2:3-Niederlage gegen Belgien Fragen um Kapitän Kimmich
Beim 2:3 gegen Belgien irrlichtert die deutsche Nationalmannschaft durch die erste halbe Stunde. Erst Emre Can stabilisiert die Lage. Das wäre vor allem die Aufgabe von Kapitän Joshua Kimmich gewesen, über dessen Rolle wieder diskutiert werden darf.
Hansi Flick kann ziemlich gnadenlos sein. Den 19 Jahre alten Florian Wirtz als früheren Kölner und heutigen Leverkusener bei einem Spiel in Köln nach einer guten halben Stunde vom Platz zu nehmen, war schon hart vom Bundestrainer.
Es gab Argumente dafür, durchaus, denn Wirtz war schwach, er verlor schnell den Ball und viele Pässe landeten beim Gegner. Außerdem stellte Flick seine Grundordnung mit den Wechseln um, die so früh im Spiel auch den angeschlagenen Leon Goretzka betrafen.
Umstellungen greifen
Aus einem 4-2-2-2 wurde ein 4-3-3. Emre Can, neu im Spiel, rückte ins zentrale Mittelfeld, Joshua Kimmich daneben mit offensiverer Orientierung, genau wie Debütant Felix Nmecha, der für Goretzka gekommen war. Das war stimmig und sorgte für eine deutliche Verbesserung im Spiel der deutschen Mannschaft.
Die Härte, die der Bundestrainer gegen Wirtz zeigte, war nicht im Entferntesten zu erkennen, als es um einen Spieler ging, der neun Jahre älter, mit Titeln dekoriert und seit neuestem mit der Kapitänsbinde ausgestattet ist.
Joshua Kimmich, der stets den Anspruch hat, voranzugehen, ging in der ersten halben Stunde nicht nur mit unter, sondern er ermöglichte den Belgiern durch undisziplinierte Spielweise auch Tore und weitere Chancen. Im Raum vor der Viererkette, in dem er gebraucht worden wäre, um eine konfuse Elf zu stabilisieren, fehlte der Münchner.
Can übernimmt Rolle des Leaders
Aber Kritik an Kimmich gab es nur sehr versteckt, als Lob für Emre Can. "Er war der aggressive Leader, den wir in diesem Spiel gebraucht haben. Er hat die Mannschaft wachgerüttelt", sagte Flick über den Dortmunder, der die Tugenden einbrachte, von denen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) seit dem vorzeitigen Aus bei der Weltmeisterschaft in Katar wieder häufig zu hören ist.
Der Bundestrainer gab dann am Dienstagabend (28.03.2023) auch zu, dass eine wichtige Erkenntnis der ersten Länderspiele des Jahres ist, dass "ein klarer Sechser" zwingend benötigt wird, der vor allem defensiv denkt.
Traditionsbaustelle Rechtsverteidiger-Position
Damit, und auch durch die erneut dezente Leistung, war sie dann wieder eröffnet, die Diskussion, ob Kimmich nicht vielleicht doch besser auf der Position des rechten Verteidigers aufgehoben wäre.
Diese Traditionsbaustelle in der deutschen Mannschaft wurde gegen Belgien wieder aufgemacht, nachdem Marius Wolf, der gegen die deutlich schwächeren Peruaner eine sehr ordentliche Leistung gezeigt hatte, die Grenzen aufgezeigt bekam.
Das galt auch für die beiden Innenverteidiger Matthias Ginter und Thilo Kehrer, die sich von Flick sogar noch anhören müssten, dass sie lauter hätten sein und "besser coachen" müssen, um "die Sechser zurückzuholen". Spätestens da wurde auffällig, wie sehr Joshua Kimmich von seinem früheren Vereinstrainer - zumindest öffentlich - in Watte gepackt wird.
Kimmich im Formtief
Die deutsche Nationalmannschaft wird Kimmich benötigen, um bei der Europameisterschaft 2024 erfolgreich zu sein. Daran besteht kaum ein Zweifel. Aber so, wie er in den vergangenen Monaten im Nationaltrikot auflief, ist er keine Säule des Teams, sondern auch nur ein weiterer Spieler, der auf der Suche nach guter Form ist, die auch mal ein ganzes Spiel trägt.
"Wenn man die erste halbe Stunde abzieht, haben wir ein gutes Spiel gemacht", sagte Emre Can. Für diese These sind auch Argumente zu finden, aber nach den desolaten 30 Anfangsminuten hätte der Rückstand eben auch schon deutlich höher als 0:2 sein müssen.
Deutschland wird im Juni weitersuchen nach dem geeigneten Personal, der geeigneten Grundformation und der geeigneten Taktik. Der "klare Sechser" scheint in Can vorläufig gefunden zu sein, beim Kapitän gibt es hingegen Fragen.