Nach verpasstem EM-Finale Bühl und Popp drehen bei WM wieder auf
Die Frage haben sich viele gestellt: Was wäre für Deutschland im EM-Finale gegen England 2022 möglich gewesen, wenn Alexandra Popp und Klara Bühl dabei gewesen wären? In Australien wollen sie bei der Frauen-WM den Titel (nach-)holen.
Klara Bühl führt den Ball auf der linken Außenbahn ganz eng am Fuß und nimmt dabei anscheinend spielend leicht weiter Tempo auf. An einer Gegenspielerin vorbei. Und an noch einer. Von den Tribünen sind "Ahs" und "Ohs" zu hören. 27.256 Zuschauende beim Spiel Deutschland - Marokko (6:0) in Melbourne sind verzückt, was die 22-Jährige am Ball kann.
Sie selbst hat davon nichts mitbekommen, wie die Münchnerin am Donnerstag (27.07.2023) in Wyong erklärt. "Ich bin sehr im Tunnel, gerade bei den Eins-gegen-eins-Duellen. Wo will ich hin? Was mache ich als Nächstes? Ich will mich nicht ablenken lassen."
Mit dieser Taktik fährt die Münchnerin anscheinend bestens: Auch wenn ihr nicht alles gelingt - mit einer Vorlage (zum 2:0) und einem Tor (das 3:0) hatte Bühl großen Anteil am Sieg. "Ich hatte sehr viele Aktionen, war sehr gut im Spiel. So kann ich der Mannschaft am besten helfen", freute sich Bühl nach dem Auftaktsieg.
Geteiltes Leid beim EM-Endspiel
Geholfen hätte sie ihrem Team am liebsten auch im Endspiel der EM. Doch eine Corona-Infektion vor dem Halbfinale hatte ihr im Sommer des vergangenen Jahres einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da sich im Abschlusstraining auch noch Alexandra Popp verletzt und nach einem letzten Versuch beim Aufwärmen abgewunken hatte, war Deutschland zwei seiner besten Offensivspielerinnen beraubt.
Und seitdem steht die Frage im Raum, was für Deutschland mit Popp und Bühl möglich gewesen wäre, wenn sie schon ohne die beiden im Finale von Wembley den Engländerinnen erst in der Verlängerung unglücklich unterlagen.
Die beiden haben aus ihrer gemeinsamen Misere allerdings kein größeres Thema gemacht: "Wir haben beim nächsten Lehrgang nur kurz darüber geredet, wie wir das verarbeitet haben, wie es uns geht und ob wir damit schon komplett abgeschlossen haben", blickte Bühl, die in ihrem Hotelzimmer in London-Brentford damals für jede Mitspielerin ein Final-Glücksherz gehäkelt hatte, in Australien zurück: "Tiefer darüber gesprochen haben wir aber nicht."
Auch nicht über die Kuriosität, dass ausgerechnet sie beide den ersten Sieg bei der WM eingeleitet haben. Die ersten beiden Tore gegen Marokko erzielte Popp - eines nach Bühl-Ecke. Das EM-Finale haben sie verpasst, Down Under drehen sie wieder auf.
Kreierte mit dem Häkel-Koala "Waru" den WM-Liebling ihrer Mitspielerinnen.
WM-Titel für DFB-Frauen klares Ziel
Das Ziel ist klar - der dritte WM-Titel für Deutschland soll es werden. "Ich persönlich fahre zu einer WM oder grundsätzlich zu einem Turnier, um Titel zu holen. Vor allem wenn ich weiß, dass die Qualität in meiner Mannschaft da ist", sagte Kapitänin Popp.
Die EM im vergangenen Jahr habe "grundsätzlich Aufwind gegeben. Wir haben uns als Team extrem gefunden." Das habe man auch gegen Marokko schon wieder gesehen. "Ich persönlich bin das ganze Jahr über gesund geblieben und kann jetzt hier sein und meiner Mannschaft helfen. Das ist für mich extrem wichtig und gibt mir sehr, sehr viel Kraft", sagte die Bundesliga-Torschützenkönigin. "Ich hoffe, dass das über den Verlauf des Turniers auch so bleibt."
Bühl: In kleinen Schritten zum WM-Titel
Auch für Bühl steht zunächst im Vordergrund, fit zu bleiben. "Mein persönliches Ziel ist es erst mal, über das ganze Turnier zur Verfügung zu stehen und der Mannschaft helfen zu können", sagte die Offensivspielerin, die mit fünf Toren und zehn Vorlagen zum Meistertitel des FC Bayern beigetragen hat. "Das konnte ich letztes Jahr bei der EM ja nicht." Deshalb freue sie sich jetzt umso mehr, bei der WM dabei zu sein und "mit den Mädels wieder um den Titel zu spielen".
Mein persönliches Ziel ist es erst mal, über das ganze Turnier zur Verfügung zu stehen und der Mannschaft helfen zu können.
Das Thema Mannschaftsgeist nimmt sie ernst. "Dieses Team lebt füreinander. Die angeschlagenen Spielerinnen haben wir im Herzen", sagte Bühl nach dem Spiel - und trug dabei das Trikot ihrer in Australien fehlenden Vereinskollegin Giulia Gwinn. Sie selbst kennt "diese Hilflosigkeit, selbst nichts tun zu können". Der Weg ins WM-Finale sei "unglaublich lang und auch schwierig". Sollte es klappen, würde ein Kindheitstraum wahr werden.
Und Popp erklärte: "Wenn ich darüber nachdenke, mich Weltmeisterin nennen zu können, stellen sich mir die Haare hoch. Also dementsprechend wäre das natürlich das Nonplusultra, wenn wir das schaffen."
Gegen Kolumbien noch eine Schippe drauflegen
Die Kapitänin hat gegen Marokko zwar noch Steigerungspotenzial ausgemacht: "Es lief nicht alles optimal. Aber das wäre beim ersten Spiel vielleicht auch zu viel des Guten gewesen. Die Art und Weise, wie wir gespielt und auch die Tore herausgespielt haben, gibt sehr viel Selbstbewusstsein für das nächste Spiel und den Verlauf des Turniers."
Wenn ich darüber nachdenke, mich Weltmeisterin zu nennen, stellen sich mir die Haare hoch, um ehrlich zu sein.
Bühl hatte bei sich vor dem Auftakt noch eine gewisse Nervosität festgestellt. Dass es unmittelbar nach der Pause mit ihrem Tor klappte, hatte sie auch Tipps von den Ersatzspielerinnen zu verdanken. "In der Halbzeit kamen mehrere Spielerinnen zu mir und haben gesagt: 'Geh außen vorbei und schieß halt mit links'", berichtete sie. Beim ersten Angriff zog sie auf links Richtung Grundlinie und flankte. Sie schaltete nicht ab und traf 21 Sekunden nach Wiederanpfiff mit rechts zum 3:0.
Ihr erstes WM-Tor hat Lust auf mehr gemacht: "Der Moment ist unbeschreiblich, wenn der Ball dann wirklich über der Linie ist und man zum Jubeln ausbricht", sagte Bühl und fügte lachend hinzu: "Ich freue mich noch auf ein paar WM-Tore mehr." Und vielleicht verzückt Bühl ja schon am Sonntag gegen Kolumbien wieder die Fans.