Die deutschen Nationalspielerinnen Lena Oberdorf (l.) und Jule Brand im Spiel gegen Kolumbien

Bei der WM mit Sohn Leupolz nach Auftaktsieg: "Musste mich kneifen"

Stand: 25.07.2023 17:47 Uhr

Melanie Leupolz hat bei der WM in Australien schon ihr eigenes Märchen geschrieben: Wegen ihrer Schwangerschaft hatte die deutsche Nationalspielerin die EM 2022 in England verpasst, beim Kantersieg gegen Marokko meldete sie sich nun zurück und war überglücklich.

Von Florian Neuhauss aus Melbourne

So ganz glauben konnte es die 29-Jährige auch im Bus zum Stadion noch nicht. "Auf dem Weg musste ich mich selber mal kneifen, dass ich jetzt wirklich wieder bei der Weltmeisterschaft bin, sogar in der Startaufstellung stehe und mein Land repräsentieren darf", sagte Leupolz, die noch nicht mal vor einem Jahr ihren Sohn zur Welt gebracht hat. Mit einem breiten Lächeln fügte sie hinzu: "Das war ein absolut stolzer Moment."

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Am Tag nach dem sehr deutlichen Sieg gegen Marokko (6:0) gratulierte auch ihr Club, der Chelsea FCW. "Ein Kind zur Welt bringen - und dann Deutschland auf der größte Fußball-Bühne repräsentieren. Wir sind so stolz", schrieben die Londonerinnen bei Social Media.

Rasend schnelles Comeback nach Baby-Pause

Auf mehr als 70 Länderspiele hatte es die gebürtige Allgäuerin bis zu ihrer Baby-Pause gebracht. Nur wenige Monate nach der Geburt stand sie bei Chelsea wieder auf dem Trainingsplatz. Dann ging alles rasend schnell: "Ich habe mich im vergangenen Jahr zurückgekämpft in den Profifußball."

Im Frühjahr absolvierte Leupolz bereits wieder die ersten Spiele. In den K.o.-Spielen der Champions League stand sie am Ende genauso wieder in der Anfangsformation der "Blues" wie in den übrigen Wettbewerben - und hatte schließlich auch noch Anteil am Pokalsieg.

Voss-Tecklenburg freut sich über das Kind an Bord

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte keinen Grund, die ehemalige Freiburgerin und Münchnerin nicht mit nach Australien zu nehmen. Auch, dass Leupolz ihren Sohn samt Nanny mit zur WM gebracht hat, ist spätestens seit dem vergangenen Jahr, als Torhüterin Almuth Schult mit ihren Zwillingen in England dabei war, kein Problem mehr.

Zu dritt bewohnen Leupolz und Co. auf dem Hotelgelände in Wyong eines der Apartment-Häuser, wo normalerweise je zwei Spielerinnen zusammenwohnen. In der Freizeit, aber auch bei den Mahlzeiten ist der Kleine dann mit von der Partie.

Er wird hofiert, er wird betüdelt. Ich glaube, manchmal denkt er sich: Was wollen die ganzen Frauen hier von mir?
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

"Er ist neben der Sonne, die vom Himmel scheint, auch unser Sonnenschein", erklärte Voss-Tecklenburg, die während ihrer Karriere als Mutter noch große Widerstände zu bewältigen hatte und oft länger von ihrer Tochter getrennt war.

Mit Blick auf Leupolz' Sohn berichtete sie: "Er wird hofiert, er wird betüdelt. Ich glaube, manchmal denkt er sich: Was wollen die ganzen Frauen hier von mir? Aber es ist ganz toll, es ist richtig entspannt. Sie machen es einfach auch gut. Es ist ein Riesenmehrwert."

Nur eine "Befürchtung" habe sie, sagte die die Bundestrainerin. "Je mehr Kinder bei uns rumspringen, desto mehr Spielerinnen werden den Wunsch haben, Kinder zu kriegen." Ihr Lachen danach verriet allerdings, dass sie sich für jede einzelne Mutter freuen würde.

Oberdorf-Vertreterin mit Licht und Schatten

Leupolz' Turnier-Comeback - bei der WM 2019 stand sie noch auf dem Rasen, in England fehlte sie - hätte allerdings unter normalen Umständen zumindest noch ein bisschen länger auf sich warten lassen. Denn die defensive Mittelfeldspielerin vertrat beim Marokko-Spiel die geschonte Lena Oberdorf, die zuletzt mit Oberschenkel-Problemen zu kämpfen gehabt hatte. Und Leupolz gelang es auch nicht wirklich, Pluspunkte für weitere Einsätze von Beginn an zu sammeln.

Weil die Innenverteidigerinnen Sara Doorsoun und Kathy Hendrich besonders in der ersten Hälfte teilweise große Probleme beim Spielaufbau offenbarten, hätte eine ordnende Hand gutgetan. Aber auch Leupolz unterliefen zu viele Fehler im Passspiel. Wer da wen mit der Unsicherheit angesteckt hatte, sei dahingestellt. Leupolz muss sich jedenfalls angesprochen fühlen bei der Kritik am Spiel der eigenen Mannschaft, die Voss-Tecklenburg bei aller Zufriedenheit mit dem Ergebnis äußerte.

Leupolz schnell mit Gedanken beim Sohn

Für Leupolz überwog nach dem Spiel dennoch das Glücksgefühl nach ihrem Startelf-Comeback in der Nationalmannschaft nach ihrer Pause. "Uns war es total wichtig, gut in das Turnier zu starten, und ich denke, dass wir das getan haben", betonte die erfahrene Spielerin, die in der 64. Minute ausgewechselt worden war. "Wir haben grundsätzlich vieles richtig gemacht und können durchaus zufrieden sein."

Ihre Gedanken waren allerdings auch schnell wieder bei ihrem Sohn, der mit der Nanny in Wyong geblieben war, und freute sich auf das Wiedersehen: "Es ist wunderbar, dass wir das zusammen erleben können. Auch, wenn er sich später nicht mehr erinnern kann. Es ist wunderschön, ihn dabeizuhaben."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 22.07.2023 | 06:40 Uhr