Dortmund-Gegner Atletico Madrid Antoine Griezmann - Unterschiedsspieler und Verwandlungskünstler
Aus dem Kollektiv von Atletico Madrid ragt einer heraus: Der französische Weltmeister Antoine Griezmann ist der wichtigste Spieler beim Gegner von Borussia Dortmund.
Diego Simeone ist keiner, der bei Pressekonferenzen durch erhellende Grundsatzerklärungen auffällt. Durch die Pflichttermine schleppt sich der seit 2011 für Atletico Madrid tätige Trainer eher pflichtschuldig – als ob er sich seinen Tatendrang für die Auftritte an der Seitenlinie aufhebt.
Beim Viertelfinalhinspiel in der Champions League gegen Borussia Dortmund (2:1) war der impulsive Atletico-Coach unter anderem mit BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl aneinandergeraten. Doch für den verbalen Vorlauf des Rückspiels in Dortmund (ab 21 Uhr im Audiostream und Live-Ticker der Sportschau) gab sich Simeone in Dortmund wieder mal handzahm. "Wir werden auf eine Mannschaft treffen, die sehr stark ist. Aber wir werden versuchen, ihnen wehzutun."
Diego Simeone adelt den Franzosen
Es klang nach der bekannten Mischung aus Respekt und Zuversicht, die der 53-Jährige verbreitete: "Ich habe ein gutes Gefühl. Wir werden ein gutes Spiel zeigen und sind in den letzten Wochen extrem gewachsen." Er hat auch keinen Hehl daraus gemacht, wer fürs Erreichen des Halbfinales – es wäre das dritte in seiner Amtszeit – sorgen soll: Antoine Griezmann. Der Unterschiedsspieler in Atletico-Reihen.
"Wir brauchen Griezmann in dieser Form, er ist unser wichtigster Spieler, er hat brutal viel Talent und macht all seine Mitspieler besser", schwärmte Simeone erst wieder am Samstag. Beim 3:1-Sieg gegen den Tabellendritten FC Girona schnürte der französische Weltmeister nämlich einen Doppelpack und steht nun bei 13 Saisontoren. Genauso viele wie Robert Lewandowski vom FC Barcelona, obwohl Griezmann eher eine hängende Spitze gibt und gerne Atletico-Torjäger Alvaro Morata (14 Saisontore) bedient.
Ein besonderes Gespür
Griezmann ist derjenige, der zur Freude des Anhangs im Metropolitana die kreativen Momente einstreut, wenn das Kollektiv ansonsten mit viel Verve gegen den Ball arbeitet. Es sind nicht nur seine Finten, seine Technik und sein Spielverständnis, die den nur 1,76 Meter großen Offensivkönner außergewöhnlich machen. Der 33-Jährige bringt ein besonderes Gespür mit, freie Räume zu erspähen und zu bespielen; er gibt den für Gegner schwer zu greifenden Verbindungsmann zwischen Mittelfeld und Angriff.
Das ist im Verein nicht anders als in der Nationalmannschaft. Es war vor einem Monat für Nationaltrainer Didier Deschamps kaum verwunderlich, dass Frankreichs Auswahl im Freundschaftsspiel gegen Deutschland (0:2) eher enttäuschend auftrat und Superstar Kylian Mbappé fast verloren wirkte. Denn mit dem an einer Knöchelverstauchung leidenden Griezmann fehlte ihm derselbe Schlüsselspieler, den Simeone so schätzt.
Bis zum 23. März hatte er 84 Länderspiele in Folge bestritten
An jenem Freitagabend des 23. März in Lyon riss nebenbei eine erstaunliche Serie. Nach einem Freundschaftsspiel gegen England am 13. Juni 2017, bei dem Griezmann als Reservespieler nicht eingesetzt wurde, hatte er stolze 84 Länderspiele in Folge bestritten und ein halbes Jahrzehnt unter Deschamps durch Beständigkeit geglänzt.
Der Nationaltrainer rotierte zwischendrin immer mal wieder, aber seine Nummer sieben spielte immer. Weil er halt immer für eine Überraschung gut ist. Auch bei den Frisuren. In seiner Allgegenwärtigkeit für die Franzosen lief Griezmann in immer wieder veränderten Haarschnitten auf. Mal kurz und glatt, mal lang und lockig, mal mit Pferdeschwänzchen, mal mit Zöpfchen – und auch mal in rosa gefärbt.
Der beste Mann im WM-Finale 2018
Gleichwohl viel wichtiger war seine fußballerische Verfassung: Beim WM-Titel 2018 in Russland lief Griezmann ebenso zur Hochform auf wie bei der WM 2022 in Katar. Unvergessen, wie er das WM-Finale Frankreich gegen Kroatien (4:2) vor knapp sechs Jahren fast im Alleingang entschied. Mit einem Freistoß, der von Mario Mandzukic per Kopf unglücklich ins eigene Netz verlängert wurde, brachte Griezmann "Les Bleus" zuerst in Führung, verwandelte einen Handelfmeter und leistete dann die Vorarbeit zum dritten Tor von Paul Pogba.
Nicht Mbappé, sondern Griezmann wurde damals in Moskau zum Spieler des Spiels gekürt. Der Einfluss des 127-fachen Nationalspielers (44 Tore) für die "Equipe Tricolore" wird oft unterschätzt. Griezmann, Vater von drei Kindern, benötigt neben dem Vertrauen eines Trainers aber auch eine Position, in der er seine Stärken ausspielen kann. Das gelingt nicht auf dem Flügel, wo er in seiner Zeit beim FC Barcelona meist geparkt wurde, um nicht zu sehr in den Wirkungsbereich eines Lionel Messi einzugreifen.
Rekordtorschütze für die "Rojiblancos"
Stolze 120 Millionen Euro Ablöse hatten die Katalanen 2019 für einen Spieler gezahlt, der nur zwei Jahre später am letzten Tag der Transferperiode nach Madrid zurückkehrte. Der Verein schien einfach besser zu ihm zu passen. Im Januar festigte er seinen Legendenstatus bei Atlético, als er zum Rekordtorschützen des Klubs avancierte.
Im Halbfinale des spanischen Super Cups gegen Real Madrid erzielte er seinen 174. Treffer für die "Rojiblancos" und überflügelte Luis Aragonés an der Spitze der ewigen Torjägerliste von Atlético, wo sein Vertrag noch bis 2026 läuft. Natürlich ist er einer der Topverdiener jenes Klubs, den Diego Simeone seit mehr als einem Jahrzehnt prägt.