Freiburg - HSV im DFB-Pokal Richard Golz im Interview: "Wird ins Elfmeterschießen gehen"
Er schrieb über Rassismus und bezog sich auf Schopenhauer, doch eigentlich war Richard Golz Torwart, erst beim HSV, später in Freiburg. Nun treffen seine Ex-Klubs im DFB-Pokal aufeinander. Zeit für ein Interview mit einem, der beide Vereine gut kennt.
Zwei Tage vor dem Spiel sitzt Richard Golz vor einem Computer in Hamburg. Hinter ihm steht ein Regal mit Büchern. Manchmal verdunkeln Wolken den Himmel, sie werfen Schatten auf die Wand hinter Golz. War ja klar: Bücher im Arbeitszimmer eines Mannes, der sich als Torhüter auch mal auf Arthur Schopenhauer bezog. Der einmal einen Gastbeitrag in einem Buch schrieb, das Thema: Rassismus in deutschen Fußball-Stadien. Und der Himmel über Hamburg, der selten frei von Wolken ist.
Golz, 56, hat für den Hamburger SV und den SC Freiburg 453 Bundesligaspiele absolviert. Natürlich ist er heute kein Torhüter mehr. Aber dem Fußball ist er verbunden geblieben, erst als Torwarttrainer in Hamburg, bei Hertha BSC oder Rumäniens Nationalmannschaft, heute als Beobachter.
Nun, wo seine Ex-Klubs Freiburg und Hamburg am Mittwoch (30.10.2024, ab 18 Uhr im Live-Ticker und in der Radio-Reportage) im DFB-Pokal gegeneinander spielen, soll es deshalb nicht um Schopenhauer gehen, auch nicht um Rassismus. Es soll um Fußball gehen.
Golz über Pokal-Überraschungen: "Hat es oft genug gegeben"
Golz wird das Spiel nicht in seinem Arbeitszimmer in Hamburg verfolgen, er wird im Stadion in Freiburg sein. "Ich prophezeie mal, dass es ins Elfmeterschießen gehen wird", sagt Golz im Sportschau-Interview. Ein ambitionierter Zweitligist wie der HSV könne in einem Spiel einen guten Erstligisten wie Freiburg ärgern, auch besiegen. "Das hat es ja oft genug gegeben."
Für ihn wird diese Reise auch eine in die eigene Vergangenheit. Von Hamburg nach Freiburg, das hat es in seinem Leben schon einmal gegeben. Im Sommer 1998 verließ Golz den HSV und wechselte nach Freiburg. Wenige Monate später spielten die Hamburger beim SC. Es lief die 90. Minute, als es Strafstoß für den HSV gab. Es schoss Hans-Jörg Butt, der Golz beerbt hatte. Bis dahin war Butt in der Bundesliga zweimal vom Elfmeterpunkt angetreten, er hatte immer verwandelt. Diesmal scheiterte er. Er scheiterte an Golz. Das Spiel endete 0:0.
Golz sagt: Schuster als Streich-Nachfolger, das könnte passen
Seitdem haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen beiden Klubs verschoben. Und Golz hat das alles verfolgt: Wie aus dem großen HSV, der oft international spielte, ein Zweitligist wurde. Wie Freiburg sich nicht nur in der Bundesliga etablierte, sondern manchmal sogar international spielt. Er sagt: "Der SC Freiburg hat sich als Topklub etabliert. Er hat eine tolle Entwicklung genommen."
Auch für Golz sieht es so aus, als werde die Entwicklung selbst durch den Weggang von Christian Streich nicht gestoppt. Streich, 59, war zwölfeinhalb Jahre Trainer in Freiburg, im modernen Fußball ist das eine Ewigkeit. Er hat an den kleinen Dingen gearbeitet und an den großen, hat seinen Spielern taktische Dinge erklärt und manchmal auch die Politik. Seit dem Sommer heißt der Trainer beim Sport-Club nicht mehr Streich, den Job hat nun Julian Schuster, 39, ein ehemaliger Freiburger Spieler, ein Streich-Schüler.
Gerade, sagt Golz, sehe es so aus, als funktioniere "das mit Schuster optimal". Unter ihm erinnert der Freiburger Fußball an den unter Streich, nur ist er vielleicht etwas offensiver. Erfolgreich ist er in jedem Fall: im Schnitt 1,88 Punkte pro Bundesligaspiel, Platz fünf. Nur sind drei Monate eben nicht zwölfeinhalb Jahre, das weiß auch Golz. Er sagt: "Irgendwann kommen auch schwierige Situationen, mit denen man umgehen muss. Dann zeigt sich, wie gut das passt."
Torhüter Atubolu - ein Beispiel für den "Freiburger Weg"
Als Golz nach Freiburg wechselte, galt der SC Freiburg vielen als eine Insel im Profifußball, als Studentenverein mit Werten, die über das Sportliche hinausgingen. Einmal sagte Golz: "Vor lauter Philosophieren über Schopenhauer kommen wir gar nicht mehr zum Trainieren." Es war natürlich ein Witz. Trainiert haben sie in Freiburg auch damals schon. Der Trainer Volker Finke ließ zu dieser Zeit eine Lichtschranke anschaffen, um die Geschwindigkeit der Spieler zu messen. Das war beinahe eine Revolution im deutschen Fußball.
Innovativ sind sie in Freiburg noch immer, etwa bei der Ausbildung eigener Spieler, die regelmäßig auch im Profikader auftauchen. Der Torhüter Noah Atubolu ist ein Beispiel dafür. Atubolu, 22, ist in Freiburg geboren und beim SC ausgebildet worden. Heute ist er nicht nur dort die Nummer eins, das ist er auch in Deutschlands U21-Nationalmannschaft.
Atubolu, sagt Golz, stehe für das, was er den "Freiburger Weg" nennt. Dafür, Spieler zu fordern und nachhaltig zu fördern, oft zunächst in der eigenen U23, später auch in der Bundesliga. Spielzeit, sagt Golz, sei "immer das Allerwichtigste", auch für einen Torhüter.
"Alles verändert sich. Auch das Torwartspiel"
Atubolu gehört zu einer Generation von Torhütern, die diese Position anders interpretiert als Golz das früher getan hat. Ein Torhüter ist längst nicht mehr nur der Schlussmann, er ist sehr viel mehr auch im Aufbauspiel gefragt. "Alles verändert sich", sagt Golz, "auch das Torwartspiel."
Verfolgt hat Golz aber natürlich nicht nur den SC Freiburg, auch beim Hamburger SV schaut er genau hin. Dort hat der Trainer Steffen Baumgart vor einiger Zeit die Nummer eins abgeschafft. In der Liga, kündigte Baumgart an, werde meist Daniel Heuer-Fernandes, 31, spielen, im Pokal Matheo Raab, 26. Ein Fan dieser Regelung ist Golz nicht. Für einen Zweitligisten, der nicht 50 oder mehr Spiele bestreiten müsse, sei es eigentlich besser, eine klare Nummer eins zu benennen, sagt Golz. "Weil dann alle eingespielt sind."
Auf einem anderen Niveau, bei Europas Spitzenmannschaften, sei das anders. Dort, glaubt Golz, werde künftig auch auf der Torwartposition rotiert werden. Gerade jetzt, wo mit der Klub-WM noch ein Wettbewerb hinzukommt. Er sagt: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass das in Zukunft so gehändelt wird."
Golz und die Trauer: "Einer muss ja ausscheiden"
In der Gegenwart aber beschäftigt Golz etwas anderes. Er denkt über seine Ex-Klubs nach, über Freiburg und den HSV, und darüber, dass der Traum vom Endspiel für einen Verein platzen wird. Das lässt sich nicht vermeiden. "Ich weiß jetzt schon, dass ich nach dem Spiel traurig sein werde", sagt Golz. "Einer muss ja ausscheiden."