Frauen-Bundesliga Wo bleiben die Klubs aus dem Osten?
Seit Jahren dominieren Wolfsburg und Bayern die Frauen-Bundesliga, doch was ist eigentlich mit den Klubs aus Ostdeutschland? Diese sind nicht nur deutlich in der Unterzahl, sondern haben auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen.
Fast drei Jahrzehnte war Turbine nicht aus der Frauen-Bundesliga wegzudenken, dann geschah das Undenkbare: Im Mai 2023 musste der Klub aus Potsdam nach einer katastrophalen Saison den Weg in die zweite Bundesliga antreten. Seitdem kämpft der ehemalige deutsche Meister sowie Champions-League-Sieger um den direkten Wiederaufstieg in Deutschlands höchste Spielklasse.
Doch Potsdam galt nicht nur einst als Aushängeschild des deutschen Frauenfußballs, für den größten Teil seiner 29 Bundesliga-Jahre war der Verein, welcher Nationalspielerinnen wie Nadine Angerer, Ariane Hingst oder Tabea Kemme hervorbrachte, der einzige Verein aus Ostdeutschland in der Frauen-Bundesliga.
Kaum Ostklubs in Deutschlands höchsten Ligen
Nach Potsdams Abstieg übernimmt nun RB Leipzig diese Rolle. Die Sachsen bestreiten ihre erste Saison überhaupt in der Frauen-Bundesliga, gegründet wurde das Team erst vor knapp acht Jahren. Während von den zwölf Bundesliga-Mannschaften also auch in dieser Saison nur eine aus Ostdeutschland stammt, sind es in der zweiten Bundesliga immerhin zwei: Neben Potsdam ist das der FC Carl Zeiss Jena, welcher ebenfalls auf eine längere Bundesliga-Geschichte zurückblicken kann. Beide Teams befinden sich zehn Spieltage vor Schluss in direkter Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen.
26 Teams spielen insgesamt in den beiden höchsten Frauenligen Deutschlands, mit Turbine, Jena sowie Leipzig sind demnach nur je ein Klub aus Brandenburg, Thüringen und Sachsen dabei. Doch blickt man zurück, waren es je kaum mehr. Seit der Gründung der Frauen-Bundesliga 1990 schafften lediglich sechs Vereine aus den neuen Bundesländern den Sprung nach ganz oben. Neben den bereits Erwähnten waren dies Lok Leipzig 2011 sowie in den 1990er Jahren Erzgebirge Aue und die BSG Post Rostock.
Frauenfußball nicht verboten, aber kaum gefördert
Anders als in der Bundesrepublik war Frauenfußball in der ehemaligen DDR nicht verboten, gefördert wurde dieser aber dennoch nicht. Das lag daran, dass Frauenfußball damals nicht zu den olympischen Sportarten gehörte und deshalb keine prestigeträchtigen Medaillen zu erwarten waren. Trotzdem wurde ab 1979 eine Art Meisterschaft ausgespielt, die sogenannte Bestenermittlung.
Rekordmeister war schon damals Turbine Potsdam. Ein Nationalteam der Frauen wurde dagegen erst kurz vor der Wende gegründet, sodass die ehemalige DDR nur auf ein Länderspiel zurückblicken kann, welches auch noch verloren ging. Nach dem Wegfall der Mauer qualifizierten sich sodann mit Jena und Aue zwei ostdeutsche Vereine für die damals noch junge Frauen-Bundesliga.
Ohne Geld geht auch im Frauenfußball nichts
Der Umbruch hatte seine Folgen – das galt für die Frauen- und Männerklubs gleichermaßen. Die Neustrukturierung des Vereinssports war eine Herausforderung, hinzu kamen wirtschaftliche Probleme. Das wirke bis heute nach, äußerte sich Viola Odebrecht gegenüber der Sportschau. "Nach der Wende waren einige Vereine und die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland erschöpft und stark geschwächt. Dieser Rückstand ist vielerorts bis heute spürbar und befindet sich noch immer im Aufbau", so die ehemalige Potsdamer Spielerin und heutige sportliche Leiterin von RB Leipzig.
Sportchefin bei RB Leipzig: Viola Odebrecht.
Besonders das Thema Finanzierung sei ein großes Problem. Das gelte allgemein für den Frauenfußball, aber auch speziell für die Klubs im Osten. "Die Bereitschaft zum Sponsoring ist in Deutschland sehr unterschiedlich", stellt Turbine-Präsident Karsten Ritter-Lang im Gespräch mit der Sportschau fest. "Es gibt Bundesländer, in denen machen das große Firmen. Und dann gibt es eben Bundesländer, wo die großen Firmen nichts tun. Dazu gehört Brandenburg auch ganz klar. Um es salopp zu sagen: Wenn die Kohle fehlt, passiert auch nichts im Frauenfußball."
Abhängigkeit von den Männerklubs
Während Potsdam, ein reiner Frauenklub, also hauptsächlich von kleinen und mittleren Sponsoren unterstützt wird, hat RB Leipzig wie mittlerweile alle erfolgreichen Teams im Frauenfußball einen starken Männerverein im Rücken. Doch was starke Klubs angeht, ist auch der Männerfußball in den neuen Bundesländern schlecht aufgestellt. Einzig Leipzig und Union Berlin halten die Fahne hoch, der Rest kämpft ums Überleben.
Tor für RB Leipzig, Torjubel nach dem 1:0, Torschützin Vanessa Fudalla 10, Leipzig.
Doch um ganz oben mitspielen zu können, brauche es professionelle Strukturen. So böten RB und Union Berlin, das in dieser Saison den Sprung in die zweite Bundesliga der Frauen anstrebt, ihren Spielerinnen das Optimum - auch weil diese in der Männer-Bundesliga spielen würden, ist Elfie Wutke vom Nordostdeutschen Fußballverband überzeugt. "Spielen die Männerteams eine gute und solide Rolle in der Männer-Bundesliga, ist auch im Frauenbereich viel Positives zu erwarten und zu erhoffen", zieht die Vorsitzende des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball ihr Fazit.
Einen starken Männerklub hinter sich zu haben, ist die eine Möglichkeit. Wie es auch anders gehen kann, zeigt dagegen Viktoria Berlin. Dort fand sich eine Reihe von prominenten Investorinnen, die den Verein bis 2027 aus der Regionalliga in die Bundesliga führen wollen. Eins bleibt aber: Es braucht Geld.
Die Talente gehen woanders hin
Ein gewisser Erfolg ist natürlich auch für die Nachwuchsarbeit in den jeweiligen Regionen wichtig. Generell sei Wutke der Meinung, dass in Sachen Talentförderung eine gute Arbeit durch die Vereine geleistet werde. Aber auch sie beobachte eine Abwanderung der besten Talente.
"Natürlich schauen die talentiertesten Spielerinnen mit ihren Eltern auch, wo es die besten Entwicklungsmöglichkeiten sowie sportlichen Perspektiven im Frauenbereich gibt. In dieser Hinsicht haben wir extremen Nachholbedarf", so die Funktionärin. Als Verband selbst versuche man, durch gewisse Zulassungsvoraussetzungen höhere Anforderungen an die Regionalligisten zu stellen, um somit professionellere Strukturen zu schaffen.
Für mehr Nachwuchs muss Erfolg her
Gegen die Abwanderung von Talenten will Turbine Potsdam ankämpfen, das sich als Ausbildungsverein versteht und neben dem Spielbetrieb noch als eine vom DFB zertifizierte Mädchenfußballschule fungiert. Dafür müsse aber die Profimannschaft erfolgreich sein. "Ein gewisser Erfolg übt natürlich auch eine Strahlkraft für die Sportschule aus, wo ja die jungen Spielerinnen entwickelt werden sollen, die später in den Profikader aufrücken und möglicherweise auch mal in der Nationalmannschaft spielen werden", so Turbine-Präsident Ritter-Lang. Auch hier sei wieder das Geld ein leidiges Thema, denn nur mithilfe einer guten Finanzierung könne man die besten Spielerinnen halten und langfristig erfolgreich sein.
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 16.08.2023
RB Leipzig versteht sich ebenfalls als Anlaufstelle für den Nachwuchs in der Region. "Wir müssen weiterhin versuchen, junge Frauen und Mädels vom Fußball zu überzeugen und vom Sport zu begeistern. Der geringer werdende Nachwuchs ist aber ein sportartübergreifendes Problem, das ganz Deutschland betrifft", gibt Viola Odebrecht zu Bedenken. Wenn Ende Mai alles gut läuft, könnte sich jedoch der Osten Deutschlands in der nächsten Saison zum ersten Mal seit langer Zeit über drei Bundesliga-Vereine freuen.