Fußball-Bundesliga Union Berlins Transfersommer in der Analyse: Ende gut, alles gut
Der (Transfer-)Sommer endete für Union Berlin am Freitag hektisch. Wenige Stunden vor der Deadline gab es noch einmal einige Bewegung im Kader. Der neue Manager Horst Heldt konnte so zwei seiner Aufgaben gerade noch rechtzeitig erfüllen. Von Till Oppermann
Trotz des Sieges gegen den FC St. Pauli war Rani Khedira am Freitagabend nicht zum Feiern zumute. "Es ist eine Katastrophe", schimpfte der Vizekapitän des 1. FC Union Berlin am Mikrofon des übertragenden Senders DAZN.
Es war nicht das Spiel, sondern der Last-Minute-Abgang von Robin Gosens, der den sonst so sachlichen Mittelfeldspieler sichtlich mitgenommen hatte. Noch beim gemeinsamen Mittagessen vor der Partie gegen die Hamburger waren alle bei Union davon ausgegangen, dass der Ex-Nationalspieler auch in dieser Saison für die Eisernen spielt. Zwei Stunden später verabschiedete sich der Flügelverteidiger dann zum Medizincheck bei seinem neuen Verein AC Florenz.
Gosens habe immer gesagt, dass er wechseln wolle, erklärte Unions Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. "Und dann macht es auch keinen Sinn, einen Spieler zu behalten, der dann nicht richtig bei der Sache ist."
Union Berlin bleibt an zwei Spieltagen hintereinander in der Fußball-Bundesliga ungeschlagen. Gegen den Aufsteiger FC St. Pauli stimmte dabei jedoch vor allem das Ergebnis. Spielerisch blieb jedoch durchaus Luft nach oben. Von Ilja Behnischmehr
Missverständnis beendet
Die Art und Weise seines Abgangs steht sinnbildlich für Gosens' Zeit bei Union, die für beide Seiten nicht nach Plan lief. Gosens wechselte vor einem Jahr in die Bundesliga, um sich vor der Heim-EM wieder in Position für die Nationalmannschaft zu bringen. Der 1. FC Union wünschte sich in seiner Champions-League-Saison einen Spieler, der das sportliche Niveau der Mannschaft spürbar erhöht. Beide Hoffnungen wurden enttäuscht.
Auch finanziell: Im vergangenen Jahr zahlten die Eisernen noch 13 Millionen Euro für Gosens. Dass der 30-Jährige dem Verein durch eine Leihe mit Kaufpflicht dem Vernehmen nach nun nur noch 7,5 Millionen Euro in die Kasse spült, spricht Bände über seine Leistungen in Köpenick.
"Für immer in meinem Herzen"
Am Samstagmittag äußerte sich dann auch Robin Gosens selbst via Instagram [instagram.com]. Er wolle sich gar nicht erklären, aber er betont, dass er es jede Sekunde geliebt habe, sich für Union Berlin zu zerreißen.
"Das Leben zwingt einen manchmal zu schwierigen Entscheidungen. Den Verein zu verlassen - am letzen Tag des Transferfensters und noch dazu am Spieltag - ist eine solche Entscheidung.
Aber ich stehe hinter dieser Entscheidung. Die Gründe dafür zu nennen würde nur in einer Rechtfertigung enden. Und das will ich nicht", schreibt er weiter.
Gosens bedankt sich bei Union, bei den Fans, bei den Trainern und den Mitarbeitern. Aber jetzt beginne ein neues Kapitel.
Rothe stellt Paradigmenwechsel dar
Gosens' Nachfolger auf der linken Außenbahn stand bereits seit Wochen im Kader. Tom Rothe wurde in diesem Sommer für fünf Millionen Euro von Borussia Dortmund verpflichtet und ist sowas wie der Anti-Gosens. Der hochgewachsene Blondschopf ist erst 19 Jahre alt, bezieht ein deutlich geringeres Gehalt und soll Union irgendwann mal mehr einbringen, als er gekostet hat. Dass er das kann, zeigte er gegen St. Pauli. Zwar habe er sich bei seinem Bundesligadebüt in der ersten Halbzeit schwergetan, fand Trainer Bo Svensson, aber: "Die zweite Halbzeit war er besser, wir werden viel Freude mit ihm haben."
Heldts schwere Aufgabe
Viel Freude wünscht man auch Horst Heldt. Seine ersten Monate bei Union waren vor allem von Stress geprägt. Nicht nur der Gosens-Transfer beschäftigte ihn bis kurz vor Ende des Wechselfensters. Mit der Verpflichtung des serbischen Angreifers Andrej Ilic erfüllte der Union-Manager sein wichtigstes Versprechen erst auf den letzten Drücker.
Ein neuer Stürmer sollte her und das "definitiv". So hatte es Heldt wenige Tage vor dem sogenannten Deadline Day im Sport1-"Doppelpass" selbst gesagt. Nachdem Wunschspieler Ragnar Ache vom 1. FC Kaiserslautern zu teuer war, entschied sich Union für Ilic. Das Happy End einer Wechselperiode, in der für seinen Verein wenig nach Plan lief.
Ilic soll besser funktionieren als seine Vorgänger
Neben den ständigen Gerüchten um Gosens wurde das Sturmzentrum zum Dauerthema bei Union. Den Mittelstürmern Kevin Behrens, Kevin Volland, Mikkel Kaufmann und Chris Bedia waren in der vergangenen Saison zusammengerechnet nur neun Tore gelungen. Behrens ging im Winter zum VfL Wolfsburg, Kaufmann und Bedia wurden nun schon wieder abgegeben. Heldt musste in der Offensive also nachrüsten. Mit dem Kroaten Ivan Prtajin stellte er schon Mitte Juni einen neuen Neuner vor, der vom Zweitliga-Absteiger SV Wehen Wiesbaden kam.
Leider erwies sich der Kroate in der Vorbereitung auch nicht als die erhoffe Verstärkung – und so brach bei den Köpenickern Hektik aus. Ob Ilic, der sich bei seinem letzten Verein LOSC Lille nach einem Wadenbeinbruch nicht durchsetzen konnte, die Probleme löst, kann niemand so genau sagen. Zumindest füllt er im Kader die Lücke.
Nicht nur Heldt wird sich an Ilics Leistungen messen lassen müssen. Auch die Scouting-Abteilung der Eisernen, in die sich der sportliche Ex-Boss Oliver Ruhnert in diesem Sommer zurückzog, rückt in den Fokus. Denn mit Prtajin, Bedia, Kaufmann aber auch dem nach einer Leihe aus Mönchengladbach zurückgekehrten Jordan Siebatcheu hielt keiner der letzten wuchtigen Neuzugänge im Sturmzentrum, was er versprach.
Schwierige Aufgabe erfüllt
Die Zeiten, als viele in der Bundesliga die Eisernen für ihre Transferpolitik beneideten, sind vorbei. Trotzdem ist bei der Bewertung des gerade abgeschlossenen Wechselfensters Nachsicht geboten. Denn Heldt musste gleich mehreren Aufgaben auf einmal gerecht werden. Er sollte die Mannschaft, die sich in der letzten Saison erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg rettete, nicht nur verbessern. Es galt auch, den Kader zu verjüngen und das Gehaltsniveau zu senken. Zumindest die beiden letzten Wünsche hat Heldt seinem Chef Dirk Zingler erfüllt. So könnte sich der Schreck am Deadline Day rückblickend als wichtige Weichenstellung erweisen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.08.2024, 12:15 Uhr