Union-Trainer Steffen Baumgart
analyse

Union-Sieg gegen Wolfsburg Im Zweifelsfall der zweite Ball

Stand: 06.04.2025 22:34 Uhr

Nach dem Sieg gegen den VfL Wolfsburg ist Union Berlin der Klassenerhalt kaum noch zu nehmen. Trainer Steffen Baumgart versteht es, die Kampfstärke der Mannschaft für sein Spiel zu nutzen. Von Till Oppermann

Sechs Spieltage vor Schluss hat der 1. FC Union Berlin elf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Wegen der satten Ausbeute von drei Siegen und einem Unentschieden aus den Partien gegen Frankfurt, München, Freiburg und Wolfsburg ist der Klassenerhalt in greifbarer Nähe. Das hätte vor einem Monat noch nicht einmal Benedict Hollerbach geglaubt.
 
Nach dem Spiel am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg, in dem er das Siegtor geschossen hatte, gewährte der Stürmer im DAZN-Interview Einblick in die Seele der Mannschaft. Weil Union zu Beginn des Jahres einige Spiele gegen die direkte Konkurrenz verloren hatte, habe man großen Respekt vor den restlichen Gegnern gehabt, so Hollerbach. Ihre lange berechtigte Abstiegsangst beseitigten die Eisernen mit einer Leistungssteigerung. "Ich bin stolz auf uns", freute sich Hollerbach.

Benedict Hollerbach, Union Berlin
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Hollerbach sieht Entwicklung

Knapp zwei Jahre spielt er mittlerweile bei Union. So wie in den letzten Wochen kannte er seine Mannschaft bisher nicht. Sein Team habe nicht die "alte Leier gezeigt, dass wir aus sicheren Fahrwassern kommen und dann wieder alles verlieren", lobte Hollerbach die konstant guten Leistungen. Und schloss schon fast erleichtert an: "Wir machen uns das Leben nicht mehr unnötig schwer."
 
Wie eigentlich immer war Union gegen Wolfsburg mal wieder die laufstärkere Mannschaft. Außerdem zogen die Unioner mehr Sprints an, fingen mehr Bälle ab und gewannen mehr Zweikämpfe. Man habe an das angeknüpft, was man schon die letzten Wochen gut gemacht habe, fasste es Leopold Querfeld zusammen. "Wir haben sehr intensiv gespielt", sagte der junge Innenverteidiger. Aber das allein reicht nicht als Erklärung für den Erfolg. In den genannten Statistiken gehörte Union auch in größter Abstiegsgefahr zu den besten Teams der Liga.

Mit Zweikämpfen zum Torabschluss

Vielleicht passt Steffen Baumgart genau deshalb besonders gut zu Union. Für seinen Fußball ist der hohe Einsatz die Grundvoraussetzung. Baumgart verlangt, dass seine Spieler möglichst vertikal nach vorne Spitze spielen. Fehlpässe nimmt er in Kauf, wenn die Richtung stimmt. Müsste man seinem Spiel ein Motto geben, könnte man sagen: "im Zweifelsfall der zweite Ball". Seiner Mannschaft, die seit Jahren Probleme damit hat, in längeren Ballbesitzphasen torgefährlich zu werden, kommt das entgegen. Je chaotischer und unruhiger eine Partie wird, desto besser für Union. Denn dann geht es auf dem Weg zum Tor ganz besonders darum, viele Zweikämpfe zu gewinnen.
 
So auch vor Hollerbachs Siegtreffer gegen Wolfsburg: Nach einem Einwurf knapp an der gegnerischen Grundlinie gelang es den Gästen nicht, den Ball konsequent aus der eigenen Hälfte zu klären. Es folgten mehrere Kopfballduelle, die Union alle gewann. Plötzlich stand Hollerbach frei vor dem Tor und schob ein. Während er zum Jubeln abdrehte, protestierten die Wolfsburger heftig. Querfeld hatte sich beim letzten Kopfballduell schubsend Platz verschafft. "Ich dachte mir, mit seiner Linie wird der Schiedsrichter das nicht abpfeifen", sagte er nach dem Spiel und grinste dabei breit.

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Unions Grenzen

Querfeld hatte richtig kalkuliert. Schiedsrichter Harm Osmers ließ den Mannschaften von Anfang an viel durchgehen. Auch wenn er Union kurz vor der Pause einen klaren Elfmeter verweigerte, kam seine Leistung den Eisernen eher entgegen als Wolfsburg. Als es den Gästen gegen Ende der ersten Halbzeit gelang, das Spiel durch längere Ballbesitzphasen etwas zu beruhigen, reagierte Union mit härteren Zweikämpfen. In der Folge wurde das Spiel immer offener und körperlicher. "Wenn man solche Gegner schlägt, kann man gegen alle was holen", jubelte Hollerbach nach dem Spiel. Diesen Beweis werden er und seine Mitspieler aber noch antreten müssen.
 
Wie gut Unions Underdog-Fußball funktioniert, wenn man Favorit ist, wird man insbesondere in den ausstehenden Spielen gegen Heidenheim und Bochum überprüfen können. Umso besser, dass sie nicht mehr über den Klassenerhalt entscheiden werden. Baumgart hat es geschafft, dass Unions Sport wieder an die erfolgreiche Zeit unter Urs Fischer erinnert. "Wir wissen, dass wir nachlegen müssen, um weiter erfolgreich zu bleiben", erklärte er trotzdem. Beim Versuch das Team auch spielerisch weiterzuentwickeln, hilft das Selbstvertrauen aus den letzten Wochen allemal. "Durch das Momentum ziehen wir viele Spiele", sagte es Hollerbach wie ein waschechter Profifußballer. Besonders spannend wird, was nach dem Momentum kommt.

Sendung: rbb24, 06.04.2025, 21:50 Uhr