
Sieg gegen Schottland DFB-Frauen erst im Tiefschlaf, dann im Torrausch
Eine Halbzeit lang sieht es für Deutschlands Fußballerinnen gegen Schottland nach einem Fiasko aus - dann schießen sie sich in einen Rausch.
Es sollte vor allem eine Standortbestimmung für die EM werden, Deutschlands Nations-League-Spiel in Wolfsburg gegen Schottland. Das Fazit fällt nach dem 6:1 (0:1) vom Dienstag gemischt aus: Die erste Halbzeit war ernüchternd, die zweite berauschend. Dreifach-Torschützin Selina Cerci (51., 57., 76.) und die eingewechselte Doppelpackerin Giovanna Hoffmann (64., 65.) drehten die Partie, Laura Freigang (67.) erzielte zudem ein Traumtor.
Das Schützenfest innerhalb von 25 Minuten ließ fast vergessen, dass die klaren Außenseiterinnen aus Schottland durch das Tor von Caroline Weir (40.) zur Pause geführt hatten - und das verdient. Durch den Sieg festigte Deutschland die Tabellenführung in der Nations League, Schottland bleibt punktloses Schlusslicht.
"Die Mädels haben mich heute zweimal sprachlos gemacht, einmal in der ersten Halbzeit, einmal in der zweiten Halbzeit", sagte Bundestrainer Christian Wück in der Sportschau: "Wie man so zwei Gesichter zeigen kann mit nahezu der gleichen Truppe, ist schon außergewöhnlich. Das müssen wir einfach in den Griff kriegen, denn so eine Halbzeit darf man sich bei der Europameisterschaft nicht leisten."
Keine echte Chance in der ersten Halbzeit
Die Partie hatte sehr behäbig begonnen, was vor allem an den harmlosen Gastgeberinnen lag. Sie überließen den Schottinnen wie schon im Hinspiel viele Räume und Gelegenheiten, zum Abschluss zu kommen. Schon in der ersten Minute musste sich Torfrau Ann-Katrin Berger bei einem Schuss von Weir richtig strecken.
Die Wechsel von Wück blieben wirkungslos, er setzte im Vergleich zum Hinspiel auf Cerci, Sydney Lohmann und Laura Freigang anstelle von Klara Bühl, Linda Dallmann und Sjoeke Nüsken. Erst nach einer halben Stunde übernahm Deutschland die Kontrolle, kam vor allem über die rechte Seite zu Flanken. Eine echte Torchance kam dabei jedoch nicht heraus.
Drei Fehler vor dem 0:1
In diese bessere Phase fiel dann der Gegentreffer, resultierend aus drei Fehlern. Elisa Senß verlor im Spielaufbau den Ball am Mittelkreis, ermöglichte den Schottinnen so einen Konter. Torfrau Ann-Katrin Berger wehrte dann den Flachschuss von Kirsty Hanson zu kurz ab, das hätte sie besser lösen können. Senß hätte die Situation allerdings noch klären müssen, verlor aber das Gleichgewicht und stocherte am Ball vorbei. Weir musste nur noch einschieben.
Wück nahm Berger in Schutz: "Den ersten Ball hält sie gut. Danach sind wir mit zwei Spielerinnen nicht in der Lage, den Ball zu klären." Das Tor habe die erste Hälfte gut widergespiegelt, sagte Wück: "Wir haben uns überhaupt nicht an das gehalten, was uns stark macht, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Das war ein komplett neues Gesicht, das mir die Mannschaft so noch nicht präsentiert hat. Das darf uns nicht noch einmal passieren."
Schottland hat noch nie gegen Deutschland gewonnen, aber die Pausenführung ging in Ordnung, sodass Wück in der Pause reagierte. Giovanna Hoffmann ersetzte Lea Schüller. Hinzu kam der ohnehin geplante Wechsel Sarai Linda für Franziska Kett, die im Hinspiel debütiert hatte.
Cerci trifft doppelt
Mit etwas Schützenhilfe kam das DFB-Team nach der Pause dann in Schwung. Die gebürtige Hanauerin Sophie Howard, schon im Hinspiel unglückliche Eigentorschützin, spielte einen kapitalen Fehlpass in den Lauf von Hoffmann. Die Leipzigerin umkurvte Torfrau Lee Gibson etwas zu weiträumig und schoss aus spitzem Winkel an den Pfosten.

Giovanna Hoffmann bejubelt ihren Treffer mit Giulia Gwinn
Die anschließende Ecke von Giulia Gwinn brachte den Ausgleich: Cerci übersprang im Fünfmeterraum ihre Gegenspielerinnen schulbuchmäßig, köpfte in den linken Winkel. Nur fünf Minuten später staubte Cerci mit dem Schienbein ab, nachdem Hoffmann an die Latte geköpft hatte - das Spiel war gedreht.
Hoffmann mit Blitz-Doppelplack
Plötzlich lief es, mit selbstbewussterer Körpersprache dominierte Deutschland das Geschehen und traf sehenswert zum 3:1. Sydney Lohmann steckte durch zu Hoffmann, die den Ball geschickt in die rechte Ecke spitzelte. Hoffmann brauchte nur eine Minute bis zum nächsten Tor, dieses Mal nach Pass von Brand und mit etwas Glück, weil ihr Abschluss abgefälscht war.
Ein heißer Kandidat auf das Tor des Monats April war dann das 5:1. Freigang traf nach einer flachen Hereingabe von Freigang mit der Hacke präzise ins rechte Eck - das war eine richtig elegante Bewegung.
Cerci zum Dritten
Deutschland spielte wie im Rausch, blieb aber defensiv anfällig. So hatte Kleinherne Glück, dass ihr Foulspiel an Hanson nicht zu einem Elfmeter führte. In der Offensive aber gelang so gut wie alles. Sjoeke Nüsken spielte mit einer Drehung mehrere Schottinnen aus, über Freigang landete der Ball mit etwas Glück bei Cerci, die aus 15 Metern ihren dritten Treffer erzielte.
"Die zweite Halbzeit war komplett anders, wir waren befreiter, haben einfach gezockt", sagte Cerci.
Nur noch zwei Standortbestimmungen
Bis zum EM-Auftaktspiel gegen Polen am 4. Juli hat Deutschland nun nur noch zwei weitere Spiele im Kalender, die beiden ausstehenden Partien in der Nations League. Am 30. Mai geht's in Bremen gegen die Niederlande wohl um den Gruppensieg, am 3. Juni ist das DFB-Team in Österreich zu Gast.
Vor der Partie gegen Schottland war es in Wolfsburg emotional geworden. Der DFB verabschiedete die langjährigen Nationalspielerinnen Lina Magull und Almuth Schult, die anschließend für die Sportschau als Co-Kommentatorin im Einsatz war. Zudem gab es vor dem Anpfiff eine Gedenkminute für die gestorbene ehemalige Nationalspielerin Doris Fitschen.