Vor der Ironman-WM auf Hawaii Anne Haug und Laura Philipp - mit den Göttern durch die Hölle
Er ist Spektakel und Mythos: der Ironman auf Hawaii. Am Samstag ist es wieder soweit, dann ermitteln die Frauen ihre Weltmeisterin über die Triathlon-Langdistanz. Zwei Deutsche haben gute Chancen.
Am Abend vor dem großen Rennen wird sich Anne Haug wieder Zettel und Stift schnappen, um ein paar Dinge zu notieren, die sie am nächsten Morgen auf keinen Fall vergessen möchte. Dinge wie "Trinkflaschen auffüllen" oder "Haferflocken essen". Was sich auf den ersten Blick recht simpel anhört, ist für Haug von großer Bedeutung. Es gibt ihr das Gefühl von Sicherheit an einem Tag, an dem ansonsten nicht viel planbar ist. Es ist ihr Weg der Perfektion in einem Wettbewerb, der Perfektion eigentlich ausschließt.
Zu viel passiert in den über acht Sunden eines Ironman. Schließlich sind 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und hintendrauf noch ein kompletter Marathon zu absolvieren (am 14.10. ab 18.15 Uhr im Livestream auf sportschau.de). Die Athletinnen schreiten durch die Wellentäler ihrer Gedanken, ihrer Körper, sie kämpfen mit den knallharten Bedingungen – vor allem in den Tropen auf Hawaii. Um hier zu gewinnen, sagt deshalb Haug, "müssen dir die Hawaii-Götter gnädig sein".
Haug baut auf Laufstärke
Und Haug weiß, wovon sie spricht. 2019 hat sie sich hier schon einmal zur Königin von Kona gekürt, bei den vergangenen vier Weltmeisterschaften stand die 40-Jährige immer auf dem Podium. Auch diesmal ist Haug wieder eine der ersten Sieganwärterinnen. Wie immer bei ihr, wird es am Ende auf den Marathon ankommen. Auf der Laufstrecke ist Haug die Beste unter den Besten. Selbst bei großem Rückstand nach den ersten beiden Disziplinen darf man sie nicht abschreiben.
Für die Wiederholung des Erfolgs von 2019 braucht es die perfekte Vorbereitung, erst in ihrer Trainingsheimat Lanzarote, dann in Hawaii. Es ist sieben Uhr morgens, Anne Haug hat in Kona ein kleines Schwimmbecken gefunden, in dem sie in der Rennwoche nochmal ein paar Einheiten trainieren kann. Haug muss sich beeilen, um acht Uhr geht hier der Aqua-Fitness-Kurs mit zehn rüstigen Rentnerinnen ins Wasser. Jeden Tag. Dagegen ist selbst eine Weltmeisterin machtlos. "Kann man nicht ändern", sagt Haug. Schwimmbrille auf. Rein ins Becken. Perfekt, um im Bild zu bleiben, ist das natürlich nicht. Aber Triathletinnen sind Widrigkeiten eben gewohnt.
Philipp will nichts dem Zufall überlassen
Ortswechsel. Raus aus der kleinen Innenstadt Konas, den Vulkanhang hoch. Überall Palmen, Blumen, ein kleiner Dschungel. Hier oben, mit perfektem Blick auf die Stadt und den blauen Pazifik, hat Laura Philipp zur Pressekonferenz geladen. Die 36-Jährige ist nach Haug die zweite Deutsche, die am Samstag zum Favoritinnenkreis gehört.
Auch hier ist Perfektion ein Thema. Philipp, zweimal Vierte auf Hawaii, ist schon seit drei Wochen hier. Hat sich auf der Nachbarinsel Maui ans Klima gewöhnt, den Jetlag überwunden, ständig die Körperkerntemperatur im Blick behalten. Bloß nichts dem Zufall überlassen. Der schlägt schon noch früh genug zu. Wie im vergangenen Jahr, als Philipp auf dem Rad eine fünfminütige Zeitstrafe kassierte – wegen angeblichem Windschattenfahrens. Videoaufnahmen davon gibt’s keine, die Strafe höchst umstritten, das Podium damit futsch. "Daran hatte ich noch lange zu knabbern", sagt Philipp.
Philipp will endlich aufs Podium – und mehr
Diesmal soll es mit einer WM-Medaille endlich klappen, doch die Konkurrenz ist groß, bis zu sieben Frauen kommen für den Sieg in Frage, für das Podium sogar noch mehr. Alles scheint möglich bei einer WM, die zum ersten Mal ganz alleine den Frauen gehört. Weil sich der Veranstalter ein Rotationsprinzip der WM-Orte ausgedacht hat, waren die Männer vor vier Wochen schon in Nizza dran, den Mythos Hawaii erleben in diesem Jahr ausschließlich die Frauen.
Ein Mythos vor allem deshalb, weil niemand, der an den Start geht weiß, was der Tag so bringt. Das Schwimmen im Pazifik kann biestig sein, Wellen können sich meterhoch auftürmen. Beim Radfahren durch die Lavawüste drohen böige Winde, die so stark sind, dass schon manche Amateursportlerin absteigen musste. Und dann der Marathon, bei brütender Hitze und extremer Luftfeuchtigkeit. "Im Paradies", sagt Philipp, "musst du durch die Hölle gehen." Perfektion gibt es dabei nicht. Es sei denn, die Götter von Hawaii wollen es so.