DFB-Pokalfinale der Frauen Alexandra Popp wettert über die "Wachablösung"
Wolfsburgs Kapitänin Alexandra Popp wehrt sich vehement dagegen, dass sich die Machtverhältnisse im deutschen Frauenfußball gerade verschieben.
An der Wand der nach der Reporterlegende Kurt Brumme benannten Galerie hängen signierte Boxhandschuhe von Muhammad Ali. Ein Ankündigungsplakat mit der Originalunterschrift von Boris Becker findet sich im Sport- und Olympiamuseum ebenso hinter Glas wie ein leicht verblasstes Trikot der brasilianischen Nationalelf von der WM 1974.
Dass in diesem Raum nun auch Giulia Gwinn und Alexandra Popp über das anstehende Pokalfinale der Frauen in Köln am 9. Mai sprachen, hat insofern gepasst, weil auch die Verteidigerin vom FC Bayern und die Stürmerin vom VfL Wolfsburg etwas Geschichtsträchtiges vorhaben.
Kölner Stadion erneut ausverkauft
Selten war die Konstellation so prickelnd wie in dieser Auflage, wenn wie seit 2010 üblich in Köln der Cupsieger gekürt wird. Bayern führt vier Spieltage vor Schluss die Frauen-Bundesliga mit sieben Punkten Vorsprung an und könnte erstmals in seiner Historie in der Domstadt das Double gewinnen.
Wolfsburg möchte hier hingegen den zehnten Pokaltriumph in Folge feiern, 49 Pokalspiele hintereinander hat der VfL gewonnen. Dieser Showdown im Rhein-Energie-Stadion mit einem bunten Fan- und Familienfest auf den Stadionvorwiesen wird das zweite Mal ausverkauft sein.
Die Schauspielerin Liz Baffoe schwärmte von der "zweitwichtigsten Veranstaltung nach dem Rosenmontagszug". Was zwar ein bisschen übertrieben klang, aber die Jahr für Jahr von den Wolfsburgerinnen gefeierte Kabinenparty fügt sich in dieses im Rheinland besonders beliebte Bild des Frohsinns.
Enthemmte Feier im Ermüdungsbecken seit neun Jahren
Die fürs Wochenende wieder einsatzbereite VfL-Anführerin Popp erzählte mit einem breiten Grinsen, wie Jahr für Jahr nach dem Finale "alle ins Ermüdungsbecken reinhüpfen, mit einem Bierchen in der Hand – und der Pokal auch noch mitschwimmt".
Gwinn konnte nur betreten berichten, "jedes Jahr an Wolfsburg gescheitert zu sein". Früher mit Freiburg, danach mit den Bayern. Aber nun wolle man, "ein Finale, das sich Fußball-Deutschland gewünscht hat", endlich gewinnen.
Ihr Vereinspräsident Herbert Hainer hat unlängst erst die Wachablösung ausgerufen. Und weil der Konkurrent aus Niedersachsen das Wettbieten um die besten Spielerinnen immer öfter verliert - Nationalspielerin Lena Oberdorf geht im Sommer von Wolfsburg nach München, Dominique Janssen verlängert ihren Vertrag nicht, Torjägerin Ewa Pajor will für einen Wechsel nach Barcelona ihre Ausstiegsklausel aktivieren – wird diese Begrifflichkeit gerade auch abseits von München bemüht.
Popp: "Das ist absolut respektlos"
Popp allerdings schwoll bei der Nachfrage der Sportschau am Stehtisch sofort die Zornesader – und sie lederte los, als habe ihr jemand hinterrücks in die Achillesferse getreten. "Ich hasse dieses Wort, ehrlich!"
Und weiter wetterte die 137-fache Nationalspielerin: "Wachablösung? Das ist absolut respektlos." Nur weil ein, zwei Jahre mal die Münchnerinnen vorne seien, könne davon noch keine Rede sein: "Eine Wachablösung ist es für mich erst, wenn du über Jahre konstant Titel holst."
Ihr Arbeitgeber sei eigentlich das Aushängeschild im deutschen Frauenfußball; in München werde "wahnsinnige Arbeit" geleistet, sagte die 33-Jährige, "aber es muss erst einmal über mehrere Jahre geliefert werden, bevor wir über so ein Wort sprechen". Erst vor wenigen Wochen haben die Bayern indes mit dem 4:0 in Wolfsburg eine Machtdemonstration hingelegt.
Bayern seit 35 Liga-Spielen unbesiegt
Nationalmannschaftskollegin Gwinn wollte das brisante Thema nicht noch mit Sticheleien befeuern. "Ich würde aktuell nicht von einer Wachablösung sprechen. Wir tun ganz gut daran, im Hier und Jetzt zu leben", sagte die 24-Jährige.
"Wir sind natürlich sehr stolz, dass wir Erster in der Liga sind und jetzt die Möglichkeit haben, im Pokalfinale nach einem weiteren Titel zu greifen." Saisonübergreifend ist ihr Team seit 35 Liga-Partien unbesiegt und hat diese Spielzeit erst sechs Gegentore kassiert.
Was ist das Erfolgsgeheimnis auf dem Bayern-Campus? "Wir haben super Verpflichtungen getätigt, uns als Mannschaft gefunden und sind auch abseits des Platzes eine Riesengemeinschaft", erklärte Gwinn, die bei den jüngsten Siegen der Nationalelf in der EM-Qualifikation gegen Österreich (3:2) und Island (3:1) für die verletzte Popp die Kapitänsbinde trug.
Alexandra Popp könnte im Sommer im DFB-Dress aufhören
Die Wolfsburgerin war mit der Entscheidung völlig fein, sie habe Gwinn das voll und ganz zugetraut. "Ich war selbst gespannt, wie Horst Hrubesch entscheidet."
Erneut deutete die Torjägerin an, dass mit den Olympischen Spielen in diesem Sommer im DFB-Dress Schluss sein könnte, nachdem ihre Vereinsgefährtin Svenja Huth bereits zurückgetreten ist. "Es ist auch bei mir ein Thema, wie es weitergeht." Mittlerweile rechnen selbst im Verband viele mit ihrem Rücktritt, bevor Christian Wück dann als neuer Bundestrainer übernimmt.
Gwinn würde ab Sommer wieder die Binde tragen
Die von zwei Kreuzbandrissen genesene Gwinn würde danach die Führungsrolle gewiss nicht ablehnen ("ich habe die letzten Jahre viel dazugelernt"). Nur war sie am Donnerstag so klug genug, mit der zuvor arg gereizten Amtsinhaberin keinen unnötigen Machtkampf anzuzetteln.
Einen solchen hat es zuletzt rund um die WM 2010 bei den Männern zwischen Philipp Lahm mit Michael Ballack gegeben.