Exklusives Sportschau-Interview Schalke-Chef Tillmann - "Wir waren in der Kaderplanung zu mutig"
Der FC Schalke 04 ist vor längerer Zeit in wirtschaftlich und sportlich bedrohliches Fahrwasser geraten. Matthias Tillmann versucht seit Jahresbeginn als Vorstandschef dagegen zu steuern. Im exklusiven Sportschau-Interview spricht der 40-Jährige über die sportliche Ausrichtung, die finanziellen Zwänge, eigene Fehler und mögliche Lösungsansätze.
Die Probleme des FC Schalke 04 sind bekanntlich besonders groß. Den Klub drücken Schulden von rund 163 Millionen Euro, die die Handlungsfähigkeit stark einschränken. Und auch sportlich befindet sich der Ruhrgebietsklub auf einer immensen Talfahrt. Vor fünf Jahren noch in der Champions League aktiv, stehen die Schalker nun auf dem drittletzten Tabellenplatz in der 2. Bundesliga.
Vorstandschef Matthias Tillmann war Anfang des Jahres angetreten, um die Probleme des Klubs anzugehen und den stark angeschlagenen Traditionsklub in bessere Zeiten zu führen. "Auf einer Skala von null bis zwölf, wenn man sagt die Zwölf ist perfekt und bei der Null müssen wir einiges tun, dann sind wir schon eher bei der Null", sagt Tillmann mit Blick auf den Zustand des Klubs beim Beginn seiner Zeit Auf Schalke.
Schwierige Veränderungen
Der gelernte Wirtschaftswissenschaftler, der unter anderem als Finanzvorstand bei einer Reiseplattform gearbeitet hat, allerdings keine Erfahrungen im Profifußball sammeln konnte, erkennt in dem Fußballklub viele Parallelen zu einem Wirtschaftsunternehmen. "Das Kerngeschäft ist natürlich der Profifußball. Die Aufgaben eines CEOs, den in diesem Fall Verein zu führen und ein wirtschaftlich gesundes Fundament zu schaffen, ist relativ ähnlich", sagt Tillmann im Sportschau-Interview.
Um diesen Verein neu zu strukturieren, bedarf es vieler Maßnahmen, die nicht überall auf Gegenliebe treffen. "Veränderung ist immer schwierig", sagt der 40-Jährige, der seit rund 30 Jahren Mitglied im Klub ist.
Tillmann: "Daraus müssen wir lernen"
Es hakt allerdings. Vor allem sportlich drohen die Schalker in die 3. Liga abzusteigen, obwohl sie mit ihrem Budget von rund 20 Millionen Euro im oberen Bereich der 2. Bundesliga rangieren.
"Wir haben ein Budget, damit muss man in der oberen Hälfte mitspielen können", so Tillmann. "Wenn ich da kritisch draufschaue, nicht nur dieses Jahr sondern auch letztes Jahr, dann haben wir unter unserem Budget performt."
Vor allem der vom neuen Kaderplaner Ben Manga zusammengestellte Kader, der die Schalker Idee der Entwicklung von jungen Talenten beinhaltet, die dann teuer weiterverkauft werden sollen, erfüllt die sportlichen Ansprüche nicht. "Man muss sagen, dass wir vielleicht zu mutig bei der Kaderplanung waren, zu viel auf junge Spieler Potenzial und Zukunft gesetzt haben. Daraus werden wir lernen."
Politikum auf Schalke
Um den Prozess der finanziellen Konsolidierung zu beschleunigen, wollen die Schalker eine Förgergenossenschaft gründen, bei der nur Mitglieder und Unternehmen Anteile kaufen können. Der Klub will damit eine Rechtsformveränderung in eine ausgegliederte Kapitalgesellschaft, so wie es schon sehr viele Klubs bereits gemacht haben, verhindern. Die Rendite wird allerdings sehr klein sein. "Wir wollen ein Verein bleiben. Das hat einen Wert", sagt Tillmann.
Aber: Vor allem unterschiedliche und einflussreiche Fan-Gruppen sträuben sich massiv gegen einen solchen Schritt. Ein echtes und wohl nur sehr schwer zu befriedendes und zu lösendes Politikum im Klub.
"Wir müssen ganz klar sagen: Wenn wir es auf diesem Weg nicht schaffen, die Konsolidierung zu beschleunigen, dann muss man andere Optionen auf den Tisch legen. Dann kann das durchaus heißen, dass das in den aktuellen Strukturen nicht möglich ist", so Tillmann. Und damit würde das wohl umstrittenste Thema des Klubs neuen Zündstoff erhalten.
Drohkulisse 3. Liga
Sollten die Schalker die Kurve in dieser Saison nicht mehr kriegen und in die 3. Liga absteigen, wäre das das Worst-Case-Szenario für den Klub. "Dann würde sich einiges ändern. Dann brauchen wir den Leuten nicht erzählen: Dann spielen wir in der 3. Liga Fußball und alles andere bleibt gleich, das wird nicht so sein."