DFL-Investor Immer mehr Rufe nach neuer Abstimmung
Immer mehr Klubs aus der Bundesliga und 2. Liga zeigen sich offen für einen neuen Abstimmungsprozess zum möglichen Investoreneinstieg bei der DFL.
Auch der FC Schalke 04 hat sich für eine Neuabstimmung unter allen 36 Profi-Clubs ausgesprochen. "Die Entwicklungen der vergangenen Wochen werfen Fragen auf, die bislang nicht beantwortet werden konnten. Deshalb zeigt sich der FC Schalke 04 offen für eine Neuabstimmung über die Entscheidung zu einer möglichen strategischen Partnerschaft", erklärte der Zweitligist am Samstagabend (17.02.24) in einer Mitteilung. Auch Darmstadt 98 befürwortet in einer Mitteilung von Samstag eine "offene Neuabstimmung".
Generell sei eine geheime Abstimmung "kein Teufelszeug und kein Fehler", hatte Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers am Freitag in einem vom Klub veröffentlichten Interview gesagt.
"Wenn es aber vor allem dieser Punkt ist, an dem sich die Gemüter so reiben, dann haben wir auch kein Problem damit, noch einmal darüber abzustimmen, ob wir das DFL-Präsidium von dem im Dezember erteilten Abschluss-Mandat entbinden wollen - und diese Abstimmung offen, transparent und für jedermann nachvollziehbar zu gestalten", sagte Schippers. Dafür werde sich Gladbach nach intensiven Gesprächen mit seiner Fanszene einsetzen. Gladbach hatte im Dezember nach eigenen Angaben mit "Ja" gestimmt.
Auch St. Pauli spricht sich für neuen Abstimmungsprozess aus
Der 1. FC Köln hatte am Donnerstag angekündigt, einen Antrag zu stellen, "um das DFL-Präsidium vom durch die Mitgliederversammlung erteilten Abschlussmandat zu befreien". Damit solle die Entscheidung an die 36 Klubs zurückfallen.
Das Logo des FC St. Pauli am Millerntor
Auf diesen Vorschlag bezog sich auch der FC St. Pauli. Man habe "lange vor dem 1. FC Köln genau diesen Vorschlag in einer DFL-Präsidiumssitzung in den Umlauf gebracht - und zwar bereits am 19. Dezember 2023", zitiert das Blog "MillernTon" den Zweitligisten. St. Paulis Präsident Oke Göttlich ist Teil des DFL-Präsidiums.
Allerdings gab der Klub zu Bedenken, dass "eine mögliche neue Abstimmung große juristische Interpretationen zulässt, bis hin zu möglichen Haftungsrisiken vor dem Hintergrund einer formal kaum anfechtbaren Abstimmung und einem großen mehrheitlichen Votum der DFL-Mitglieder, den Investorenprozess zu begehen."
St. Pauli: "Es bestehen Glaubwürdigkeitsvorbehalte"
Die Zustimmung für den möglichen Investoreneinstieg erfolgte bei der Mitgliederversammlung der DFL am 11. Dezember 2023 mit der kleinsten nötigen Mehrheit von 24 der 36 Klubs. Martin Kind, Mehrheitsgesellschafter von Hannover 96, stimmte damals möglicherweise mit "Ja" und damit entgegen der Weisung des Muttervereins.
Mehrere Klubs und Fanszenen sehen den Verdacht, dass dadurch gegen die 50+1-Regel verstoßen wurde. Denn das Weisungsrecht durch den Mutterverein ist Kern dieser Regel, sie soll die Entscheidungsgewalt für den Mutterverein sicherstellen. Sankt Pauli teilte laut "MillernTon" mit, dass "bezogen auf die Abstimmung große moralische als auch Glaubwürdigkeitsvorbehalte bestehen".
DFL-Geschäftsführer Merkel kündigt Gespräche mit Klubs an
DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel erneuerte die Bereitschaft zu Gesprächen mit den Fans. Die Bedenken würden ernst genommen und respektiert, sagte Merkel im TV-Sender "Sky". Er kündigte außerdem an, dass man sich in den kommenden Tagen mit den Klubs zusammensetzen wolle, um über eine mögliche Neuabstimmung zu diskutieren, derzeit sei aber noch nicht die Mehrzahl der Vereine dafür. Merkel sagte vor den angekündigten Gesprächen mit den Vereinen auch: "Bis dahin gilt aber, und das ist auch im Präsidium explizit besprochen, dass dieses Mandat erst mal Gültigkeit besitzt und dass wir deswegen auch an dieses Mandat gebunden sind - vorerst." Dieses Mandat könne man nicht einfach ablegen.
Immer mehr Klubs fordern neue Abstimmung
Mittlerweile haben sich Klubvertreter von zahlreichen Vereinen aus der Bundesliga und 2. Bundesliga für eine neue Abstimmung ausgesprochen oder zumindest dafür offen gezeigt. Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, warb dafür. Auch Klubs wie Hansa Rostock und der Karlsruher SC sprachen sich dafür aus - alle drei Klubs hatten eigenen Angaben zufolge mit "Ja" gestimmt. Mit Union Berlin, Eintracht Braunschweig und Hertha BSC sind neben Köln und St. Pauli drei weitere der Klubs dabei, die ihre Ablehnung öffentlich gemacht hatten. Der VfL Osnabrück, der eine Enthaltung angekündigt hatte, sprach sich ebenfalls für eine neue Abstimmung aus.
Einigkeit herrscht in dieser Frage keineswegs. Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann, der auch Mitglied im DFL-Präsidium ist, erteilte einer neuen Abstimmung eine Absage. Auch mehrere andere Klubs sehen das so. "Wir sehen aktuell keinen Anlass, einem demokratischen Votum ein weiteres folgen zu lassen", teilte Borussia Dortmund auf eine Anfrage des Magazins "11 Freunde" mit, das alle 36 Klubs befragte. Dem Bericht zufolge sehen auch Mainz 05, der SC Paderborn, RB Leipzig und der 1. FC Heidenheim keine Notwendigkeit für eine weitere Abstimmung.
"Das DFL-Präsidium hat ein bindendes Abschluss-Mandat erteilt bekommen", teilte die DFL im Namen von Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke mit. "Aber wenn wir das Gefühl haben, dass die Mehrheit das im März nicht mehr will, werden wir unser Votum sicher nicht gegen deren Willen geben. Dann hätten wir eine neue Situation."
Investorenstreit und 50+1 - Deutschlands Profifußball in der Krise
Die Proteste in den Stadien, die Forderungen nach einer neuen Abstimmung durch die Klubs und die Frage eines möglichen Verstoßes gegen 50+1 stürzen den deutschen Profifußball in eine Krise. Das Bundeskartellamt hatte in seiner vorläufigen Einschätzung vom 31. Mai 2021 deutlich gemacht, dass die Grundregel von 50+1 zwar kartellrechtsneutral sei, die Ausnahmenregelung für die Werksklubs aus Wolfsburg und Leverkusen sowie zum damaligen Zeitpunkt Hoffenheim allerdings nicht. Der daraufhin erarbeitete, aber noch nicht endgültig beschlossene Kompromiss bei der Feststellung der Rechtssicherheit für die 50+1-Regel steht nun möglicherweise wieder infrage.
Denn das Bundeskartellamt kündigte angesichts der Lage um die Abstimmung und Hannover 96 in einem Schreiben an die Verfahrensbeteiligten an, "sich mit den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL vertraut zu machen und dann über das weitere Vorgehen zu beraten". Die DFL teilte auf Anfrage unter Bezugnahme auf den vereinbarten Kompromiss mit: "Für eine grundlegende Änderung dieser Beurteilung des Bundeskartellamts gibt es keine Anzeichen."