Skispringen Engelberg im Zeichen der "Schanzengleichheit"
Zum überhaupt ersten Mal tragen die Skispringerinnen parallel zu den Männern in Engelberg ihre letzten Wettkämpfe vor der Weihnachtspause aus. Von der erhöhten Aufmerksamkeit wollen Katharina Schmid und Co. einmal mehr profitieren. Denn die Unterschiede sind nach wie vor groß.
Ohne Frage hatte sich Katharina Schmid ihren Auftakt in die neue Saison anders vorgestellt. Ausgerechnet in Lillehammer, wo sie sechs ihrer insgesamt 15 Weltcup-Siege im Einzel feiern konnte, reichte es Anfang Dezember sowohl von der Normal-, als auch von der Großschanze nur zu Platz acht. Zu wenig für die Ansprüche der Olympia-Silbermedaillengewinnerin von Peking. "Ein etwas holpriger Start", wusste auch Schmid.
Spätestens nach ihrer märchenhaften WM in Planica mit drei Goldmedaillen ist die 27-jährige Oberstdorferin Mitfavortin auf den Sieg im Gesamtweltcup. Im schweizerischen Engelberg kann sie nun beweisen, dass die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind. Von der Gross-Titlis-Schanze stehen am Freitag (15:30 Uhr im Sportschau-Liveticker) und am Samstag (12:30 Uhr im Sportschau-Liveticker) zwei Wettbewerbe von der Großschanze an, die ihrerseits die steilste Schanze im Skisprung-Weltcup ist.
Frauen-Skispringen hinkt weiter hinterher
Für die Skispringerinnen ist es eine Premiere in doppelter Hinsicht: Erstmals tragen sie parallel zu den Männern in Engelberg ihre letzten Wettkämpfe vor der Weihnachtspause aus. Von der deutlich höheren Aufmerksamkeit, die den Männern zuteil wird, will man profitieren. Denn die Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern sind im Weltcup nach wie vor groß.
Während der Kalender der Männer in diesem Winter 27 Wettbewerbe an 14 verschiedenen Weltcup-Orten umfasst (Vierschanzen-Tournee, Ski-Flug-WM und Raw-Air-Tour ausgenommen), absolvieren die Frauen nur 20 Springen an zehn Weltcup-Stationen. Hinzu kommen die Silvester-Tournee und die Raw-Air-Tour.
Wann kommt die Vierschanzentournee für die Frauen?
Insbesondere die andauernde Hängepartie um eine Vierschanzentournee für die Frauen sorgt für Frust. Diese war eigentlich für diese Saison angedacht, allerdings sperrte sich der Österreichische Verband dagegen, wodurch sich der Traum frühestens im kommenden Winter erfüllen wird.
In diesem Winter wird es erstmals kurz vor dem Jahreswechsel in Garmisch-Partenkirchen und an Neujahr in Oberstdorf eine "halbe" Tournee für die Frauen geben. Danach geht es allerdings mit zwei Wettkämpfen in Villach weiter statt wie bei den Männern in Innsbruck und Bischofshofen.
Schmid: Abgrenzung von Männern "nicht zielführend"
Das ist immerhin ein Anfang, zweifellos werden zahlreiche Fans den Skispringerinnen an den beiden Stationen in Deutschland zujubeln. Es könnten allerdings auch deutlich mehr sein, würden die Wettkämpfe der Männer mit je rund 30.000 Zuschauern zeitgleich stattfinden und automatisch für eine höhere Aufmerksamkeit sorgen. So konkurrieren Männer und Frauen - zugespitzt formuliert - um die Gunst der Zuschauer.
Auch deshalb spricht sich Schmid für eine deutlich stärkere Bindung aus. "Ich finde es nicht zielführend, das Damen-Skispringen so stark von den Herren abzugrenzen", betont sie auf dem Instagram-Kanal des DSV. "Es wäre gut, wenn wir mehr Wettkämpfe an denselben Austragungsorten hätten."
Nur fünf gemeinsame Weltcups in diesem Winter
Der Internationale Skiverband FIS hat(te) allerdings andere Pläne. Während im vergangenen Jahr der Weltcup-Auftakt in Wisla noch gemeinsam bestritten wurde, sprangen die Männer in dieser Saison alleine in Ruka. Die Frauen stiegen erst eine Woche später in Lillehammer ein.
Insgesamt springen Frauen und Männer in diesem Winter fünfmal gemeinsam: Bei den Weltcups in Lillehammer, Engelberg, Willingen und Lahti sowie zum Saisonabschluss bei der Raw Air in Norwegen. In der vergangenen Saison waren es inklusive der Weltmeisterschaften noch sieben gemeinsame Stationen.
Vorurteile blockieren nachhaltige Entwicklung
Nicht nur daran lässt sich ablesen, dass das Thema Gleichstellung im Skispringen weiter jede Menge Luft nach oben hat. Allein die Tatsachen, dass es erst seit 2011 einen Weltcup für Frauen gibt und Skispringen für Frauen erst 2014 in Sotschi olympisch wurde, zeigen, wie lange Vorurteile über körperliche Unterschiede und weniger spannende Wettkämpfe den Frauen die nötige Aufmerksamkeit und Projektionsfläche für eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung ihrer Sportart entzogen haben.
Vor 25 Jahren noch als "Sonderattraktion" im Skispringen betitelt, konnten die Frauen in puncto Gleichtstellung in der jüngeren Vergangenheit aber auch Erfolge erzielen. Im März dieses Jahres durften die 15 besten Springerinnen im Weltcup erstmals Skifliegen. Und siehe da: Die Slowenin Ema Klinec lag bei ihrem Weltrekord auf 226 Meter nur etwas weniger als 25 Meter hinter der Bestmarke des Österreichers Stefan Kraft.
Andere Sportarten sind voraus
Im Kampf um die "Schanzengleichheit" bleiben gemeinsame Wettbewerbe laut Schmid weiter die Lösung. So wie es im Biathlon längst Alltag ist, dass Frauen und Männer ihre Rennen an ein und demselben Weltcup-Standort austragen, würden auch die Skispringerinnen von der deutlich erhöhten medialen Aufmerksamkeit und mehr Sponsoren profitieren - insbesondere, da sich das Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Nationen in den vergangenen Jahren nachweislich angeglichen hat.
Bis es so weit ist, werden Schmid und Co. versuchen, sportliche Leistungen sprechen zu lassen. Dann dürfte auch der "holprige Start" in die Saison schnell der Vergangenheit angehören.