im Foto oben) ist auch Vorsitzender von Newcastle United.
Der PIF antwortete den Gerichtsunterlagen zufolge mit Befremden über seine Rechtsbeistände auf die Anordnung des Richters. Diese sei "ein außerordentlicher Eingriff in die Souveränität eines fremden Staates" hieß es. Der PIF und Al-Rumayyan seien "keine gewöhnlichen Parteien (…), sie sind eine souveräne Institution des Königreichs Saudi-Arabien". Die Interessen des PIF seien "per Gesetz die der Regierung Saudi-Arabiens", hieß es weiter. Al-Rumayyan wird gar als "ein amtierender Minister der Regierung" bezeichnet, der ein Recht auf Immunität habe.
Die Frage lautet: Wie passt es zusammen, dass die Premier League den Staatsfonds als getrennt vom Staat Saudi-Arabien betrachtet, während sich dieser Staatsfonds vor Gerichten in den USA selbst deutlich als staatliche Einrichtung bezeichnet? Die Premier League hat die Entwicklungen bislang nicht kommentiert.
St. James Park, das Stadion von Newcastle United
Amnesty: "Premier League muss die Zusicherungen überprüfen"
Peter Frankental, Direktor bei Amnesty International in Großbritannien, sprach von einer Ironie. "Tatsache ist, dass das saudische Sportswashing zahlreiche Sportarten betrifft und die Leitungsgremien viel effektiver darauf reagieren müssen. Die Premier League wird die Zusicherungen überprüfen müssen."
Saudi-Arabien versucht seit einiger Zeit, die Strategie des Emirats Katar zu übernehmen und über den Sport weltpolitisch Einfluss zu gewinnen. Der Plan wird "Vision 2030 genannt". Fußball ist dabei ein maßgebliches Instrument geworden.
Großbritannien plant eine unabhängige Aufsichtsbehörde, Menschenrechtsverletzungen sollen bei der Übernahme von Klubs aber wohl auch künftig keine Rolle spielen. Für Manchester United liegt derzeit ein Gebot für Katar vor, Manchester City wird von einem Fonds aus Abu Dhabis Königsfamilie kontrolliert.
Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien sehr schlecht
Saudi-Arabien wird immer wieder für Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Die Todesstrafe wird vielfach vollstreckt, die Gerichtsverfahren gelten oft als nicht fair. Die Reise- und Meinungsfreiheit ist eingeschränkt. In der Rangliste der Pressefreiheit rangiert Saudi-Arabien auf Platz 166, noch hinter Somalia, Afghanistan oder Russland. 2018 wurde amerikanischen Geheimdienstberichten zufolge der kritische saudische Journalist Jamal Khashoggi auf Anordnung der Regierung Saudi-Arabiens in der Türkei ermordet und in Stücke gesägt.
Khashoggis Witwe Hatice kritisierte damals die Übernahme des Klubs. "Es ist so schrecklich zu lesen, dass Geld wieder einmal wichtiger war als Gerechtigkeit", schrieb sie bei Twitter. "Was für eine Schande und Peinlichkeit für Newcastle, dass sie jetzt im Besitz derer sind, die Jamal Khashoggi ermordet haben."