Vierschanzentournee "Die Stimmung ist beschissen" - DSV-Adler am Tiefpunkt
Die deutschen Skispringer steuern bei der Vierschanzentournee auf ein Debakel zu. Die Stimmung im Team ist auf dem Tiefpunkt, der Bundestrainer übt sich in Durchhalte-Parolen.
"Es gibt Tage, die laufen gut, es gibt Tage, die laufen weniger gut - und heute war scheiße." Andreas Wellinger war bedient. Auch beim dritten Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck blieben die deutschen Skispringer weit hinter ihren Erwartungen zurück.
Groß waren die Vorfreude und Hoffnung auf ein positives Abschneiden beim Saisonhöhepunkt. Der ein oder andere hatte vielleicht sogar still und leise auf den ersten deutschen Gesamtsieg seit Sven Hannawalds Triumph vor über 20 Jahren geschielt. Bundestrainer Stefan Horngacher hatte gar angekündigt, "noch nie mit so einer guten Mannschaft zu einer Vierschanzentournee gefahren" zu sein.
DSV-Adler springen hinterher
Umso größer ist die Ernüchterung vor dem die Tournee abschließenden Wettbewerb in Bischofshofen am Freitag. Der Gesamtsieg ist längst weg. Zu dominant tritt das Top-Duo um den Führenden im Gesamtklassement, Halvor Egner Granerud aus Norwegen, und seinen ärgsten Verfolger Dawid Kubacki aus Polen auf.
Doch selbst die Top-Ten-Plätze sind für die DSV-Adler derzeit alles andere als selbstverständlich. Hatten Karl Geiger und Andreas Wellinger bei den ersten beiden Springen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen in Summe noch solide Leistungen abgeliefert, ist die Stimmung nach der Station Innsbruck auf dem Tiefpunkt.
Geigers Quali-Debakel die Spitze des Eisbergs
"Das tut schon sehr weh. Wir sind eigentlich gut in die Tournee gestartet, jetzt aber ziemlich weit zurückgefallen", erklärte Horngacher sichtlich niedergeschlagen. Geiger erlebte schon in der Qualifikation ein bitterböses Erwachen, als er es nicht unter die ersten 50 schaffte. Auch einen Tag später sprangen die Deutschen einmal mehr hinterher.
Wellinger wurde nur 18., Markus Eisenbichler, in zurückliegenden Zeiten immer für einen Podestplatz gut, schaffte es immerhin erstmals bei dieser Tournee in den zweiten Durchgang. Das darf allerdings nicht der Anspruch der deutschen Skispringer sein. "Die Stimmung im Team ist beschissen", brachte der Dreifach-Weltmeister von 2019 die Misere auf den Punkt.
Horngachers Stuhl wackelt (noch) nicht
"Im Moment sind wir nicht da, wo wir sein wollen, aber wir werden sicher nicht die Nerven verlieren", kündigte Horst Hüttel, zuständiger sportlicher Leiter im DSV, an. Vorschnelle Reaktionen - auch mit Blick auf das Amt des Bundestrainers - werde man nicht ziehen.
"Entscheidend wird, was bis zur WM passiert. Die Trainer geben jetzt schon Vollgas", sagte Hüttel, schob allerdings nach: "Ich hoffe sehr, dass den Trainern etwas einfällt, was dann auch wirkt."
Horngacher: "Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken"
In erster Linie ist mentale Aufbauarbeit gefordert. Dass Geiger, Eisenbichler, Wellinger und Co. in der Weltspitze mitspringen können, müssen sie niemandem mehr beweisen. Auch Constantin Schmid (26. in Innsbruck), Pius Paschke (28.) und Stephan Leyhe können an guten Tagen ein Top-15-Ergebnis erreichen.
Doch aktuell ist einfach der Wurm drin. "Das ist eine schwierige Situation, aber wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken", meinte Horngacher. Man sei "definitiv nicht ratlos" und wisse, "an welchen Rädern wir drehen müssen".
Lichtblick Philipp Raimund
Doch wo Schatten ist, ist bekanntermaßen auch immer Licht: Philipp Raimund ist aus deutscher Sicht die Entdeckung bei dieser Vierschanzentournee. Aufgeweckt und mit erfrischender Leichtigkeit springt der 22-Jährige im Konzert der Großen mit.
In der Gesamtwertung belegt er aktuell einen starken 13. Platz., in Innsbruck wurde er als 13. bester Deutscher. "Ich bin ohne große Ziele hergekommen. Dass es so gut läuft, macht es nur noch schöner", strahlte Raimund nach seinem bisher besten Weltcupergebnis.
Tournee droht ohne deutschen Podestplatz zu enden
Seine Leistungen sind allerdings nur ein kleiner Lichtblick im deutschen Team. Vor dem abschließenden Springen in Bischofshofen drohen die DSV-Adler erstmals seit 2016/17, eine Tournee ohne einen Podestplatz bei einem Tagesspringen zu beenden. Umso größer sind die Hoffnungen, dass Geiger wieder zurück zu alter Stärke findet.
"Karl hat schon so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Der lässt sich nicht unterkriegen. Der kommt wieder nach oben - definitiv", ist sich Hornhacher sicher. Es wäre dem Olympia-Dritten von Peking zu wünschen. Ein versöhnlicher Abschluss bei der Vierschanzentournee wäre Balsam für die arg strapazierte deutsche Skisprung-Seele.