Polen gegen Deutschland Testspiel mit Erfolgsdruck für Hansi Flick
Das Spiel gegen Polen gehört zur Experimentierphase von Hansi Flick, doch der Erfolgsdruck wächst. Der Bundestrainer setzt auf Kampf und verbittet sich Kritik an Joshua Kimmich und Co.
Noch ein Jahr bleibt bis zur Heim-EM, jenem Turnier im Juni 2024, mit dem so große Erwartungen verbunden sind: ein buntes, stimmungsvolles Fußballfest mit einer forsch aufspielenden deutschen Mannschaft. Die nächste Zwischenetappe auf der Route zur Europameisterschaft ist das Testspiel gegen Polen am Freitag (20.45 Uhr, live im Ersten und auf sportschau.de) in Warschau.
Ein Jahr - das ist genug Zeit, um das schwächelnde Nationalteam in Schuss zu bringen, könnte man sagen. Bundestrainer Hansi Flick jedenfalls versprühte auch am Donnerstag (15.06.2023) weiter Optimismus: "Wir sind überzeugt von unserem Weg und davon, dass wir nächstes Jahr im Juni eine Mannschaft stehen haben werden, die top vorbereitet ist für die Euro."
Flick: "Es liegt nicht am System"
Man könnte aber auch sagen: Ein Jahr - das ist genug Zeit, den eingeschlagenen Kurs noch zu korrigieren, im konsequentesten Fall mit einem neuen Trainer. Öffentlich sagt dies noch kaum jemand. Das könnte sich aber ändern, wenn das DFB-Team in den anstehenden Tests gegen Polen und am Dienstag in Gelsenkirchen gegen Kolumbien (20.45 Uhr) erneut enttäuscht.
Das jüngste Testspiel gegen die Ukraine (3:3) war Nahrung für die Zweifler. Flicks überraschend aufgebotene Dreierkette wackelte, Kritik an der Taktik ließ er aber nur bedingt gelten. "Es hat definitiv nichts damit zu tun, in welcher Formation wir spielen, nichts mit System. Letztendlich sind es individuelle Fehler. Die Basics müssen einfach da sein: Wie gehe ich in einen Zweikampf, wer sichert ab, wie behaupte ich unter Druck den Ball."
Emre Can wird gegen Polen spielen
Nicht erwähnt hat er, dass ein schlecht passendes System individuelle Fehler begünstigt. Aber das scheint er zumindest aktuell noch in Kauf zu nehmen, um testen zu können. "Wir haben im März gesagt, dass wir ein bisschen ausprobieren wollen, haben den Juni dafür reserviert", sagte Flick. Von September an, wenn Deutschland gegen Japan (09.09.) und Frankreich (12.09.) spielt, werde der Fokus dagegen auf Stabilität liegen.
Beim Spiel in Polen will Flick mehr Kampf sehen, mehr Körperlichkeit. Der Dortmunder Emre Can bringt genau die genannten Tugenden mit und erhielt vom Bundestrainer eine Startgarantie im defensiven Mittelfeld. "Er tut der Mannschaft gut", sagte Flick.
Flick vergleicht Kimmich mit Bryant und Jordan
Diesen Nachsatz könnte man als Seitenhieb in Richtung Joshua Kimmich (Bayern München) interpretieren, der eigentlich der Vorkämpfer im zentralen Mittelfeld sein soll und es zuletzt selten war. Doch Kritik an seinem aktuellen Kapitän liegt Flick fern, im Gegenteil. Er verteidigte Kimmich auf der Pressekonferenz am Donnerstag demonstrativ, verglich dessen Siegeswillen mit dem von Basketball-Legenden: "Diese Mentalität haben Kobe Bryant und Michael Jordan gehabt: Ich gebe alles, um das Beste aus mir herauszuholen. Er geht voran und ist damit ein Vorbild."
Auch Kimmich habe das Recht, mal eine schlechte Phase zu haben. Und dann richtete Flick noch einen Appell an die Journalistinnen und Journalisten im Raum: "Wir brauchen bei der EM jeden einzelnen Spieler auf seinem besten Level. Das kann man nur, wenn man auch eine gewisse Unterstützung hat. Ihr könnt gerne mich kritisieren, aber bitte lasst die Spieler draußen."
Ilkay Gündogan noch nicht dabei
Solche Appelle dürften ungeeignet sein, die Medienlandschaft gnädiger zu stimmen. Wichtiger wäre ein überzeugender Auftritt gegen Polen. Dafür wird Flick wohl deutlich umstellen, Thilo Kehrer von Conference-League-Sieger West Ham United ist ein Kandidat für die Abwehr, Jonas Hofmann (Borussia Mönchengladbach) und Benjamin Henrichs (RB Leipzig) könnten die Außenbahnen beleben.
Unterschiedlich ist die Situation für die nachgereisten Champions-League-Finalisten Robin Gosens und Ilkay Gündogan. Gosens (Inter Mailand) sei ein Kandidat für einen Einsatz, sagte Flick, Gündogan (Manchester City) werde dagegen noch pausieren und erst am Dienstag mitmischen. Abgereist sind die angeschlagenen Leipziger Timo Werner (Sprunggelenksbeschwerden) und Lukas Klostermann (Muskelverletzung).
Jamal Musiala in der Startelf
Sicher in die Startelf rücken werden neben Can die aktuelle Nummer eins Marc-Andre ter Stegen (FC Barcelona) und Bayern Münchens Jamal Musiala. Der Edeltechniker soll die Offensive beleben, womöglich an der Seite von Kai Havertz (FC Chelsea), der gegen die Ukraine als Joker Schwung brachte.
Befragt nach der Stimmung im Team berichtete Musiala schon einmal viel Positives, man kenne sich, man lache viel. "Wir müssen jetzt einfach Spiele gewinnen und dann wird alles noch besser sein."