Nationaltrainer Petar Šegrt "Einstein" mischt mit Tadschikistan den Asien-Cup auf
Petar Šegrt ist Kroate, in Baden-Württemberg aufgewachsen, und zum Weltenbummler geworden. Aktuell trainiert er Tadschikistan erfolgreich beim Asien-Cup. Der Staat gilt als einer der repressivsten auf der Welt. Šegrt bestätigt das. Aber er mag das Land, und das Land liebt "Einstein".
Acht Mannschaften sind noch dabei, und Baden-Württemberg ist unter den Trainern weiter bestens vertreten. Bei Srečko Katanec ist das etwas weit hergeholt, denn der Slowene wurde in Ljubljana geboren, als die Stadt noch zu Jugoslawien zählte. Eine Saison spielte Katanec in Deutschland, und das ziemlich erfolgreich, 1989 erreichte er mit dem VfB Stuttgart das Finale im UEFA-Pokal. Heute trainiert der 60 Jahre alte Katanec die Nationalmannschaft Usbekistans, mit der er im Viertelfinale des Asien-Cups am Samstag (03.02.2024) auf Gastgeber Katar trifft.
Schon einen Tag früher ist Jürgen Klinsmann als Trainer von Südkorea gefordert. Für ihn geht es gegen Australien. Klinsmann, 59, wurde in Göppingen geboren, spielte für die Stuttgarter Kickers und auch den VfB. Weil er dabei und auch bei der Nationalmannschaft als Spieler und Teamchef sehr erfolgreich war, ist er sogar Träger des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg.
Ein Kroate aus dem Ländle
Petar Šegrt ist im kroatischen Đurđevac geboren, als das noch zu Jugoslawien zählte. Aber er wuchs in Calw in Baden-Württemberg auf, ging dort zur Schule, spielte dort Fußball. Die Klubs seiner aktiven Karriere liegen sämtlich in Baden-Württemberg, der bekannteste ist der SV Waldhof Mannheim. Als Trainer zog es ihn dann aus dem Ländle weg, ins Ruhrgebiet etwa zum MSV Duisburg und dem VfL Bochum, aber immer Jugend oder zweite Reihe.
Die ersten Posten als Cheftrainer nahm Šegrt in Österreich an, aber auch bei kleineren Vereinen. Die erste Stelle bei einem nationalen Verband nahm er in Georgien an. Er blieb sogar, als 2008 der Krieg mit Russland ausbrauch, obwohl ihn seine Freundin gebeten und Jogi Löw ihm geraten hatte, zu gehen.
Petar Šegrt war Nationaltrainer Georgiens, er ging dann erst 2010, zunächst zu einem Klub auf Bali, es folgte ein weiterer in Indonesien, dann einer in Bosnien-Herzegowina. Es folgte eine Anstellung als Nationaltrainer in Afghanistan, dann auf den Malediven. Seit 2022 trainiert Petar Šegrt die Nationalmannschaft Tadschikistans. Er führte sie erstmals zum Asien-Cup und erreichte sofort das Viertelfinale. Darin trifft er am Freitag ab 12.30 Uhr deutscher Zeit auf Jordanien.
Der ewige Präsident hat einen Nachfolger im Blick - seinen Sohn
Der Tag davor ist durchgetaktet mit den üblichen Dingen wie Pressekonferenz und Abschlusstraining, Sitzungen mit der Mannschaft. Morgen steht etwas Außergewöhnliches an, nicht nur das Spiel. Aufgrund des außergewöhnlichen Erfolges wird Emomali Rachmon die Delegation in Katar besuchen.
Rachmon ist Staatspräsident und seit 1992 an der Macht. Er wird "Führer der Nation" genannt und hat mehrfach die Gesetze so ändern lassen, dass er das möglichst lange bleiben kann. Als Nachfolger hat er einen seiner Söhne ausgeguckt. Tadschikistan gilt als einer der repressivsten Staaten. In den meisten Menschenrechts-Indizes liegt die frühere Teilrepublik der Sowjetunion, die an Afghanistan, Usbekistan, Kirgisistan und China grenzt, auf hinteren Plätzen.
"Die einfachen Leute sind frei, alle sehr freundlich"
In einem Interview mit der österreichischen Zeitung "Standard" sagte Šegrt mal auf die Frage, ob er jede Nationalmannschaft trainieren würde, egal wie sie sei: "Nein! Sie können eine Nationalmannschaft vom Politischen nicht mehr trennen."
Wie passt das zu seiner Arbeit mit Tadschikistan?
"Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, dass es da eine Elite gibt, wie in anderen Ländern auch. Es stimmt auch, was über Tadschikistan zu lesen ist. Aber die einfachen Leute sind frei, alle sehr freundlich. Da wird auch nicht über Politik geredet", sagt Šegrt in einem Telefonat mit der Sportschau, am Abend vor dem Spiel.
Er trennt bei jedem Satz scharf zwischen der überwiegenden Mehrheit von etwa 9,5 Millionen Tadschiken, die er und seine Spieler in eine Euphorie versetzt hätten: "Das ist für alle Leute eine Sensation, was wir gerade erreichen."
Das Land Tadschikistan, in dem er auch mal "zwei Monate am Stück" verbringe, bevor es ihn wieder nach Baden-Württemberg in die Heimat ziehe, sei "wunderschön", vor allem weil die Landschaft so "wild" sei. Das erschwere ihm allerdings auch die Arbeit bei der Beobachtung der Spieler. Die Straßen seien in einem schlechten Zustand, eine Bahn gebe es nicht, der Flugverkehr sei auch sehr eingeschränkt.
Scouts aus Deutschland
Elf seiner Spieler seien im Ausland tätig, in Bulgarien, Moldau, Malaysia. Einer verdiene sein Geld im Iran. Der sei so gut, dass er auch in Deutschland bei einem Verein in der unteren Hälfte der Bundesliga spielen könne. Scouts seien viele vor Ort, auch aus Deutschland: "Die üblichen Verdächtigen."
Auf "50:50" beziffert Šegrt die Siegchancen im Viertelfinale, in der WM-Qualifikation habe es zuletzt zu Hause ein 1:1 gegen Jordanien gegeben.
Die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada wird mit 48 Mannschaften ausgetragen. Tadschikistan hat durchaus Chancen. Noch hat der Verband, den ein Sohn des Staatspräsidenten führt, den nach dem Asien-Cup auslaufenden Vertrag mit Šegrt nicht verlängert. "Tadschikistan ist sicher mein erster Ansprechpartner", lacht Šegrt, weil er Floskeln so gar nicht mag.
"Ich musste wieder etwas machen"
Petar Šegrt ist dem Verband dankbar, dass er 2022 den Job bekam. "Ich saß auch wegen Corona zwei Jahre zu Hause. Ich musste wieder etwas machen, musste auch wieder Geld verdienen."
Wer den Namen Petar Šegrt im Internet sucht, stößt dank Wikipedia auf ein Foto, auf dem die meisten Fußballfans vermutlich eher Dragoslav Stepanović erkennen, den ehemaligen Trainer von Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen. "Ja", sagt Petar Šegrt, das habe er schon häufiger gehört.
Petar Šegrt: "In Tadschikistan nennen sie mich 'Einstein'."
Sein aktuelles Aussehen habe ihm aber einen anderen Spitznamen eingebracht: "In Tadschikistan nennen sie mich 'Einstein'."