
Vorwürfe im Turnen DTB bekräftigt Reformwillen: "Menschliches Wohl steht über allem"
Alles war bereitet für die große Show der Turnstars in der Cottbuser Lausitzarena, doch erst einmal mussten sich die Bosse des Deutschen Turner-Bundes (DTB) unangenehmen Fragen stellen.
Im Missbrauchsskandal, der den Verband seit Wochen erschüttert, bekräftigten Präsident Alfons Hölzl und Co. den Willen zur Reform. Die Botschaft: Wir hören zu und handeln. So sei es "sonnenklar", sagte Hölzl bei einer Medienrunde am Rande des Weltcups in der Lausitz, "dass keine Vorwürfe unter den Teppich gekehrt werden."
Gleichzeitig betonte der 56-Jährige: "Wir sind fest davon überzeugt, dass alle im Verband die gleiche Gesinnung haben müssen: Und zwar dass das menschliche Wohl über allem steht."
Alfons Hölzl: "Oft ein schmaler Grat"
Hölzl war aber auch um Grautöne in der Debatte bemüht. Man befinde sich "nicht im Freizeitsport", und im Leistungssport sähen sich Athleten durchaus mit "Grenzerfahrungen" konfrontiert. Es sei in der Abwägung oft "ein schmaler Grat", so Hölzl, weshalb sich "einfache Antworten verbieten". Probleme wie der Fall der Ex-Turnerin Tabea Alt entstünden dann, wenn es im Verhältnis zwischen Trainer und Sportlerin "ein Machtgefälle gibt".
DTB-Vorstand über Fortschritte und Reformbemühungen
Thomas Gutekunst, Vorstand Sport im DTB, war bemüht, die Fortschritte in den Reformbemühungen hervorzuheben, seitdem der Verband 2021 den Kultur-und Strukturprozess "Leistung mit Respekt" gestartet hat.
Er räumte aber auch ein, dass es ein langer Weg werden könnte. "Wir haben viel angestoßen, das ist mir wichtig zu betonen. Gleichzeitig ist es so, dass wir in vielen Stellen in einem Prozess sind. Ein gesamter Kulturwandel ist sicher etwas, das zwei, drei Jahre dauert."
Missbrauchsvorwürfe in Stuttgart und Mannheim
Das deutsche Kunstturnen wird seit Wochen erschüttert, mehrere, zumeist ehemalige Spitzenathletinnen haben vor allem am Stützpunkt in Stuttgart Missstände angeprangert, die Rede war von "körperlichem und mentalem Missbrauch". Der DTB stellte daraufhin zwei Übungsleiter frei. Zuletzt berichtete mit Elisabeth Seitz auch die nationale Rekordmeisterin über ihre Erlebnisse am Bundesstützpunkt in Mannheim.
Kritik an Anwaltskanzlei Rettenmaier
Mit der Untersuchung der Vorwürfe ist die Frankfurter Anwaltskanzlei Rettenmaier beauftragt, anschließend soll eine Aufarbeitung durch einen unabhängigen Expertenrat erfolgen.
Zuletzt hatte es Kritik von ehemaligen Spitzenathletinnen an der Auswahl der Kanzlei gegeben. Gegenüber SWR Sport zweifeln die Unterzeichnerinnen an der Unabhängigkeit der geplanten Untersuchung.
Die Kanzlei Rettenmaier war bereits vor vier Jahren mit der Untersuchung der Missstände am Stützpunkt in Chemnitz beauftragt worden. Laut den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen habe sich bereits damals gezeigt, dass eine durch den DTB in Auftrag gegebene Überprüfung nicht unabhängig sein könne, da die Ergebnisse von den Eigeninteressen des DTB beeinflusst sein könnten. Der Kritik, sagte Hölzl am Freitag, könne er "ehrlich gesagt nichts abgewinnen." Er habe "hohes Vertrauen" in die Kanzlei.