Erkenntnisse aus der USA-Reise Viele Gewinner und einige Baustellen im DFB-Team
Die USA-Reise hat lehrreiche Erkenntnisse und viele Gewinner im DFB-Team hervorgebracht. Dennoch ist die Aufgabenliste von Bundestrainer Julian Nagelsmann lang.
Recht überzeugend mit 3:1 gegen die USA gewonnen und 2:2 gegen engagierte Mexikaner gespielt - das sind die nackten Zahlen, die Deutschlands Fußball-Nationalteam von seiner Testspielreise in den USA mit nach Hause nimmt. Die Ergebnisse und Leistungen waren zumindest so okay, dass sich der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann als Gewinner fühlen darf. Auch einige seiner Spieler kehren gestärkt heim, während andere um ihren Status bangen müssen.
Die wohl wichtigste und meist wiederholte Erkenntnis der Reise ist die Rückkehr des Optimismus. Es war eben auch die Haupt-Aufgabe von Nagelsmann, dem Team und den Fans den Glauben daran zurückzugeben, dass eine erfolgreiche Heim-EM 2024 möglich ist. "Ich nehme ein gutes Gefühl aus dieser Woche mit und habe den festen Glauben, dass wir noch besser werden", sagte Nagelsmann nach dem Remis gegen Mexiko in der Sportschau.
Ein Gerüst zeichnet sich ab
Es waren vor allem die kleinen Dinge, angefangen beim Kader: Dort bekamen die Stürmer unter Nagelsmann erstmals seit langem wieder eine eigene Kategorie, wurden nicht mehr gemeinsam mit dem Mittelfeld genannt. Schließlich hatte Nagelsmann in Niclas Füllkrug und Kevin Behrens gleich zwei klassische Strafraum-Angreifer aufgeboten. Und Füllkrug festigte mit zwei Treffern seine Chancen, auch bei der EM eine wichtige Rolle zu spielen - in elf Länderspielen hat er jetzt neun Mal getroffen.
Nagelsmann verzichtete zumindest im Mittelfeld auf große Rotation, damit sich das Team einspielen kann. Wäre man vor einigen Wochen bei der Frage nach echten Stammspielern höchstens auf zwei, drei Namen gekommen, zeichnet sich nun ein Gerüst ab: Antonio Rüdiger, Ilkay Gündogan, Leroy Sané, Jamal Musiala, Florian Wirtz und womöglich Füllkrug haben anscheinend einen Vorsprung. Der zuletzt erkrankt fehlende Joshua Kimmich kommt noch hinzu.
Wirtz und Musiala die neuen Poldi und Schweini?
Gerade das Duo Wirtz/Musiala gibt dem Team wieder ein Gesicht und hat das Potenzial, die Fans zu begeistern. Lukas Podolski sieht Parallelen zum Duo Poldi/Schweini, den Publikumslieblingen bei der WM 2006: "Sie zeigen eine ähnliche Unbekümmertheit, Schlitzohrigkeit und Spielwitz", sagte er der "Bild".
Nagelsmann setzt auf die beiden Talente, obwohl sie jeweils erst 20 Jahre alt sind und sich beide im zentralen offensiven Mittelfeld am wohlsten fühlen. Wie beim Wählen auf dem Bolzplatz gehe es darum, "die besten Spieler auf dem Platz zu haben", sagte Nagelsmann. "Warum sollten die beiden nicht immer zusammenspielen?"
Pascal Groß unter den Gewinnern
Mutig stellte Nagelsmann auf der Doppel-Sechs auf. Neben Gündogan entschied er sich für Pascal Groß und damit einen zweiten offensiv denkenden Spieler. Und das in Zeiten, in denen nicht nur Bayern Münchens Trainer Thomas Tuchel gerne betont, wie wichtig ein vorrangig defensiv agierender Sechser sei, eine so genannte "Holding Six".
Dass Groß plötzlich eine derart wichtige Rolle spielt, mag auch an mangelnden Alternativen liegen. Emre Can und Robert Andrich könnten die gesuchten Defensivspezialisten sein, sind aber in ihren Klubs nicht immer erste Wahl. Leverkusens Andrich kam bei seiner ersten Länderspielreise keine Minute zum Einsatz, Dortmunds Can war gar nicht erst nominiert. Joshua Kimmich und Leon Goretzka sind starke Alternativen, die aber beide ebenfalls Offensivdrang haben.
Hoffnungsträger Hummels
Die Defensive bleibt die größte Baustelle, vor allem die Viererkette. Der lange verschmähte Mats Hummels ist nun doch wieder Favorit auf einen Platz in der Innenverteidigung. Der Routinier von Borussia Dortmund hat das Zeug, die Abwehrreihe zu dirigieren, gibt auch Nebenmann Rüdiger Sicherheit. Niklas Süle bekam von Nagelsmann die Hausaufgabe mit, sich bei Borussia Dortmund einen Stammplatz zu holen, "das muss sein Anspruch sein".
Hinten rechts hat Süle gegen Mexiko schwer enttäuscht, auch Jonathan Tah gilt dort eher als Plan B. Hinten links konnten Robin Gosens und David Raum nicht vollends überzeugen, auf den Außenverteidigerpositionen bleibt also die Suche nach den Ideallösungen. Möglicherweise rücken diese nach, wenn Benjamin Henrichs (links) und Kimmich (rechts) wieder fit sind.
"Können uns sicher noch steigern"
Immerhin sind es jetzt wieder Details, die den DFB beschäftigen, nicht mehr Grundsatzfragen. Die eingeforderten Basics seien wieder zu sehen gewesen, sagte Sportdirektor Rudi Völler schon nach dem USA-Spiel, "die Leidenschaft und die Gier".
Spieler wie Füllkrug schwärmten vom Bundestrainer und der Bundestrainer von seinem Team. "Ich nehme auf jeden Fall mit, dass ich noch nie eine Mannschaft trainiert habe, die so schnell die Dinge umsetzt, die man ihr mitgibt", sagte Nagelsmann der Sportschau.
Im November gegen die Türkei und Österreich
Vier Wochen dauert es, bis das Team erneut zusammenkommt für die Testspiele gegen die Türkei (18. November) und Österreich (21. November). Beide sind ähnliche Kaliber wie die USA und Mexiko und bereits für die EM qualifiziert. Die Vorfreude auf die Spiele und auch das Turnier scheinen jetzt deutlich größer zu sein als noch vor einigen Wochen - auch das ist eine wichtige Erkenntnis der USA-Reise.