Vierschanzentournee Ryoyu Kobayashi holt sich den Goldadler
Es sollte nicht sein: Andreas Wellinger hat den Gesamtsieg bei der 72. Vierschanzentournee verpasst. Beim Abschlussspringen in Bischofshofen am Dreikönigstag (06.01.2024) lag er deutlich hinter Ryoyu Kobayashi, der sich über seinen dritten Goldadler freuen darf.
Schon im ersten Sprung unterstrich Kobayashi mit 137 Metern seine Siegambitionen. Wellinger lag mit 132 Metern sowie schlechteren Haltungsnoten und weniger Windkompensation 14,2 Punkte hinter dem Japaner. Mit dem Rückstand aus der Gesamtwertung waren das etwa 10,5 Meter, die Wellinger im zweiten Durchgang hätte gutmachen müssen. Das schaffte der Olympiasieger von 2018 nicht und wurde wie schon 2017/18 Tournee-Zweiter.
Den Tagessieg auf der Paul-Außerleitner-Schanze verpasste Kobayashi nur hauchzart. Er lag 1,3 Punkte hinter Lokalmatador Stefan Kraft (136,5/140 Meter), der erstmals bei der Vierschanzentournee in seiner Heimat gewinnen konnte und entsprechend emotional jubelte. Anze Lanisek aus Slowenien (134,5/141 m) kam auf Platz drei. Wellinger wurde in der Tagesabrechnung Fünfter.
Wellinger: "Ryoyu hat es am besten gemacht"
Wellinger hatte im Anschluss gemischte Gefühle: "Ich bin ein bisschen hin- und hergerissen. Grundsätzlich bin ich stolz auf das, was ich bei der Tournee gemacht habe. Ich bin in Oberstdorf unglaublich cool reingestartet und habe alle Sprünge saugut abrufen können. Das konnte ich in Garmisch reproduzieren. Und dann witzigerweise auf den Schanzen, wo ich es in der Vergangenheit besser gezeigt habe, nicht ganz umsetzen können."
Auf der anderen Seite verlief der Wettkampf trotz einer deutlichen Steigerung im Vergleich zu den Trainings nicht nach Plan: "Es soll keine Ausrede sein, aber ich bin im ersten Durchgang viel zu langsam gewesen - normalerweise fahre ich Topspeed. Ich bin leider in einer Phase gesprungen, wo der Schneefall zugenommen hat. So war es vom Fahrgefühl nicht so gut. Aber Ryoyu ist unglaublich gut Ski gesprungen, den hätte ich heute vermutlich so oder so nicht geknackt. In Summe muss ich neidlos anerkennen, dass Ryoyu es am besten gemacht hat."
DSV muss 22 Jahre nach Hannawald weiter warten
Kobayashi triumphierte somit zum dritten Mal nach 2018/19 und 2021/22 bei der prestigeträchtigen Wettkampfserie in Deutschland und Österreich. Der Deutsche Skiverband (DSV) muss dagegen weiter auf den ersten Gesamtsieg seit Sven Hannawald vor 22 Jahren warten.
Kobayashi war an diesem Tag einfach nicht zu schlagen, selbst ein kurioses Missgeschick brachte ihn nicht aus der Ruhe. Im ersten Durchgang hatte sich der 27-Jährige ohne seine Sprungski auf den Weg zum Schanzenturm gemacht, die Latten hatte er schlicht im Springerlager vergessen. Er selbst kommentierte seinen Sieg gewohnt nüchtern: "Ich habe einfach das umgesetzt, was ich mir vorgenommen habe. Es war eine gute Performance, die ich zeigen konnte." Wie er den Abend nach seinem Triumph verbringen wird, wusste er kurz nach dem Wettkampf noch nicht, ein bisschen feiern sei aber drin.
Zwei DSV-Adler unter den besten zehn
Neben Wellinger schaffte es auch Pius Paschke unter die besten zehn. Er sprang 129 und 133,5 Meter und reihte sich so auf Rang acht ein. Damit überholte er noch seinen Teamkollegen Karl Geiger, der zwar die gleichen Weiten sprang, aber deutlich bessere Windbedingungen hatte. Er fiel so noch von zehn auf Rang 15 zurück. Einen Platz davor landete Philipp Raimund. Er zeigte einen ordentlichen Wettkampf und konnte seine gute Form mit 126,5 und 134 Metern bestätigen.
Stephan Leyhe verpasste als einziger der fünf deutschen Starter das Finale. Er kam in seinem Sprung nicht richtig auf Höhe und verlor mit 119 Metern sein K.o.-Duell gegen den Polen Dawid Kubacki (125 m). Zudem reichte die Weite nicht, um sich unter den fünf besten Verlieren zu positionieren. Er zog ein durchwachsenes Tourneefazit: "Es war eine Arbeiter-Tournee, wo ich von Sprung zu Sprung versucht habe, mein System zu verbessern. Das ist mir in Garmisch und Innsbruck ganz gut geglückt. Heute wollte ich noch ein, zwei Schippen drauflegen. Das ist in die Hose gegangen."
Lob vom Bundestrainer für "Wellinger-Show" und das Team
Bundestrainer Stefan Horngacher war trotz des verpassten Gesamtsieges "sehr, sehr zufrieden" mit Andreas Wellinger: "Er kann echt stolz sein auf das, was er geleistet hat. Er hat bis zum Schluss eine Wahnsinns-Show abgeliefert. Leider sind die Sprünge heute nicht ganz so gelaufen, wie wir uns das gewünscht hätten."
Aber auch der zweite Platz werde am Abend gebührend gewürdigt: "Wir treffen uns im Hotel und werden einen Plan schmieden, was geht", kündigte Horngacher an. Viel Zeit zum Feiern ist allerdings nicht, schließlich geht es nach einer kurzen Pause gleich wieder auf Reisen. Als nächstes stehen ab 13. Januar die drei Station der "PolSKI-Tour" in Polen auf dem Programm.