Wirtz und Raum enttäuschen Einzelkritik: Can und Nmecha stemmen sich gegen das Chaos
In der ersten Hälfte entgeht die deutsche Nationalmannschaft nur knapp einem Debakel. Erst nach der Einwechslung von Emre Can und Lukas Nmecha wendet sich das Blatt. Die Einzelkritik.
Tor - Marc-André ter Stegen: Konnte an den Gegentreffern von Carrasco und Lukaku in Hälfte eins überhaupt nichts machen. Ter Stegen tat, was er konnte, um Schlimmeres zu verhindern. Gewohnt ruhig und sicher mit dem Ball am Fuß. Wurde von seinen Vorderleuten mehrfach sträflich alleingelassen. In Hälfte zwei dann kaum mehr gefordert, bis zum dritten belgischen Tor, das er ebenfalls nicht verhindern konnte. Ein undankbares Spiel für einen Torhüter.
Abwehr - David Raum: Spielte eine gruselige erste Hälfte. Der linke Verteidiger wirkte in der Defensive häufig orientierungslos, seine sonst so gefürchteten Flanken blieben an den gegnerischen Verteidigern hängen oder landeten sogar hinter dem gegnerischen Tor. Für Entlastung über seine Seite konnte er auch so gut wie nie sorgen. In der zweiten Hälfte aktiver, aber weiterhin ohne große Wirkung. Auswechslung in der 68. Minute.
Abwehr - Matthias Ginter: Wirkte mit Blick auf die belgische Offensive völlig überfordert. Gewann so gut wie keine Zweikämpfe, stand eigentlich nie richtig und war alles andere als ein Sicherheitsfaktor. Ginter wirkte eine halbe Stunde lang, als sei er gedanklich nicht im Kölner Stadion angekommen. Stabilisierte sich in der Folge zumindest - wie das gesamte Team.
Abwehr - Thilo Kehrer: Der deutsche Innenverteidiger prallte an Belgiens Angreifer Lukaku mehrfach ab wie an einer Gummiwand, kam auch sonst zu oft einen Schritt zu spät. Im zweiten Durchgang dann robuster und zielstrebiger im Zweikampf, ließ sich nicht mehr so einfach abschütteln. Werbung in eigener Sache machte er allerdings nicht.
Abwehr - Marius Wolf: Versuchte von Beginn an seine rechte Außenverteidigerposition offensiv zu interpretieren. Kam dann vor dem 0:1 fast zwangsläufig gegen Carrasco zu spät und ließ sich viel zu einfach ausspielen. Auch im Anschluss agierte Wolf mit haarsträubenden defensiven Schwächen im Zweikampf und im Stellungsspiel (jeweils gegen Lukebakio). Im zweiten Durchgang gegen nachlassende Belgier zwar deutlich solider, aber gegen starke Angreifer nicht auf der richtigen Position.
Mittelfeld - Joshua Kimmich: Wo ist der aggressive Anführer geblieben, der Stratege in der zentralen Defensive, den Kimmich einst so eindrucksvoll gab? Vor dem 0:2 verlor Kimmich fast ohne körperliche Gegenwehr den Ball im Mittelfeld. Auch sonst kamen keine Impulse, keine Pässe. Wirkte völlig desorientiert, seine Pässe in die Tiefe kamen so gut wie nie an. Er versuchte mehr im zweiten Durchgang, aber Kimmich wirkt insgesamt überspielt.
Mittelfeld - Leon Goretzka: Sehr bemüht, aber dem 28-Jährigen fehlen momentan die spielerischen Ideen und die körperliche Frische. Es mangelt ihm nicht am Willen, aber der Mittelfeldspieler ist derzeit ein Schatten vergangener Jahre. Musste nach 32 Minuten mit einer Fußverletzung ausgewechselt werden.
Mittelfeld - Florian Wirtz: Wer nicht genau hingeschaut hatte, dem dürfte gar nicht aufgefallen sein, dass der eigentlich so brillante Techniker auf dem Feld stand. Das Spiel lief vollständig an dem 19 Jahre alten Leverkusener vorbei. Wurde nach 32 Minuten ausgewechselt - seine auffälligste Szene.
Mittelfeld - Serge Gnabry: Zumindest in der Anfangsphase ein kleiner Lichtblick in einem verunsicherten deutschen Team. Versuchte es mit einem Offensiv-Dribbling, half tief in der eigenen Abwehr aus. Aber auch er vermochte es nicht, sich auf Dauer aus das nötige Spielniveau zu hieven. Gegen Ende der zweiten Hälfte kam Gnabry nochmal in Schwung. Kurz vor Schluss traf er nach einem sehenswerten Dribbling zunächst nur den Pfosten, danach verkürzte er auf 2:3.
Angriff - Niclas Füllkrug: Machte erstmals nach 42 Minuten auf sich aufmerksam, als er nach einem Eckball Lukaku an den Arm köpfte und danach dann den berechtigten Elfmeter verwandelte. Bis dahin völlig abgetaucht - allerdings auch mit keinerlei Anspielen und Flanken von seinen Mitspielern versorgt. Auch in Hälfte zwei kaum zu sehen. Kein Spiel für einen echten Mittelstürmer.
Angriff - Timo Werner: Musste sich zunächst wegen der großen Überlegenheit der Belgier immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lassen, trug damit aber wenig zur Verbesserung des deutschen Spiels bei. Bis auf ein "Schüsschen" in der ersten Hälfte war in der Offenive von Werner nichts zu sehen. Versuchte sich in der zweiten Halbzeit mehr zu zeigen, war aber weiterhin glücklos.
Mittelfeld - Emre Can: Übernahm nach seiner Einwechslung (für Goretzka) sofort die Initiative, setzte seinen Körper massiv ein und wehrte sich als so ziemlich einziger DFB-Spieler gegen die spielfreudigen Belgier. Der Dortmunder strahlte damit auf seine Mitspieler aus und bewirkte einen kleinen Stimmungsumschwung im DFB-Team. Can war eine deutliche Bereicherung für das deutsche Spiel.
Mittelfeld - Felix Nmecha: Der Wolfsburger kam wie Can in der 32. Minute ins Spiel (für Wirtz) und versuchte zu retten, was kaum noch möglich erschien. Nmecha warf sich ebenfalls wie der Dortmunder rustikal in die Zweikämpfe und tat das Notwendige, um die deutsche Unterlegenheit und das Chaos so gut es ging zu verringern. Brachte in der zweiten Hälfte auch eine spielerische Linie in die Partie - und machte damit auf sich aufmerksam.
Abwehr - Christian Günter: Ab der 68. Minute im Spiel, kam beim 1:3 gegen Kevin De Bruyne zu spät. Ansonsten kaum auffällig.
Engewechselt ab 80. Minute: Josha Vagnoman (für Wolf), Mërgim Berisha (für Füllkrug), Kevin Schade (für Werner).