Spielertransfers Chelsea und die Finanzen - unverhoffte Hilfe aus Saudi-Arabien
Die Bilanz des FC Chelsea im Financial Fairplay steht durch ein Transferdefizit von mehr als 500 Millionen Euro in dieser Saison unter Druck. Plötzlich deuten sich mehrere Transfers nach Saudi-Arabien an, die die Bilanz reparieren könnten - doch warum kommt diese Hilfe?
Mit Pierre-Emerick Aubameyang, Edouard Mendy, Kalidou Koulibaly und Hakim Ziyech werden derzeit mehrere Spieler, die beim FC Chelsea unter Vertrag stehen, mit einem Transfer nach Saudi-Arabien in Verbindung gebracht. Diese Wechsel könnten eine Rettung für den Klub sein. Denn der Wert der genannten Spieler ist für das Team nicht mehr so groß wie deren Gehälter. Und Chelsea steht durch die Finanzregeln der Verbände unter Druck, Spieler verkaufen zu müssen.
Hohe Ausgaben, wenig Einnahmen - Chelsea hat ein Problem
In der Saison 2022/23 hat der Klub ein Transferdefizit von mehr als 500 Millionen Euro angehäuft, hinzu kommen die hohen Gehälter der Spieler. Nach der Übernahme durch amerikanische Investoren hatte der Klub alleine im Wintertransferfenster mehr Geld als alle Erstligisten aus Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland zusammengezählt ausgegeben, um noch den Europapokal zu erreichen.
Die Investitionen zahlten sich nicht aus, Chelsea wurde Tabellenzwölfter. Am Ende steht ein Problem: Der Kader ist groß und teuer, aber Einnahmen aus dem Europapokal fallen weg.
UEFA ermahnte Chelsea 2022 bereits öffentlich wegen der Finanzen
Die Finanzregularien der UEFA besagen im Grundsatz, dass ein Klub, abgesehen von einem Spielraum von 20 Millionen pro Saison, nicht mehr ausgeben darf als er einnimmt, in der Premier League gelten ähnliche Bestimmungen mit 35 Millionen Pfund pro Saison. Die bilanzierten Einnahmen müssen den Regeln zufolge jedoch aus dem Fußballgeschäft kommen und dürfen nicht vom Investor stammen.
Bereits im September 2022 wurden Chelsea sowie mehrere andere Klubs von der UEFA öffentlich ermahnt, dass die kommenden Bilanzen anders aussehen müssen. Chelsea, das mit extrem langen Vertragslaufzeiten für die im Winter 2022/23 verpflichteten Spieler die Regeln bereits dehnte, muss Spieler abgeben. Die möglichen Transfers nach Saudi-Arabien kommen also zur richtigen Zeit.
Warum hat Saudi-Arabiens Staatsfonds besonders Spieler von Chelsea im Blick?
Saudi Arabiens Staatsfonds PIF hat mit Al-Ittihad, Al-Ahli, Al-Nassr und Al-Hilal vier Klubs des Landes unter Kontrolle genommen und versucht derzeit, zahlreiche Spieler aus europäischen Klubs für diese Klubs zu gewinnen. Heung-Min Son von Tottenham Hotspur soll beispielsweise darunter sein. Längst verpflichtet für das saudische Imageprojekt Profifußball sind Cristiano Ronaldo und Karim Benzema, auch Wolverhamptons Kapitän Ruben Neves wechselt dorthin.
In England wird aber die Frage aufgeworfen, warum gerade so viele Spieler von Chelsea für die Klubs in Saudi-Arabien in Frage kommen. N'Golo Kanté wechselte bereits ablösefrei zu Al-Ittihad in Saudi-Arabien, mehrere weitere sind im Gespräch.
Chelseas Eigentümer: Welchen Einfluss hat der Staatsfonds?
Der russische Oligarch Roman Abramowitsch wurde 2022 nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine von der britischen Regierung sanktioniert, weil er nach Ansicht der britischen Regierung klare Verbindungen zu Russlands Staatspräsident Wladimir Putin hat. Abramowitsch verkaufte den Klub nach Amerika. Bei der Übernahme stand vor allem der Investor Todd Boehly im Vordergrund. Doch 60 Prozent der Anteile an Chelsea und damit die Mehrheit gingen an die Investmentfirma Clearlake - ein Private-Equity-Unternehmen.
Bei Private Equity lautet das Prinzip, dass Geld bei Investoren eingesammelt wird, um zu investieren. In Großbritannien berichten nun mehrere Medien, dass der saudi-arabische Staatsfonds PIF mehrere Milliarden bei Clearlake investiert habe und damit im Umkehrschluss ein Interesse daran haben könnte, das verfahrene Geschäft von Chelsea wieder in Ordnung zu bringen. TV-Experte Gary Neville forderte in der BBC bereits: "Die Premier League sollte ein sofortiges Verbot für Transfers nach Saudi-Arabien verhängen, um sicherzustellen, dass die Integrität des Fußballs nicht beschädigt wird."
Bei der Prüfung von neuen Eigentümern muss der Premier League eigentlich jedweder Einfluss kenntlich gemacht werden. Weder Clearlake, noch Chelsea und die Premier League antworteten bislang auf Anfragen der Sportschau zu den Besitzverhältnissen des Klubs und einer möglichen Einflussnahme. Das Ausmaß einer möglichen Beteiligung des PIF bei Chelseas Mehrheitseigner ist nicht bekannt.
Private Equity mit immer größerer Rolle im Fußball
Private Equity nimmt aber grundsätzlich eine immer größere Rolle im Fußball ein. Solche Unternehmen stiegen in Europa bei mehreren Ligen und Klubs ein. "Private-Equity-Gesellschaften sind ungeeignete Eigentümer von Klubs", sagte Martin Broughton, früherer Vorsitzender des FC Liverpool, im März in der BBC. Es gehe nur um schnelle Gewinnmaximierung, Fußballklubs seien aber emotionale Vermögenswerte für die Fans.
Selbst bei Staatsfonds seien Klubs trotz aller Vorbehalte gegen manche Länder besser aufgehoben, da diese zumindest eine langfristige Perspektive pflegten, sagte Broughton.
Eine Zukunftsfrage: Reichen die Regularien für die neuen Strukturen?
Für die UEFA ist das Problem nicht akut, da sich Chelsea nicht für den Europapokal qualifiziert hat. Doch für die Zukunft stellt sich die Frage, ob die aktuellen Regeln grundsätzlich noch mit den Verhältnissen mithalten können. Derzeit wird im Europapokal verboten, dass eine juristische oder eine natürliche Person bei mehr als einem Klub die Kontrolle hat. Bei Private Equity ist genau das möglicherweise nicht immer transparent.
Die UEFA rief Ende April eine elf Personen starke Arbeitsgruppe ins Leben, die sich mit der "langfristigen Nachhaltigkeit" des Fußballs beschäftigen soll. Chelseas Tricks mit den langfristigen Vertragslaufzeiten sollen dabei ein Thema sein. Möglicherweise muss auch über Private Equity gesprochen werden. Erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden für Ende Juni angekündigt.