Das Stadion des 1. FC Heidenheim

Vor dem Saisonstart Bundesliga - "Verzwergung" oder "echte Werte"?

Stand: 17.08.2023 11:53 Uhr

Die Bundesliga-Aufsteiger Heidenheim und Darmstadt werden mit Argwohn betrachtet, was Attraktivität und damit Vermarktung angeht. Kommt es zu einer "Verzwergung" der Liga oder kehren Nachhaltigkeit und "echte Werte" zurück?

Als im Mai der direkte Aufstieg des 1. FC Heidenheim perfekt war, da gratulierte die Spitze der Deutschen Fußball Liga (DFL) artig. "Wir heißen das 57. Bundesliga-Mitglied seit der Premiere in der Saison 1963/64 willkommen", ließ Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke ausrichten. Ob der Verein von der Schwäbischen Alb im Kreis der Elite aber wirklich überall willkommen ist, erscheint fraglich. Aus deren Sicht wird die Vermarktung des Profifußballs durch die fortschreitende "Verzwergung" der Bundesliga nicht leichter. Zumal der zweite Aufsteiger Darmstadt 98 heißt. Absteigen mussten dagegen der FC Schalke 04 und Hertha BSC - zwei Schwergewichte und Zugpferde.

2. Liga: Von allem mehr

In der Bundesliga tummeln sich jetzt eher kleinere Vereine. Zehn aktuelle Klubs waren nie deutscher Meister (Ost und West). In der 2. Bundesliga dagegen sind nur fünf aktuelle Teams ohne Meistertitel. Bei den Landeshauptstädten steht es 7:5 für das Unterhaus. Und in Liga zwei finden sich in dieser Saison mehr Gründungsmitglieder der Bundesliga als eine Klasse darüber - nämlich sieben.

Kritiker sagen, dass die Bundesliga wegen der fehlenden medialen Reichweite von Klubs wie der TSG Hoffenheim, dem FC Augsburg und dem VfL Wolfsburg in Sachen Attraktivität und damit auch in Sachen Geldgewinnung ohnehin schon leide.

Das alles macht die zweite Liga deutlich spannender. Sie bietet wesentlich mehr Überraschungs-Potenzial als das Oberhaus, wo es fast schon ausgeschlossen erscheint, dass der Meister nicht FC Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig heißt.

Fans schauen lieber 2. Liga

Das zeigt sich auch in den Zuschauerzahlen. Bereits in der vergangenen Saison hatten sechs Zweitligisten einen höheren Zuschauerschnitt als sieben Bundesligisten. Durch die Abstiege von Hertha BSC und Schalke 04 dürfte sich die Entwicklung fortsetzen.

So lagen Schalke (61.133) und Hertha (53.670) mit ihrem Zuschauerschnitt in der abgelaufenen Saison auf den Plätzen drei und vier der Bundesliga. In die Stadien der Aufsteiger aus Heidenheim und Darmstadt passen zusammengerechnet gerade einmal 32.650 Besucher.

Das unterhaltsame Eröffnungsspiel zwischen dem Hamburger SV und Schalke 04 (5:3) sahen beim Sender "SAT1" im Schnitt 3,5 Millionen Menschen, was in der Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen einem Marktanteil von starken 16,3 Prozent bedeutete.

Das Duell um den Supercup zwischen Quotengarant Bayern München und RB Leipzig schalteten zuletzt zu Beginn weniger Menschen ein. Erst mit der Einwechslung von Harry Kane zog die Quote nach oben. Selbst international kann die 2. Liga mithalten. Sie kann in dieser Saison mit ihrem Zuschauerschnitt die Ligue 1 in Frankreich überholen. In der Spielzeit 2022/23 hatte man keine 2.000 Zuschauer pro Spiel Rückstand.

Schmidt: "Sportlich verdient"

Heidenheims Trainer Frank Schmidt kann dem Wort "Verzwergung" nur wenig abgewinnen. "Kein Glamour-Faktor, schlecht für die Internationalisierung - wir sind aufgestiegen und haben uns das sportlich verdient", sagte der Coach: "Wer damit ein Problem hat, muss das mit sich selbst ausmachen."

Auch Klub-Chef Holger Sanwald "muss immer schmunzeln". Wie Schmidt ist er schon ewig in Heidenheim, hat den Aufstieg als Stürmer, Abteilungsleiter und schließlich Vorsitzender von der Landesliga an begleitet und vorangetrieben. "Das Ligasystem lebt gerade davon, dass es atmet und immer Platz für Neues entsteht", sagte er.

Sannwald: "Ganz ohne Bling-Bling"

Der FCH sei eben der etwas andere Klub, behauptete er, und biete "in der Glitzerwelt Bundesliga echte Werte, echte Stabilität und wirklich nachhaltige Entscheidungen - ganz ohne Bling-Bling". All den Schalkes, Herthas oder Hamburgs rief Sanwald zu: "Sollen sie doch versuchen, genauso erfolgreich Fußball zu spielen wie wir."

"Die Fußballfans können wieder schimpfen, dass jetzt 'Klein-Darmstadt' kommt. Dafür habe ich null Verständnis. Wir haben es uns verdient. Wir machen hier ehrliche Arbeit", sagte auch "Lilien"-Präsident Rüdiger Fritsch.

Rettig: "Sportliche Leistungsfähigkeit zählt"

Die Liga braucht allerdings genau dieses "Bling-Bling" beim Blick auf ihre wichtigste Einnahmequelle - dem Verkauf der Medienrechte. Bei der Ausschreibung im kommenden Frühjahr würden die Marketingstrategen lieber mit dem Hamburger SV, dem FC Schalke, der Berliner Hertha oder mit Fortuna Düsseldorf werben.

Doch die spielen halt gerade in der 2. Liga. Und das sei dann eben auch zu Recht so, meint der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig. Der sagte: "Für mich ist im Profifußball immer noch die sportliche Leistungsfähigkeit die härteste und wichtigste Währung und nicht das Erheben von Vermarktungspotenzialen. Man hat ja in der vergangenen Saison gesehen, was das dem HSV gegen Heidenheim beim Anpfiff genutzt hat."