
Überraschend stark Herthas Sieg in Köln in der Analyse: Einmal alles, bitte
Beim überraschenden Auswärtssieg der Hertha in Köln wartet die Mannschaft nicht nur personell, sondern auch spielerisch mit Neuigkeiten auf. Und mit einem Spieler, der sogar ohne Tore sein Eintrittsgeld wert wäre.
Mit Hertha BSC ist es so wie mit den Dönerbuden dieser Stadt. Man weiß nie, was man bekommt. In Köln, vor der Partie immerhin Tabellenführer der zweiten Liga und zuletzt mit vier Siegen aus den letzten fünf Heimspielen durchaus in Form, nun also einen 1:0-Auswärtssieg. Der angesichts des Herthaner Saisonverlaufs fast schon grotesk anmutet. Gerade weil er absolut verdient war und auf einer erstklassigen Leistung fußte.
Und dann war es auch noch der dritte Erfolg in Serie. Das gab es bei der Hertha zuletzt unter, Achtung Pointe, Ante Covic, dessen einzigen drei Siege es in zwölf Bundesliga-Spielen der Saison 2019/20 waren. Doch anders als unter Covic scheint die Mannschaft unter dem immer noch neuen Trainer Stefan Leitl zu gewinnen, weil das Gesamtkonstrukt inzwischen zu passen scheint. Und auch wenn man also historisch gewachsen nie so Recht weiß, was man bei der Hertha so bekommt - damit konnte nun wirklich niemand rechnen.

Jagdhunde mit einstudiert wirkenden Mustern
Dass der Sturz des Tabellenführers aus Köln kein Zufall war, ließ sich dabei schon nach wenigen Spiel-Minuten erahnen. Sowohl im Verbund als auch individuell verteidigte Hertha wie eine Bande ausgeschlafener Spürhunde auf der Jagd. Die Spieler unterstützten sich in jedem Moment, liefen für- und kommunizierten unaufhörlich miteinander. Wäre es nicht die gute, alte Hertha gewesen, hätte man relativ zügig behaupten dürfen, dass da zudem einstudierte Muster abgespult wurden, die wunderbar funktionierten.
Die Schönheit des Ibrahim Maza
Doch die Skepsis an der Nachhaltigkeit des Vortrags wich von Minute zu Minute, zumal die Mannschaft offensiv leichtfüßig wirkte, zielstrebig die Tiefe suchte und erfolgreich bespielte. Auch deshalb, weil sie mit nur einem Sechser (Diego Demme), zwei offensiv denkenden Schienenspielern (Marten Winkler und Jonjoe Kenny) und den vier Freigeistern Ibrahim Maza, Michael Cuisance, Derry Scherhant und Fabian Reese zwar nominell auf Angriff aufgestellt war, und trotzdem vermittelte, unbedingte Freude am gemeinsamen Verteidigen zu haben. So wie in der zwölften Minute, als Maza an der eigenen Eckfahne grätschte und sich anschließend darüber freute, als sei ihm ein schönes Dribbling gelungen.
Was absurd anmutet, wenn man bedenkt, wie schön ein schönes Maza-Dribbling sein kann. Man muss sich das immer wieder vorsagen, dass er gerade erst 19 Jahre alt und Zweitligaspieler ist. Vor allem dann, wenn er unter enormem Druck den Ball an holzenden Gegner vorbei streichelt, als brauche der gerade in diesen hässlichen, auf Zerstörung ausgelegten Momenten besondere Zuneigung. Man könnte auch sagen, dass man für Spieler wie Ibrahim Maza wohl selbst dann Eintritt zahlen würde, wenn sie unten auf dem Rasen die Tore abgebaut hätten. Aber man will die klamme Hertha ja nicht auf Ideen bringen.

Das Tor fehlt
Hertha also spielte, man traut es sich kaum zu schreiben, weil so ungewohnt, aber ja: brilliant. Wenn sie Breite brauchten, schafften sie Breite, wenn sie Ruhe brauchten, schafften sie Ruhe. Die Mannschaft schien für jede Spielsituation einen Plan zu haben. Und, noch besser, sie setzte ihn auch anständig um. In einer Begegnung, die man trotzdem nicht mal eben mit Popcorn und Schwätzchen nebenbei schauen konnte, um Spaß zu haben. Dafür war Hertha zu kontrolliert. Und verpasste, das Tor zu erzielen.
Ein Tor, das Marten Winkler in der 17. Minute nach schöner Reese-Vorarbeit hätte machen MÜSSEN und das er vermutlich nur deshalb nicht machte, weil er angesichts der Schönheit der Chance schon an den Jubel dachte. So aber verpasste er den Ball freistehend aus vielleicht drei Metern und zugleich die Chance, etwas mehr Werbung für sich und seine neue Position zu machen. Schließlich war es sein Debüt als Linksverteidiger. Ein Debüt, das zeigte, warum er diese Position richtig gut spielen könnte. Aber das galt auch für seinen früheren Posten als rechter Flügelstürmer. Über den Konjunktiv ist er dort nie hinaus gekommen. Möchte er das links hinten anders halten, sollte er an seiner Genauigkeit im Angriffsdrittel arbeiten. Nicht nur beim ungezwungenen Torabschluss aus drei Metern.

Reese schlenzt, Winkler atmet durch
Jubeln durfte Winkler dann trotzdem noch. Weil Fabian Reese in der 46. per Traumpass von Diego Demme in Richtung Glück geschickt wurde und die Dinge dann einfach auf Fabian-Reese-Art regelte, nämlich selbst und per Traumtor. Und während der Reese-Schlenzer also im Winkel ins "Hallo" segelte, hob Winkler in unmittelbarer Nähe zum Tatort beide Arme in den Himmel. Als spüre er Erleichterung für seinen kapitalen Bock. Oder als habe er den Fußball-Gott gesehen und sei nun bereit, zu akzeptieren, dass er aussieht wie Fabian Reese.
Der Rest ist schnell erzählt. Köln erhöhte das Risiko und somit den Druck, hatte mehr Ballbesitz, kam auch zu Chancen. Hertha konterte und vergab leichtfertig beste Möglichkeiten. Scherhant (drei Mal) und der eingewechselte Luca Schuler hätten mindestens einmal einen Winkler machen müssen - also treffen. Taten sie nicht. Und so durfte man an diesem Abend von Köln auch noch lernen, dass diese Hertha-Mannschaft tatsächlich vernünftig Abwehr kann, wenn sie eigentlich nix mehr im Tank hat. Man weiß halt nie, was man bekommt bei dieser Hertha. Manchmal einfach auch: einmal alles.
Sendung: rbb24, 04.04.2025, 22 Uhr