Union Berlin gegen VfL Bochum Behrens vs. Hofmann - Durchbruch auf dem zweiten Bildungsweg
Ähnlich wie Simon Terodde galten Kevin Behrens (Union) und Philipp Hofmann (Bochum) lange als gute Stürmer - auf Zweitliganiveau. Mit reichlich Verzögerung sind beide im oberen Regal angekommen.
Wenn's mal wieder länger dauert. Bei Kevin Behrens und Phillip Hofmann sogar mehr als ein Jahrzehnt: Die beiden Mittelstürmer, die am Sonntag (16.04.2023, 17.30 Uhr, Live-Ticker und Audiostream bei sportschau.de) im Spiel zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum aufeinandertreffen, sind jeweils erst auf dem zweiten Bildungsweg zu Torjägern in der höchsten deutschen Spielklasse gereift, Behrens ist 32, Hofmann 30.
Beide sind genau die klassischen Neuner, die in Deutschland lange aus der Mode gekommen waren, ehe Hansi Flick auch erst in dieser Saison den 30 Jahre alten Niclas Füllkrug von Werder Bremen für sich entdeckt hat.
Hofmann war schon bei Hrubesch der Fixpunkt
Besonders bei Hofmann ist der lange Anlauf zu seinen jetzt acht Bundesligatreffern sehr erstaunlich. Er wirkte zwar mit seinen 1,95 Metern immer etwas kantig, hüftsteif wäre vielleicht zu viel des Schlechten. Aber er hat immer schon abgeliefert, vor allem, als die Mittelstürmer-Legende Horst Hrubesch in drei verschiedenen deutschen U-Nationalmannschaften sein Trainer war: Sechs Tore in zehn Partien erzielte Hofmann in der U19, drei bei seinen sechs Auftritten in der U20 und neun in 17 U-21-Länderspielen.
2015 spielte der in der Schalker Jugend ausgebildete Hofmann zuletzt in einem DFB-Trikot, die "Königsblauen" konnten mit ihm auf Profiniveau aber irgendwie nichts anfangen - glaubten sie zumindest. Hofmann wurde zunächst nach Paderborn ausgliehen, dann nach Ingolstadt, dann wurde er für eine geringe Ablöse zum 1. FC Kaiserslautern verkauft. Gerüchte um Interessenten aus der Bundesliga gab es eigentlich in jeder Transferperiode, doch der nächste Wechsel führte ihn zum FC Brentford in die zweite Spielklasse Englands.
Schindzielorz: "Teamplayer mit mentaler Robustheit"
Ein Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück, stand bei der SpVgg Greuther Fürth, Eintracht Braunschweig und beim Karlsruher SC unter Vertrag. In 207 Zweitligapartien war er an 95 Toren direkt beteiligt. Sebastian Schindzielorz holte ihn dann als ersten Neuzugang für die Saison 2022/23 zum VfL Bochum und beschrieb ihn so: "Philipp verfügt über enorme physische Voraussetzungen, viel Erfahrung und ist torgefährlich. Dass er sehr anpassungsfähig ist, hat er auf seinen unterschiedlichen Stationen bewiesen und überall seine Tore erzielt oder vorbereitet. Er ist ein Teamplayer, der aus unserer Sicht die nötigen Fähigkeiten und mentale Robustheit mitbringt, um sich auch in der für ihn neuen Umgebung – und damit meine ich nicht nur den VfL, sondern auch die Bundesliga – durchzusetzen."
Das hat Hofmann auf jeden Fall geschafft, auch weil er mit seiner Art, sich schnörkellos in jeden Zweikampf zu stürzen, genau den Nerv der Bochumer Fans trifft. Das gelang ihm auch schon mit seiner Antrittsrede: "Auf die Rückkehr in den Ruhrpott freue ich mich, ich war ja schon oft im Ruhrstadion zu Gast. 'Bochum' von Grönemeyer im Spieltunnel zu hören sorgt einfach für Gäsehaut. Jetzt geht es darum, auch im zweiten Jahr den Klassenerhalt zu schaffen."
Entdeckung beim SV Sandhausen
Da sind die Bochumer auf einem ordentlichen Weg, vor dem 28. Spieltag stehen sie als 15. einen Punkt über dem Strich. Union Berlin hat mit diesen Tabellenregionen schon länger nichts mehr zu tun, und das liegt seit dieser Saison auch an Kevin Behrens. Diesen Spieler im Alter von damals 30 Jahren aus Sandhausen zu einem europäisch vertreteten Verein zu holen, darauf kommen eigentlich nur Urs Fischer und Oliver Ruhnert, der Trainer und der Manager der "Eisernen".
Kevin Behrens ist wie Hofmann bei einem Bundesligaverein ausgebildet worden, doch wie die Schalker beim jetzigen Bochumer hatte Werder Bremen keine Idee, was man mit ihm anfangen sollte. Aus der Bremer U19 ging es für Behrens tatsächlich zunächst mal in die 3. Mannschaft, die in der Bremenliga aktiv ist, dann ablösefrei zum SV Wilhelmshaven.
Hannover II, Alemannia Aachen, Rot-Weiss Essen
Und es blieb holprig. Die zweite Mannschaft von Hannover 96 war seine nächste Station, es folgten Alemannia Aachen, Rot-Weiss Essen, der 1. FC Saarbrücken und schließlich der SV Sandhausen. Bis vor zwei Jahren hat Behrens bei seinen zahlreichen Wechseln nie mehr als 200.000 Euro Ablöse oder eher Aufwandsentschädigung gekostet, Union Berlin zahlte dann immerhin 900.000 Euro an die Sandhäuser.
Ruhnert und Fischer hatten in Behrens zunächst lange einen guten Joker gesehen, wenn in den Spätphasen der Spiele physische Präsenz im Sturmzentrum helfen soll. Erst am 12. Spieltag in dieser Saison köpfte er beim Last-Minute-2:1 gegen Gladbach sein erstes Tor der laufenden Spielzeit, danach wurde er zu deutlich mehr als einem Backup für Jordan Siebatcheu oder Sven Michel.
Behrens: "Ich hatte Lust, noch etwas zu erreichen"
Zuletzt hat sich Kevin Behrens zu einem richtigen "Lauf" geschossen, traf in Serie gegen Frankfurt, Stuttgart und Dortmund. Über seine bald 15 Jahre Anlauf auf dieses Niveau hat er zuletzt der "MOZ" mal erzählt: "Mein Weg ist ja auch nicht normal, es ist schon verrückt. Ich werde oft von ehemaligen Mitspielern angesprochen, mit denen ich früher in der Regionalliga gespielt habe. Sie erden mich immer wieder."
Dass er sich selbst nach Saarbrücken (72 Torbeteiligungen in 85 Spielen) und Sandhausen (46/98) dann noch Union Berlin zugetraut hat, begründet Behrens so: "Ich versuche immer, alles zu geben und das Maximum herauszuholen. Ich hatte einfach Lust, noch was zu erreichen." Das könnte am Ende dieser Saison sogar die Champions League sein.