Hertha-Torhüter Tjark Ernst gibt seinen Teamkollegen Anweisungen. (Foto: IMAGO / osnapix)

Interview Hertha-Keeper Ernst: "Wollen die Saison ohne weitere Niederlage beenden"

Stand: 10.04.2025 06:15 Uhr

Tjark Ernst und Hertha BSC befinden sich in einem echten Aufschwung. Im Interview spricht der Torhüter über seine Fußballer-Familie, die Degradierung unter Ex-Trainer Cristian Fiél und arüber, welche Saisonziele er und die Berliner noch haben.

rbb|24: Drei Siege in Folge, zuletzt der 1:0-Erfolg beim 1. FC Köln. Dort konnten auch Sie mit starken Paraden glänzen. Wir würden Sie die aktuelle Phase in Ihren bislang drei Jahren bei Hertha BSC einordnen?
 
Tjark Ernst: Auf jeden Fall relativ weit oben. Ich tue mich allerdings schwer, die Phase genau einzuordnen, weil es schon viele Höhen und Tiefen in der Zeit gab. Die letzten drei Siege am Stück lagen viele Jahre zurück. Es ist ein guter Lauf, der am liebsten noch länger anhalten soll.
 
Sie wurden in eine Fußballerfamilie hineingeboren. Ihr Vater Thomas Ernst war jahrelang Bundesliga-Torhüter für Frankfurt, Stuttgart, Kaiserslautern oder Bochum. Ihre Mutter Kerstin war auch Fußballerin, hat als Mittelfeldspielerin für FSV Frankfurt gespielt, dreimal den Pokal und einmal die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Hatten Sie eigentlich eine andere Wahl als Profifußballer zu werden?
 
Nicht wirklich (schmunzelt). Es wurde mir in die Wiege gelegt. Mein erstes Wort als Kind war
"Ball". Der Ball hat von Beginn an mein Leben bestimmt und darüber bin ich sehr froh. Der Weg war also vorgezeichnet.

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Wie war der Alltag mit zwei Fußballer-Eltern? Sie wurden ja beispielsweise in Stuttgart geboren, weil ihr Vater damals beim VfB spielte.
 
Ich habe das als Kind gar nicht richtig wahrgenommen. Meine Mutter hat damals nicht mehr gespielt. Mein Vater war als Fußballer an den Wochenenden unterwegs, aber ich war noch zu klein, um das zu realisieren. Ich war als kleiner Junge oft im Stadion, war aber zu jung, um mich an einzelne Spiele zu erinnern. Woran ich mich noch lose erinnere, sind die Momente nach den Spielen, als ich auf den Platz und die Handschuhe meines Vaters tragen durfte, die mir natürlich viel zu groß waren. Das waren die kleinen sehr schönen und lustigen Momente. Ich kann mich aber leider nicht daran erinnern, meinen Vater aktiv spielen gesehen zu haben.

Ihr Vater war nach seiner aktiven Karriere in mehreren Positionen beim VfL Bochum tätig. Sie kamen als Achtjähriger zum Verein. Wie muss man sich das Verhältnis vorstellen?
 
Es war relativ entspannt. Mein Vater war nie mein Trainer. Er war immer nur mein Papa. Ihm war es völlig egal, auf welchem Niveau ich den Sport betreibe – ob ich überhaupt Fußball spiele. Ihm war nur wichtig, dass ich bei dem, was ich tue, Spaß habe. Als ich den Schritt in den Leistungsbereich gemacht habe, hat er mich unterstützt. Wir haben uns immer ausgetauscht, aber es wurde nie Druck ausgeübt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Man kriegt in der Jugend mit, wie auf Mitspieler schon früh von den Eltern extremer Druck ausgeübt wird. Das war bei meinen Eltern nicht ein einziges Mal der Fall. Sie standen nur mit Rat und Tat zur Seite. Da hilft es natürlich, dass der Papa all das schon selbst durchgemacht und den einen oder anderen guten Tipp parat hat.

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Sie spielten, bis Sie 19 Jahre alt wurden, beim VfL Bochum. Dann wechselten Sie zu Hertha BSC. Wie kam der Transfer zustande?
 
Es stand fest, dass ich mich nach der U19 neu orientieren musste. Zu der Zeit hatte Bochum keine U23, Manuel Riemann war bei den Profis fest gesetzt. Deshalb musste ich mich nach Alternativen umschauen. Hertha ist früh an mich herangetreten, ich hatte ein Gespräch mit Ilja Hofstädt (Jugend-Torwarttrainer, Anm. d. Red.) und Andreas Menger (Profi-Torwarttrainer, Anm. d. Red.) in Berlin. Sie haben mir eine sehr gute Perspektive aufgezeigt, über die U23 an den Herrenbereich herangeführt zu werden und regelmäßig bei den Profis trainieren zu können. Das Projekt hatte mich so sehr überzeugt, dass ich auf der Rückfahrt nach Bochum eigentlich schon wusste, dass ich diesen Schritt gehen will.

Sie sind seit rund 60 Spielen bei den Profis. Dann kam die jüngste Winterpause und die Rückrunde. Cristian Fiél, Herthas damaliger Trainer, entschied sich für einen Wechsel im Tor. Sie saßen vier Partien auf der Bank. Wie haben Sie die Situation angenommen?
 
Es war im ersten Moment sehr schwer, das zu verstehen. Es war ein Nackenschlag, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Aber auch solche Situationen gehören zum Profi-Geschäft dazu. Nimmt man sie richtig an, kann man gestärkt aus ihnen hervorgehen. Ich glaube, das habe ich getan. Ich habe mich aber nicht hängen lassen, weiter Gas gegeben und bin froh, nun wieder im Tor zu stehen.

Im kommenden Sommer steht die U21-Europameisterschaft an. Gab es die Überlegung, nach der Degradierung im vergangenen Wintertransferfenster noch zu wechseln, um die nötige Spielzeit für einen Platz im Turnierkader zu kriegen?
 
In solchen Situationen wird immer viel geschrieben. Für mich war klar, dass ich so schnell wie möglich wieder zurück ins Tor und spielen möchte. Der Trainer hatte so entschieden, ich musste unabhängig davon weiter Vollgas geben – egal wo. Letztendlich hat es mich stärker gemacht und ich freue mich sehr, wieder bei Hertha im Tor zu stehen.
 
Im modernen Fußball wollen Mannschaften alles spielerisch lösen, auch von hinten heraus. In der Zeit unter Fiél gab es dahingehend viele individuelle Fehler. Wie nehmen Sie diese Entwicklung im Fußball und bei Hertha als Torhüter wahr?
 
Grundsätzlich bin ich auch ein Freund davon, Fußball zu spielen und sich hinten herauszukombinieren. Aber man muss sagen, dass uns diese Spielweise auch um viele Punkte gebracht hat. Wir haben zu viele individuelle Fehler gemacht. Aktuell sieht es von außen vielleicht nicht so schön aus, aber es ist deutlich effektiver, den Ball klar hinten herauszuschlagen, auf den zweiten Ball zu gehen und daraus Chancen zu entwickeln. Von dort aus können wir gepflegten Fußball spielen, dafür haben wir die Qualität, aber im Mittelfeld den Ball zu verlieren, tut eben nicht so weh. Es ist eine wichtige Stellschraube, die der Trainer (Stefan Leitl, Anm. d. Red.) hier verstellt hat. Das tut uns sehr gut.

Hertha hat die letzten drei Spiele gewonnen. Von außen blickt man auf die Spiele und denkt sich: Es hätte doch schon viel eher so laufen können. Merken Sie bei sich und der Mannschaft, dass aktuell etwas entsteht, auf dem man für die neue Saison aufbauen kann?
 
Man wird sehen, was im Sommer passiert. Unser aktuelles Ziel ist es, noch das Maximum herauszuholen. Wir sind alle absolut unzufrieden damit, wie die Saison verlaufen ist. Die Stimmung hat sich nun etwas gelockert, es gibt einfach keinen Ersatz für Siege. Daran wollen wir anknüpfen. Wir wollen die Saison im besten Falle ohne eine weitere Niederlage beenden, dafür müssen wir jeden Tag hart arbeiten und den Fokus halten.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Dennis Wiese, rbb Sport.

Sendung: DER TAG in Berlin & Brandenburg, 10.04.2025, 18 Uhr