Drohende Spaltung der Bundesliga Rummenigge - "16 Klubs haben die zentrale Vermarktung der DFL aufgekündigt"
Karl-Heinz Rummenigge stellt nach seiner Rückkehr in den Aufsichtsrat des FC Bayern die Solidargemeinschaft des deutschen Profifußballs infrage. Es kündigt sich eine Zerreißprobe an.
Karl-Heinz Rummenigge war bereits mit kraftvollen Schritten auf die Bühne geklettert, als der prominenteste Gast beim Sportbusinesskongress Spobis sich am Donnerstagnachmittag bereitwillig zu drängenden Themen im deutschen Profifußball befragen ließ. Das neue Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern überbrachte auf der Düsseldorfer Messe eine Botschaft, die für die Solidargemeinschaft Bundesliga durchaus beunruhigend wirken muss.
"Ich habe mich gefragt seit letztem Dienstag, woher soll das Investment jetzt kommen? 16 Klubs haben letzte Woche die zentrale Vermarktung der DFL aufgekündigt", sagte der 67-Jährige. Die Beschwichtigungen speziell von Zweitligavertretern haben nach dem geplatzten Investorendeal nicht geholfen: Neben Borussia Dortmund stellt auch der Branchenprimus den Ligaverbund mit seinen 36 Klubs öffentlich infrage.
Trennung zwischen erster und zweiter Liga nicht mehr auszuschließen
Eine Trennung zwischen erster und zweiter Liga würde er sich zwar nicht wünschen, könne er aber nicht mehr ausschließen, sagte der langjährige Vorstandsboss der Bayern. "Denn diese Abstimmung war ein Fehdehandschuh, den es früher in dieser Qualität nicht gegeben hat." Das aus seiner Sicht "unsolidarische Verhalten" könne zur Empfehlung in seinen Gremien führen: "Bei der nächsten Ausschreibung sind wir aus dem Kartell raus!" Man müsse sich seit vergangener Woche tatsächlich fragen, wohin man eigentlich steuern wolle.
Leute wie Hans-Joachim Watzke (Dortmund) oder die Interimsbosse Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) oder Oliver Leki (SC Freiburg) hätten sich laut Rummenigge "den Arsch aufgerissen", um "Perspektiven aufzuzeigen, Visionen zu entwickeln". Was bestimmt nicht passieren werde, sei, dass die DFL jetzt einen Kredit aufnehme und ein seriös wirtschaftender Klub wie der FC Bayern in die Komplementärhaftung genommen würde.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit der Liga gefährdet
Aus Sicht des UEFA-Exekutivmitglieds ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Liga ohnehin ernsthaft gefährdet. "Wir sind katastrophal aufgestellt in der Auslandsvermarktung. Wir hatten mal eine Prognose von 850 Millionen Euro – jetzt sind wir bei 160. Das Geld fehlt in jeder Kasse." Für die Anfang 2024 startende Ausschreibung der nationalen Medienrechte für die Jahre 2025 bis 2029 ist Rummenigge ebenfalls skeptisch: "Ich glaube, dass der TV-Markt in Deutschland nicht rosig erscheint. Die Verteilungskämpfe werden zunehmen."
Solche machtvollen Wortmeldungen haben wieder Gewicht, nachdem Rummenigge am Dienstag in den Aufsichtsrat der Bayern aufgenommen wurde, um das Machtvakuum nach dem Kahlschlag auf Vorstandsebene zu füllen. Er habe eigentlich einen Ruhestand genossen und auch eine Distanz zum Business aufgebaut, aber: "Wenn einen die treuen Hundeaugen von Uli Hoeneß anschauen, kann man schwer nein sagen. Meine Frau musste ich etwas beruhigen. Aber sie hat trotzdem Verständnis."
Volles Vertrauen in Dreesen als neuen Bayern-CEO
Seine Aufgabe sei nicht operativ. Hoeneß und er würden sich "ein bisschen einbringen – und dann werden wir uns ein Stück zurückziehen". Dass es überhaupt die beiden Alphatiere wieder richten müssen, wo sie doch ihre Nachfolger ausgesucht, aufgebaut und eingearbeitet hatten, mutet dennoch skurril an. Rummenigge begrüßte nun explizit die Ernennung von Jan-Christian Dreesen zum neuen Boss anstelle von Oliver Kahn.
Der ehemalige Finanzvorstand habe "ein Wunder" vollbracht, in der Corona-Krise keine roten Zahlen zu schreiben: "Dass die Finanzen auf einem so guten Niveau sind, ist sein Verdienst. Daher wird er einen guten Job machen." Er wird mit seinem Netzwerk, seiner Expertise und seinem Einfluss auch helfen, den Kaderumbau voranzutreiben, so lange kein neuer Sportdirektor für den ebenfalls geschassten Hasan Salihamidzic gefunden ist.
Spitze gegen Nagelsmann
Ihm schwebt dabei eine deutschsprachige Lösung vor, wobei Rummenigge keine Kandidaten kommentierte. Und wenn Verstärkungen von Declan Rice (West Ham) oder Dusan Vlahovic (Juventus Turin) bereits gehandelt werden, bei denen die Schallmauer von 100 Millionen Euro Ablöse fallen könnte, gab Rummennige bei der Renovierung des Spielerkaders zu bedenken: "Die Mannschaft ist grundsätzlich gut, sonst wäre sie nicht deutscher Meister geworden. Wir müssen als Klub grundsätzlich zur Ruhe finden." Interessant, dass der Ex-Boss indirekt die Entscheidung für einen jungen Trainer wie Julian Nagelsmann kritisierte. "Ich bin ein Freund von Erfahrung."
Rummenigge ergänzte: "Wir müssen aus dieser Saison gewisse Konsequenzen ziehen, wir sollten aber nicht Hunderte von Millionen in den Transfermarkt blasen." Zumal das Wettrüsten gefährlich sei: "Die Premier League treibt uns in den Wahnsinn. Ich sehe da kein Ende, dass diese Dominanz aus England uns immer weiter vor sich hertreibt." Der Fußball habe grundsätzlich ein Problem: "Wir sind die einzige Industrie der Welt, die Verluste macht. Du arbeitest von morgens bis abends für die Kasse der Berater und Spieler. In diesem Rattenrennen kann die Bundesliga nicht mithalten."
"Leute in Dortmund haben mir leid getan"
Insbesondere in der Champions League könnte man als FC Bayern daher nur konkurrenzfähig sein, wenn man wie bei den Königsklassen-Triumphen 2013 und 2020 schnell wieder eine Einheit werde: "der Vorstand, die Trainer, die Spieler." Die Meisterschaft könnte beim Neustart aus seiner Sicht helfen, weil es immer noch "der ehrlichste Titel" sei.
Dass die Schale zum elften Male nach München ging, habe auch er nicht mehr erwartet. "Wir haben angeboten, wir haben zu viel angeboten." Jede Häme in Richtung des gescheiterten Rivalen verkniff sich der gebürtige Lippstädter und gestand: "Die Leute in Dortmund haben mir leid getan." Vielleicht auch deshalb verabschiedete ihn das Auditorium nach einer Dreiviertelstunde am Rheinufer mit großem Beifall.