Jahresrückblick 2022 Die erstaunliche Wandlung des Dennis Schröder
Ohne Job, mit ganz viel Druck auf den Schultern und mit dem Wissen, nicht der Liebling der Fans zu sein - so kam Dennis Schröder zur Basketball-EM. Dort erlebten dann aber alle eine erstaunliche Wandlung. Der Sportschau-Jahresrückblick.
Vor dem Start der Basketball-Europameisterschaft stand es nicht sonderlich gut um Dennis Schröder. Denn zum Heim-Turnier reiste der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ohne Arbeitsvertrag bei einem Klub und damit mit unsicherer Zukunft an.
Seine Karriere in der nordamerikanischen Profiliga NBA war ins Stocken geraten. Seit 2013 spielt der Point Guard in den Staaten. Zunächst machte er sich bei den Atlanta Hawks und den Oklahoma City Thunder einen Namen, im Herbst 2020 wechselte er dann ins Star-Ensemble der Los Angeles Lakers. Der gebürtige Braunschweiger schien ganz oben angekommen zu sein.
Schröder verzockte sich im Vertragspoker
Doch dann verzockte er sich. Ein Angebot, seinen Vertrag bei den Lakers für das Gehalt von 84 Millionen US-Dollar um vier Jahre zu verlängern, schlug er nach Medienberichten aus. Als er dann als sogenannter Free Agent neu verhandeln wollte, war bei den Lakers kein Platz mehr.
Schröder musste einen deutlich schlechter dotierten Einjahresvertrag bei den Boston Celtics hinnehmen, landete aber nach schon einem halben Jahr in Houston. Bei den Rockets legte Schröder teils desaströse Auftritte mit schwachen Werten hin, das Team war am Ende der Saison das schlechteste der Liga.
Oftmals der Sündenbock
Vor der EM wusste man also nicht so recht, was man denn jetzt zu erwarten hatte vom damals 28-jährigen Schröder. Der hatte in den Jahren zuvor stets Großes im Nationaltrikot angekündigt, dann aber nicht geliefert. Nach dem frühen Aus bei der Heim-EM 2015 sowie dem Vorrunden-Debakel bei der WM 2019 in China war Schröder deshalb für viele der Sündenbock.
Ohnehin hatte sich Schröder durch seinen teils egoistischen Spielstil und sein teils arrogantes Auftreten nicht immer Freunde gemacht. Kein Job und jede Menge Erfolgsdruck – so reiste Schröder zur EM.
Erste Medaille seit 17 Jahren
Dort wendete sich für den Spielmacher dann aber einfach alles zum Guten. Schröder führte das deutsche Team zur Bronzemedaille und damit zum ersten Edelmetall seit 17 Jahren. Damit machte Deutschland nach Gold 1993 und Silber 2005 den EM-Medaillensatz komplett.
Für die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert war die EM ein unvergessliches Basketballfest. Das Team zeigte eine starke Vorrunde in Köln, in der es nur gegen Slowenien eine Niederlage gab, und ging als Gruppenzweiter nach Berlin. Dort gab es Siege gegen Montenegro im Achtelfinale und Mitfavorit Griechenland um NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo im Viertelfinale, ehe gegen die Spanier der Traum vom Gold zerplatzte. Im "kleinen Finale" besiegte das Team dann Polen.
Anführer, Chef, Topstar
Immer mittendrin: Dennis Schröder. Er war der Anführer und unumstrittene Chef auf dem Parkett und einer der auffälligsten Akteure des Turniers. Schröder war immer präsent und übernahm die Hauptverantwortung.
Er trug die Bälle nach vorne, leitete Angriffe ein, hatte einen immensen Zug zum Korb, versenkte wichtige Dreier, war nervenstark bei Freiwürfen und war sich auch für die Abwehrarbeit in der Verteidigung nicht zu schade.
Loyaler Rückhalt - ein anderer Dennis Schröder
Auch neben dem Platz lernte Basketball-Deutschland einen anderen Dennis Schröder kennen. Nach Niederlagen stellte er sich vor die Mannschaft und den Trainer und suchte selbstkritisch die Fehler eher bei sich.
Stand er mal nicht auf dem Feld, feuerte er das Team pausenlos von der Bank aus an. "Er ist einer der besten Point Guards weltweit. Er führt uns an und führt uns zu Siegen. Es macht mir Spaß, mit ihm zusammenzuspielen", sagte Mannschaftskollege Maodo Lo über Schröder.
Schröders überraschende Rückkehr zu den Lakers
Das alles blieb auch den Verantwortlichen in der NBA nicht verborgen. Am Tag vor dem "kleinen Finale" gab Schröder seine überraschende Rückkehr zu den Los Angeles Lakers bekannt.
Gegen Polen konnte er deshalb völlig befreit aufspielen und führte das Team als bester Werfer mit 26 Punkten zu Bronze. So war Schröder zurück in der NBA und endlich voll angekommen im Nationalteam und in den Herzen der deutschen Fans.
"Bis ich nicht mehr laufen kann"
Auch in den kommenden Jahren will er für sein Land auflaufen. "Ich spiele jeden Sommer für die Nationalmannschaft, wenn ich fit bin", sagte Schröder: "Die Leute habe ich die vergangenen sechs, sieben Wochen richtig kennengelernt. Ich werde hier so lange bleiben, bis ich nicht mehr laufen kann.