Interview | Marcel Noebels bei der Eishockey-WM "Mich würde es riesig enttäuschen, wenn ich mit leeren Händen nach Hause käme"
Die Eishockey-Nationalmannschaft ist überraschend ins WM-Halbfinale eingezogen und hat nun die Chance auf einen historischen Medaillengewinn. Eisbär Marcel Noebels will diesen unbedingt schaffen - und drückt auch noch einem anderen Team die Daumen.
Nur Sekunden nach der Schlusssirene hatte sich am Donnerstagnachmittag eine große weiße Jubeltraube auf dem Eis gebildet. Überraschend klar hatte sich Deutschland bei der Eishockey-Weltmeisterschaft mit 3:1 gegen den Favoriten aus der Schweiz durchgesetzt. Nun steht das Team im Halbfinale - und hat damit die Chance auf die erste WM-Medaille seit 70 Jahren. Mit dabei sind auch zwei Spieler der Berliner Eisbären: Verteidiger Jonas Müller und Stürmer Marcel Noebels, mit dem rbb|24 am Tag vor dem Halbfinal-Duell gegen die USA gesprochen hat.
rbb|24: Hallo Herr Noebels, wie sahen die Stunden nach dem 3:1-Sieg gegen die Schweiz gestern aus?
Marcel Noebels: Natürlich haben wir noch viele Emotionen mit ins Hotel genommen. Die Freude war mehr als riesig. Die Jungs haben für den Erfolg hart gearbeitet, dass wir überhaupt bis hierhin gekommen sind. Ich glaube, wir haben ein sehr gutes Spiel gemacht. Wir haben die Schweiz dahin gebracht, ihr unser Spiel aufzuzwingen und am Ende des Tages auch verdient gewonnen. Es hat sehr viel Spaß gemacht, war aber natürlich auch ein bisschen nervenaufreibend. Es gab Phasen, wo es vielleicht hätte kippen können. Aber wir haben es ganz gut über die Bühne gebracht.
Was hat den Ausschlag gegeben, dass sich Ihr Team gegen den Mitfavoriten durchgesetzt hat?
Ich glaube, wir waren von Anfang an bereit, wirklich auf Kleinigkeiten zu achten. Wir haben ein sehr gutes Unterzahl gespielt. Mathias [Niederberger, der Torwart, Anm. d. Red.] hat uns wieder mal überragend in den richtigen Momenten im Spiel gehalten. Wir haben auch die Tore gemacht zu Zeitpunkten, wo es für die Schweiz ein Knacks war. Dann werden die Beine schwerer und der Kopf denkt immer mehr nach. Ich glaube, das haben wir gestern perfekt gemacht.
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Mit dem Einzug ins Halbfinale ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 bereits gesichert. Welchen Stellenwert hat das?
Das ist für das deutsche Eishockey natürlich riesig, das muss man ganz klar sagen. Jeder, der 2016 dabei war und so eine Olympia-Qualifikation gespielt hat, weiß, dass man das gerne umgehen möchte. Ich glaube, dass wir die direkte Qualifikation geschafft haben und so eine super WM spielen, sind zwei Sachen, die zusammenkommen. Wenn es 2026 in Mailand so weit ist, können wir mit breiter Brust und auch zurecht sagen, dass wir wieder mit dabei sind.
Nun geht es gegen die USA. In der Vorrunde gab es eine knappe 2:3-Niederlage, bei der Deutschland aber über weite Strecken sogar die bessere Mannschaft war. Was nehmen Sie aus diesem Spiel mit?
Ich glaube, die USA haben sich um einiges gesteigert im Vergleich zum ersten Mal, als wir in München gegen sie gespielt haben [3:6 im Vorbereitungsspiel, Anm. d. Red.]. Sie sind - ähnlich wie wir, wenn ich das vergleichen kann - besser geworden und als Team auch mehr zusammengerückt. Man merkt, dass sich bei ihnen die Reihen untereinander gefunden haben. Sie sind sehr gut gecoacht. Unsere Effizienz bei den Abschlüssen wird auf jeden Fall wichtig sein. Wir hatten hier beim Turnier viele Chancen, die wir leider nicht genutzt haben. Das war auch eines der Mankos, warum wir keine Punkte mitgenommen haben. Ich glaube, im Halbfinale wird es auf solche Situationen ankommen, weil man nicht allzu viele Möglichkeiten bekommt. Deswegen hoffe ich, dass wir da weitermachen können, wo wir gestern Abend aufgehört haben.
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Was für ein Spiel erwarten Sie denn am Samstag und was ist möglich für Deutschland - eine Medaille?
Ich bin jetzt zum zweiten Mal im Halbfinale. Mich würde es riesig enttäuschen, wenn ich mit leeren Händen nach Hause käme. Das muss ich ganz klar sagen. Ich bin der Meinung, dass wir bis jetzt in jedem Spiel gut gespielt haben. Es war auch egal, wer uns gegenüberstand. Bei allem Respekt für die amerikanischen Jungs. Wir gehen wieder als Außenseiter ins Spiel. Aber auf der anderen Seite ist nichts unmöglich - jetzt absolut nicht mehr. Ich hoffe nur, dass wir uns wirklich belohnen für die harte Arbeit und den Fleiß, den alle Jungs, die in der Kabine sitzen, bis jetzt geleistet haben.
Sie haben die Chance, die erste WM-Medaille seit 1953 zu gewinnen. Was bedeutet das für das deutsche Eishockey?
Dass es auf jeden Fall zu lang war. (lacht) Ich finde, seitdem wir 2016 die Olympia-Qualifikation spielen mussten, ging es für das deutsche Eishockey eigentlich nur in eine Richtung - und zwar nach oben. Ich glaube, wir sind sehr gut unterwegs. Wir haben auch eine Heim-WM bekommen für 2027, was auch ein Riesenerfolg für das deutsche Eishockey ist und wo ich mich auch sehr drauf freue. Aber jetzt sollten wir erstmal den Moment genießen. Wir werden morgen auf jeden Fall wieder unser Herz aufs Eis legen, um hoffentlich nach 60 Minuten als Sieger vom Eis zu kommen.
Was bedeutet es auch für Sie persönlich - nach der enttäuschenden Spielzeit in Berlin - die Saison jetzt noch versöhnlich zu beenden?
Ich denke aktuell gar nicht so viel über die Eisbären nach, weil ich das Jahr eh hinter mir lassen wollte. Wenn man zwei Mal Deutscher Meister wird und dann nicht die Playoffs erreicht: Da brauche ich glaube ich niemandem zu erzählen, wie sehr wir alle enttäuscht waren. Aber ich habe immer gesagt, wenn ich gesund bin und für das Land spielen kann, ist es für mich eine Ehre und dann mache ich das auch jederzeit. Ich habe von vornherein gesagt, dass ich gerne die WM spielen möchte. Bis jetzt bereue ich absolut gar nichts.
Am Samstag wird es auch in der Bundesliga spannend. Sie sind großer BVB-Fan - und der kann Deutscher Meister werden. Wie werden Sie das unter einen Hut bringen? Läuft dann in der Kabine der Liveticker?
Sie können mir auf jeden Fall glauben, dass der Tag rot im Kalender eingetragen wird, wenn wir gewinnen und Dortmund gewinnt. Das wäre natürlich mein Wunsch. Aber ich bin professioneller Sportler und habe einen Job zu erledigen. Da gilt es, aufs Eis zu achten und nicht auf den Fußballplatz. Sicherlich würde ich mich darüber freuen, wenn ich danach positive Nachrichten höre. Aber noch mehr freue ich mich, wenn wir die Nationalhymne hören.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lisa Surkamp-Erler, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 26.05.2023, 18 Uhr