FIFA WM 2022 Ghana mit "Gottes Segen" gegen Uruguay und "die Hand des Teufels"
Bei der WM 2010 in Südafrika schied Ghana in einem dramatischen Viertelfinale gegen Uruguay aus, auch wegen eines Handspiels von Luis Suárez. Zwölf Jahre später fordert selbst Ghanas Präsident eine Revanche.
Es gibt zwei Erzählungen dieses Abends in Johannesburg: die des heldenhaften Luis Suárez und die des teuflischen.
Die Heldengeschichte geht so: Im WM-Viertelfinale 2010 zwischen Uruguay und Ghana steht es 1:1. Die Schlusssekunden der Verlängerung laufen, Ghana bekommt einen Freistoß zugesprochen. Suárez, der beste Torjäger in Uruguays Fußballgeschichte, eilt zurück in den eigenen Strafraum, um sein Land vor dem Ausscheiden zu bewahren. Vielleicht hat es Suárez seiner Intuition als Stürmer zu verdanken, dass er wenige Sekunden später ausgerechnet da steht, wo Ghanas Spieler hinzielen. Zwei Mal klärt er auf der Linie, erst mit dem linken Schienbein, dann - er hat erst gar nicht versucht, das zu verbergen - mit der flachen Hand.
Uruguays Suárez und die "Hand Gottes"
Ghana bekommt Elfmeter, Suárez sieht für seine Parade Rot. Ghana schießt den Strafstoß an die Latte, Suárez feiert am Spielfeldrand. Und sieht dann, wie sein Team im anschließenden Elfmeterschießen gewinnt und ins Halbfinale einzieht. Mitspieler tragen ihn nach diesem Triumph auf ihren Schultern über den Platz, bewundern ihn für seinen Siegeswillen. Suárez – der Held, der sich in den Dienst einer ganzen Nation stellt, egal, was ihm droht. Und der schließlich in Anlehnung an Diego Maradonas Handtor 1986 sagt: "Die Hand Gottes gehört jetzt mir."
Uruguays Luis Suárez spielt den Ball im Spiel gegen Ghana bei der WM 2010 mit der Hand.
Ghana stand bei der WM 2010 vor einem historischen Erfolg
Die zweite Erzählung dieses Abends meint es weniger gut mit dem inzwischen 35-Jährigen: Suárez, der Betrüger von Johannesburg, Ghanas Staatsfeind Nummer eins, ein "Bad Boy", der den Fairplay-Gedanken mit Füßen tritt - oder ihn, um im Bild zu bleiben, demonstrativ mit der flachen Hand zerschlägt. Ghanas Asamoah Gyan, der den Elfmeter in der Schlusssekunde verschossen hatte, weinte nach dem Spiel bitterlich.
Nelson Mandela persönlich empfing die "Black Stars" nach dem Ausscheiden, um ihnen Trost und Zuversicht zu spenden. Sie hätten die erste afrikanische Mannschaft sein können, die es bis ins Halbfinale einer WM schafft. Im Weg war nur eine Hand, "die Hand des Teufels", wie die südafrikanische Zeitung "Sunday Times" schrieb.
Ehemaliger Nationalspieler Ibrahim Ayew: "Ganz Afrika hasst ihn"
Zwölf Jahre sind vergangen, aber vergessen ist diese Szene nicht. Bereits vor der WM in Katar hatte sich Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo zu Wort gemeldet: Lange habe man auf diese Revanche gewartet, sagte er. Dieses Mal würde die Hand von Suárez Uruguay nicht gegen die "Black Stars" retten. "Sie werden untergehen!"
Der frühere Nationalspieler Ibrahim Ayew, der die Situation damals als Ersatzspieler beobachtet hatte, sagte gegenüber "The Athletic": "Ganz Ghana hasst ihn und ganz Afrika hasst ihn. Wir wollen uns rächen." Auch Fans hatten sich so geäußert.
Ghanas Trainer Otto Addo spricht von einem normalen Spiel
Rache? Hass?
Ghanas Trainer Otto Addo will davon vor dem letzten Spiel in der Gruppe H (02.12.2022, 16 Uhr MEZ) nichts wissen. Es sei ein normales Aufeinandertreffen. Was 2010 passiert sei, sei sehr traurig, aber nicht mehr zu ändern. "Ich bin keine Person, die nach Rache sucht, und als starker Gläubiger, wenn Sie nicht nach Rache für diese Dinge suchen, erhalten Sie manchmal mehr Segen von Gott", sagte Addo.
Ghana hat alles in der eigenen Hand. Mit drei Punkten aus zwei Spielen könnte ein Unentschieden gegen Uruguay reichen, um ins Achtelfinale zu kommen, je nachdem, wie Südkorea gegen Portugal spielt. Ein Sieg Ghanas würde das sichere Weiterkommen bedeuten. Den Druck habe Uruguay. "Uruguay muss gewinnen. Es gibt für sie einfach keine andere Option, als anzugreifen. Das ist eine Chance für uns, denn es werden sich Lücken ergeben", sagte Addo.
Ghana glaubt an das Erreichen des Achtelfinales.
Uruguay steht vor dem letzten WM-Gruppenspiel unter Druck
Uruguay hingegen, für einige vor dieser WM ein Geheimfavorit, steht nach der Niederlage gegen Portugal und dem Unentschieden gegen Südkorea vor dem Aus. Das letzte Mal, als die Mannschaft die Vorrunde nicht überstanden hatte, war 2002. Trainer Diego Alonso sagte: "Es wird ein Schlüsselspiel, aber es hat nichts mit der WM 2010 zu tun." Wobei einer seiner Sätze dann doch Raum für Interpretation zuließ: "Wir werden alle Waffen nutzen, die wir haben."
Suárez will sich nicht entschuldigen
Luis Suárez ist in diesem Turnier noch nicht besonders in Erscheinung getreten. Gegen Portugal wurde er nur eingewechselt. Ein Tor ist ihm wie der gesamten Mannschaft noch nicht gelungen. Und dennoch steht er im Fokus. Ob er sich entschuldigt habe, wurde er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Ghana gefragt. "Ich habe den Ball mit der Hand gespielt, Ghanas Spieler hat den Elfmeter verschossen - nicht ich. Wenn ich einen Spieler attackiere, ihn verletzte und dann Rot sehe, dann kann man sich vielleicht entschuldigen", sagte er. "Es war nicht mein Fehler, weil ich den Elfmeter nicht verschossen habe."
Manche hielten ihn für den Teufel höchstpersönlich, er hingegen halte es nicht für sinnvoll, sich auf Rache zu konzentrieren. "Das könnte kontraproduktiv sein." Mehr wollte der Mann, der vor diesem Duell in aller Munde ist, nicht sagen. Aus Sicht Ghanas ist zu befürchten, dass er lieber Taten sprechen lassen will.